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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 23.03.2020 | Sonnig bei frischen 4°C. | ||
+ Berlin bleibt strenger Stubenarrest erspart + Friseure müssen schließen, Baumärkte weiter offen + Checkpoint-Lesergedicht: „Frühling haut Corona weg!“ + |
von Stefan Jacobs |
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Guten Morgen, am Wochenende waren die Deutschen auf Bewährung draußen. Das galt auch und ganz besonders für Berlin, wo Danebenbenehmen oft zum Lokalkolorit gehört. Es mag späte Einsicht gewesen sein und ein bisschen auch der sibirische Wind, der die allermeisten endlich zur Vernunft und auf Distanz brachte. Jedenfalls meldete die Polizei am Sonntag deutlich verbesserte Disziplin. Dabei dürfte es bleiben, nachdem alle Beteiligten bis hinauf zur Bundeskanzlerin signalisiert haben, dass Verstöße gegen die neuen Regeln rigoros bestraft werden sollen. „Zeigen Sie Vernunft und Herz“, sagte Angela Merkel nach ihrer Beratung mit den Länderchefs. Es war ihr letzter öffentlicher Auftritt, bevor sie selbst ins Homeoffice musste: Sie war bei einem Arzt, der mit dem Coronavirus infiziert ist. | |||||
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Im „Heute Journal“ ging Moderatorin Marietta Slomka Michael Müller u.a. wegen der Kleinstaaterei in Bezirken (Spielplätze auf/zu) und Koalition (Kalayci für Ausgangssperre, die anderen dagegen) an, aber Müller gehört wohl zu denen, die dem zuvor schon eng gewordenen Berlin den Stubenarrest erspart haben – Stichwort: soziale Folgen; die Nummern von Kindernotdienst und Gewaltschutzeinrichtungen werden nicht umsonst häufiger genannt seit ein paar Tagen. Die Berliner Version der Verordnung sagt im Kern, dass man weiterhin raus darf, aber nur mit maximal einer Begleitperson, soweit es nicht die eigene Familie oder WG ist. 1,5 Meter Mindestabstand gelten überall, außerdem Ausweispflicht. Gärtnern, Sport und Spaziergänge bleiben erlaubt. Oder, mit den Worten der „taz“: „Bauernskat erlaubt, Skat verboten“. | |||||
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Aktenkundig mit dem Coronavirus infiziert sind mit Stand Sonntagabend bundesweit knapp 24.000 Menschen, 92 davon sind gestorben, 266 genesen. In Berlin sind es offiziell knapp 1100 Infizierte, aber real auch deshalb deutlich mehr, weil laut „Morgenpost“ sieben von zwölf Bezirksämtern am Sonntag keine neuen Daten an die Senatsverwaltung übermittelt haben (und wohl auch, weil laut „B.Z.“ noch bis Freitag rund 6000 Urlauber aus Ägypten unkontrolliert nach TXL und SXF zurückkehren konnten). Angesichts von 3 bis 14 Tagen Inkubationszeit ist absehbar, dass die Infektionskurve noch bis in den April dramatisch ansteigen wird – und sich bis dahin jede Grundsatzdiskussion über die krassen Einschränkungen mangels neuer Erkenntnisse erübrigen dürfte. | |||||
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An diversen Krankenhäusern und sogar an Brücken über der Stadtautobahn wurden in den vergangenen Tagen Dankesbotschaften für jene hinterlassen, auf die es jetzt am meisten ankommt. Zwei Transparente über der A100 nahm die Polizei allerdings ab, weil sie drohten, auf die Autobahn zu fallen. Wie die Ressourcen der Rettungsdienste – allmählich, aber stetig – schrumpfen, zeigt z.B. Vivantes, wo das Klinikpersonal entgegen der Empfehlung des Robert-Koch-Institutes nach Kontakt mit Infizierten nicht in Quarantäne geht, sondern mit Schutzausrüstung weiterarbeitet. Auch bei der Feuerwehr werden die Lücken größer: Sieben Feuerwehrleute sind laut internem Lagebericht von Sonntagabend positiv getestet worden, 123 befinden sich in Quarantäne. Und: Schutzmasken für den Rettungsdienst sollen neuerdings mehrfach verwendet werden. | |||||
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Ein erheblicher Teil des Rettungswesens ist mit der Versorgung von Unfallopfern aus dem Straßenverkehr gebunden. In Berlin waren es 2019 knapp 18.000 Verunglückte, die also nicht nur die Polizei, sondern auch medizinisches Personal beschäftigt haben, davon zweieinhalbtausend Schwerverletzte. Also sieben pro Tag, die stationär im Krankenhaus aufgenommen werden mussten. Ungefähr sechs davon wären wohl vermeidbar, wenn alle vernünftiger fahren würden. Bundesweit geht es übrigens um knapp 400.000 Verletzte, also einen alle 80 Sekunden. Angesichts dieser Zahlen mag es sich lohnen, über die – bisher nicht groß ventilierte – Forderung nach befristeten strengeren Tempolimits nachzudenken, die auch die Gefahr für Radfahrer und Fußgänger verringern würden. Bei der Verkehrssicherheit liegen zwischen Tempo 30 (Auto steht nach 13 Metern) und Tempo 50 (Autofahrer fängt nach 13 Metern an zu bremsen) Welten. | |||||
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Während die Bundesregierung heute laut ZDF ein Rettungspaket über 500.000.000.000 und einen Nachtragshaushalt von 150.000.000.000 Euro auf den Weg bringen dürfte, fürchten Millionen Menschen um ihre Existenz. Denen, die schon vorher zu wenig hatten und nun auch wegen der nur noch beschränkt funktionsfähigen Tafeln ganz akut Mangel leiden, helfen Nachbarn (z.B. am Bahnhof Hermannstraße) mit „Gabenzäunen“. Es lohnt sich täglich mehr, on- und offline nach lokalen Initiativen Ausschau zu halten, um effektiv im eigenen Kiez helfen zu können. Bei nebenan.de ist von einer „Welle der Solidarität“ der Rede. Noch niedrigschwelliger ist ein Zettel an der Haustür oder in Nachbars Briefkasten, um beispielsweise Risikogruppen den Weg in den Supermarkt zu ersparen. | |||||
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Die Läden, die nun zum Treffpunkt Nr. 1 im Kiez werden dürften, haben unterschiedlich schnell auf die neue Situation reagiert. Während etwa bei Lidl in Treptow das Kassenpersonal am Samstag mit Plexiglas geschützt und die Kundschaft mit Paletten und Klebemarkierungen auf Abstand gehalten wurden, berichtet ein Leser (72) aus Lichterfelde, dass es dort im Aldi null Vorkehrungen gab – und der Kassierer auf seinen Vorschlag, Handschuhe zu tragen, erwiderte, er könne sich ja woanders anstellen. Dagegen hat z.B. der Rewe in der Ernststraße in Tegel „exklusive Öffnungszeiten für unsere Alltagshelden in der Corona-Krise“ eingeführt: Di./Do. 7-9 Uhr. Möge der Plan funktionieren, der anderswo bereits am Egoismus der Nichthelden gescheitert ist. | |||||
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Der Verlegerverband BDZV hat sich aus gegebenem Anlass der Frage gewidmet, ob Coronaviren über Zeitungspapier übertragen werden können. Die unter Berufung aufs Bundesinstitut für Risikobewertung und den Bundesoberarzt Christian Drosten gegebene Antwort lautet, dass kein entsprechender Fall bekannt sei und sich trockene Oberflächen als Übertragungsweg allgemein nicht eignen. Das gelte für Zeitungspapier ebenso wie für Bargeld. Paragraf 1 der Vorsorge gilt selbstverständlich dennoch weiter: Händewaschen nicht vergessen! | |||||
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Die werktägliche Tagesspiegel-Seite „Berliner Wirtschaft“ entsteht nicht nur überwiegend im Homeoffice zurzeit, sondern widmet sich demselben auch in einer neuen Serie. Zur Premiere gibt der bereits einschlägig erprobte Chef von Berlin Partner, Stefan Franzke, Tipps wie diesen: Dresscode wahren, damit man merkt, dass man nicht im Urlaub ist, sondern im Dienst. Ja, der Einblick in fremde Lebenswirklichkeiten gehört seit jeher zu den Reizen des Journalistenberufs. | |||||
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Die Polizei werden wir von nun an wohl öfter sehen, sofern wir draußen unterwegs oder am Fenster sind. Vielleicht gibt es dann auch hier so wunderbare Szenen wie aus unserer europäischen Nachbarschaft – etwa den Brüsseler Streifenwagen, aus dessen Lautsprechern das Chanson „Reste à la maison, même s'il y a le printemps qui chante“ („Bleib zu Hause, auch wenn der Frühling singt“) schmettert. Oder wie die Lokalpolizei von Algaida auf Mallorca den Anwohnern ein Ständchen spielt und tanzt, bevor sie (übrigens im E-Auto) wieder abrückt. Wird Zeit, dass jemand mal einen international gängigen Hashtag für diese herrlichen Videoschnipsel erfindet. Die tun dem Gemüt schließlich ebenso gut wie die allabendlichen Online-Konzerte. | |||||
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