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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

06. März 2020

Liebe Frau Do,

im Freundeskreis und in Mails von Lesern dieses Newsletters heißt es zuweilen, die Medien trügen zu einer Corona-Panik bei. Diese Ansicht kann ich nicht teilen: Zum einen vertrete ich nicht die Medien, sondern ein Medium. Die Rheinische Post ist die Rheinische Post, die anderen sind die anderen. Wir geben uns allergrößte Mühe, sehr differenziert zu berichten und nicht zuletzt mit Hilfe von namhaften Virologen die nötige Einordnung zu bieten. Zum anderen ist die Gefahr nicht annähernd gebannt. Rund 300 Menschen haben sich allein in NRW inzwischen infiziert, Tendenz weiter steigend, Dunkelziffer unbekannt.

Ich weiß, es fällt schwer, dauerhaft vorsichtig zu sein. Als junger Reporter habe ich zwei Wochen in einem Choleralager in Ruanda verbracht. Auch weil ich Desinfektionsmittel mithatte, bin ich gesund zurückgekommen. Das Schwierigste war für mich, mir zwei Wochen lang nicht ins Gesicht zu fassen. Wir müssen akzeptieren, dass wir unsere Gewohnheiten ändern müssen. Die aktuellen Nachrichten können Sie weiterhin auf unserem Live-Ticker verfolgen, der noch immer auf enormes Interesse stößt.

Ein ganz besonderer Fall hat sich in Düsseldorf zugetragen. Per Facebook hat eine Gesamtschule darüber informiert, dass eine Lehrerin sich infiziert habe, der Schulbetrieb aber aufrechterhalten werde. Mag sein, dass die Entscheidung aus medizinischer Sicht nachvollziehbar war. Aber die Schulleitung hatte nicht mit den Lehrern gerechnet, die sich nun in großer Zahl krankmeldeten, vermutlich in präventiver Absicht. Wie die Schulen in NRW mit Corona umgehen, haben Kirsten Bialdiga, Philipp Jacobs und Florian Rinke aufgeschrieben. Mir scheint, aus dem Düsseldorfer Fall lässt sich lernen: Ängsten kommt man nicht mit Anordnungen bei, und Kommunikation ist die halbe Miete. „Sagen, was man tut, und tun, was man sagt“, war das Motto des einstigen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau, und es hat seine Gültigkeit nicht verloren.

Als Bundespräsident hat Rau immer wieder seine Skepsis gegenüber der Sterbehilfe gezeigt. "Wirkungsvolle Hilfe gegen unerträgliche Schmerzen hilft kranken Menschen, in Würde zu leben und zu sterben", sagte er bei einer Rede im September 2002. Der Glaube war für Rau wichtig und ihm auch in dieser Frage ein Kompass. Der Zeitgeist ist über ihn hinweggegangen, heute plant Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, eine Sozialdemokratin, ein Gesetz für die Sterbehilfe, das noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden soll. Wie sie sich das genau vorstellt, hat sie in einem Interview Eva Quadbeck und Jan Drebes aus unserem Hauptstadtbüro vorgestellt.

Von Würde sprach Rau damals, und er hätte sicher einen klaren Blick auf die Lage an der griechischen Grenze zur Türkei gehabt, wo Zehntausende Flüchtlinge gestrandet sind. Wie vor fünf Jahren ist sich die EU nicht einig, aber anders als damals soll es auf keinen Fall eine ungeregelte Einreise geben. Warum das so ist und wie sich 2020 von 2015 unterscheidet, schreibt unsere Berliner Korrespondentin Kristina Dunz in einer starken Analyse. Ganz unabhängig von der Frage, welche Linie man selbst vertritt, kann es so doch wirklich nicht bleiben.

Ich wünsche Ihnen einen guten Kompass durch den Tag.

Herzliche Grüße

Moritz Döbler

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