Liebe Frau Do, schon zu Anfang der Corona-Krise galten nicht überall in Deutschland die gleichen Regeln. Schuld daran war auch ein Kräftemessen zwischen einzelnen Bundesländern (ohne jetzt hier den Ministerpräsidenten von NRW und Bayern böswillig zu unterstellen, sie hätten sich profilieren wollen). Jetzt wird es aber noch unübersichtlicher, weil die Infektionszahlen deutlich angestiegen sind und die Länder, aber auch die Kommunen daraus unterschiedliche Schlüsse ziehen. Das „Stochern im Corona-Nebel“ beschreibt Gregor Mayntz in seinem Leitartikel. Berlin hat eine Sperrstunde verhängt, in NRW sieht man das skeptisch. Wer aus einem inländischen Risikogebiet kommt, muss in den meisten Bundesländern mit einem Beherbergungsverbot rechnen – in NRW allerdings nicht. Einen Überblick geben Kirsten Bialdiga, Kerstin Münstermann und Christian Schwerdtfeger. Die neuen Regeln erschweren auch die Planung der Herbstferien. Wo man noch ohne Einschränkungen hin kann, jedenfalls nach heutigem Stand, hat Reinhard Kowalewsky recherchiert. All diese Regeln, die sich zum Teil widersprechen und von denen viele kaum zu kontrollieren sind, hat der Staat auf seinen verschiedenen Ebenen erlassen. Für Herfried Münkler entsteht aus der neuen Unübersichtlichkeit das Gefühl, „dass die Regierung oder auch der Staat die Lage nicht im Griff haben“. Der Berliner Politikprofessor ist einer der angesehensten Denker Deutschlands, der schon viele Phänomene klug erklärt hat. „So etwas sind wir nicht gewohnt – als eine Gesellschaft, die auf einem verlässlichen Zugriff auf Zukunft beruht“, sagt Münkler in einem Interview, das Lothar Schröder geführt hat. „Unser durchgeplantes Leben ist in Unruhe versetzt worden.“ Unruhe hat auch die Flüchtlingskrise vor fünf Jahren ausgelöst. Einer, der das EU-Türkei-Abkommen und damit eine internationale Lösung des Problems vorgedacht hat, ist der Migrationsexperte Gerald Knaus, der einen Thinktank in Berlin betreibt. Seine Idee hat Angela Merkel damals umgesetzt. Deswegen wiegt umso schwerer, dass er das aktuelle flüchtlingspolitische Vorhaben der EU-Kommission kritisch sieht, das heute die Innenminister der Mitgliedsstaaten erörtern: Staaten, die keine Menschen aufnehmen wollen, sollen aber die Abschiebung organisieren. „Das wird nie funktionieren“, sagt Knaus. Wie es stattdessen gehen könnte, schildert der Soziologe in einem Interview, das Dorothee Krings geführt hat. Was John Lennon wohl dazu sagen würde? Morgen würde er 80 Jahre alt, vor knapp 40 Jahren hat ihn ein Attentäter in New York erschossen. Wäre der Beatles-Sänger heute politisch angepasster, hätte er sich mit den Verhältnissen arrangiert? Philipp Holstein hat ein wunderschönes Porträt über den guten Menschen der Popmusik geschrieben, das mit einem Lied beginnt, von dem ich noch nie gehört hatte, obwohl ich die Beatles großartig finde. Kleiner Tipp: Es war als Nationalhymne gedacht. „Here Comes the Sun“: Das ist, wenig originell, mein Lieblingslied der Beatles. Auf einem meiner ersten Handys hatte ich es sogar als Klingelton gespeichert. Viel Sonne und, im Sinne Münklers, einen Zugriff auf Zukunft würde ich Ihnen heute gerne wünschen. Weil beides aber allenfalls von kurzer Dauer sein dürfte, Sie sich aber trotzdem nicht ärgern sollten, zitiere ich einen berühmten, mehr als 50 Jahre alten Lennon-Appell: „Give Peace a Chance!“ Herzlich Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |