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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 05.10.2020 | Morgens wolkig, später leichter Regen bei bis zu 17°C. | ||
+ Die Corona-Fallzahlen in Berlin steigen rasant + Rot-Rot-Grün lehnt von Kalayci vorgeschlagenes nächtliches Alkoholverbot ab + Behördenpingpong bei den Corona-Kontrollen + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, je zufriedener der Senat mit der eigenen Corona-Politik ist (Ramona Pop: „Wir reagieren früher als der Bund“ / Michael Müller: „Jetzt orientieren sich an uns viele, oder alle“), desto drastischer steigt in Berlin die Zahl der Neuinfektionen. Fünf Bezirke gelten von heute an als Risikogebiete, weil sie die kritische Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gerissen haben (7-Tage-Inzidenz). Schleswig-Holstein hat bereits eine Quarantänepflicht für Reisende aus Mitte, Friedrichhain-Kreuzberg und Neukölln verhängt (Ausnahme: Bundespolitiker sowie ein Aufenthalt in den genannten Bezirken von weniger als 48 Stunden). Weitere Bundesländer erwägen ähnliche Maßnahmen, und bald könnte auch das gesamte Land Berlin auf die Liste kommen. Die Bezirke, die über der kritischen Marke von 50 liegen: Neukölln: 63,5 Mitte: 61,4 Friedrichshain-Kreuzberg: 56,2 Charlottenburg-Wilmersdorf: 53,1 Tempelhof-Schöneberg: 51,3 Zwei Bezirke haben die vom Senat festgelegte Höchstzahl von 30 Fällen überschritten: Reinickendorf: 34,8 Spandau: 30,7 Zwei weitere Bezirke stehen auf der Kippe: Treptow-Köpenick: 28,5 Pankow: 23,4 Steglitz-Zehlendorf 22,2 Zwei Bezirke weisen eine relativ niedrige Neuinfektionsrate aus: Marzahn-Hellersdorf: 13,8 Lichtenberg: 12,1 Würden es Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf so machen wie Schleswig-Holstein, also die Berliner Bezirke jeweils als Landkreise bewerten, müssten Innenstadtbewohner für den Ausflug zu den „Gärten der Welt“ ebenfalls in Quarantäne (mehr dazu unter „Stadtleben“). Das ist unkontrollierbar und offenbart die Absurdität des politischen Handelns – aber auch die Tücke des Virus: Es gefährdet die Gesundheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft. | |||||
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Die meisten neuen Fälle gibt es bei den 20- bis 29-Jährigen. Und weil der Senat ausgerechnet an diesem Wochenende mitten hinein ins frische Infektionsgeschehen einen „Tag der Clubkultur“ feierte, wird das wohl auch so bleiben: Die als Rettungsmaßnahme gut gedachte 10.000-Euro-Auszeichnung von 40 Läden geriet nur hinter den Türen pandemiekonform – davor aber und in den Parks beteiligten sich tausende Tanzsehnsüchtige in der letzten lauen Nacht des Jahres mit dem Bier in der Hand am größten Corona-Inkubator der Stadt (hier ein kleiner Eindruck). Ich verstehe die Sehnsucht nach dem Nachtleben, nach Konzerten, nach dem Gemeinschaftsgefühl, und ich empfinde sie selbst (wie herrlich war’s z.B. beim letzten Lollapalooza). Ich verstehe die Lage der Clubs, die mehr als ein Almosen verdienen. Was ich nicht verstehe, ist die Rückkehr des Hedonismus in seiner hässlichen Art: ignorant und gemeingefährlich. | |||||
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Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci will „angesichts anhaltend sehr hoher Infektionszahlen und Inzidenzen“ am Dienstag im Senat eine schärfere Corona-Verordnung durchsetzen – hier die wichtigsten Punkte der Vorlage, die Staatssekretärin Barbara König („auch mit besten Grüßen von Martin Matz“) zur Vorbereitung an ihre Kolleginnen und Kollegen schickte: + Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum bis zu 5 Personen + Bei privaten Zusammenkünften darf pro 10 qm jeweils nur eine Person anwesend sein (max. 25 innen, max. 50 außen) + Verbot von Ausschank, Abgabe und Verkauf von Alkohol zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Entsprechend angepasst werden soll der Bußgeldkatalog. Ein Verstoß gegen die Kontaktbeschränkung (max. 5 Personen) wird demnach mit bis zu 500 Euro geahndet, ein Verstoß gegen die Quadratmeterregel (min.10 qm pro Person) zwischen 1.000 und 5.000 Euro, und ein Verstoß gegen die Alkoholbestimmung (§7, Abs. 4) kostet die „ausschenkende, abgebende oder verkaufende Person“ zwischen 5.000 und 10.000 Euro – selbstverständlich nur im Falle einer der seltenen Kontrollen. Die Mail von König endet erwartungsvoll: „Wir freuen uns auf Euer Feedback und die Diskussion in der STK am Montag.“ Da die Grünen, die Linken und auch der Regierende Bürgermeister von einem Alkoholverbot bisher nichts halten, dürften die Staatssekretärsrunde am Montag und die Senatssitzung am Diensttag mit hochprozentiger Wahrscheinlichkeit tatsächlich heiter verlaufen. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek gibt den Ton vor: Sie schreibt über Kalayci neuerdings abfällig distanziert als „unsere ‚Gesundheits‘-Senatorin“. | |||||
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Die rigide politische Aufräumaktion von Frank Balzer in der Reinickendorfer CDU wird ein Jahr vor der Wahl nun auch zur akademischen Belastung für die Landespartei: Nachdem der Bezirksbürgermeister den falschen Doktor Frank Steffel als CDU-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten abgesägt hat, schlägt er als seinen eigenen Nachfolger im Rathaus (Balzer zieht’s ins Abgeordnetenhaus) jetzt ausgerechnet einen fragwürdigen Professor vor: Der 62-jährige Balzer-Buddy Michael Wegner trägt stolz einen Titel der rumänischen Universität Pitesti („Prof.“), von dem allerdings jede Spur fehlt. Wir haben die für Internationales zuständige Vizepräsidentin Corina Amelia Georgescu gefragt, seit wann Wegner Honorarprofessor ihrer Hochschule ist und welche wissenschaftlichen, beruflichen oder sonstigen Leistungen er als „Profesor de onoare“ erbracht hat – hier ihre Antwort: „Ich konnte Herrn Michael Wegner nicht in den Aufzeichnungen finden, die uns für die vergangenen zehn Jahre zur Verfügung stehen.“ Das klingt nach einer lohnenden Forschungsaufgabe für den CDU-Landesvorstand. | |||||
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Samstagabend gegen 20.30 Uhr: Mitten auf der Neuen Jakobstraße bei uns ums Eck steht im Dunklen eine alte Frau, gestützt auf ihren Stock; sie wirkt verwirrt. Autos rasen links und rechts vorbei, sie schlurft in ihren Hausschuhen einen Schritt weiter, dann noch einen. Wir helfen ihr auf den Gehweg. Wohin sie denn wolle? „Nach Hohenschönhausen, zu meiner Tochter.“ Sie hat kein Geld dabei, keinen Schlüssel, kein Handy, keine Nummer. Aber sie weiß, wo sie selbst wohnt, „seit 1955“. Sie hat nur ein paar Dutzend Meter geschafft. Ob wir bei den Nachbarn klingeln sollen? „Die sind mir nicht wohlgesonnen. Ich gehe denen auf den Senkel.“ Und einen Schlüssel haben die auch nicht. Hat sie einen Pflegedienst? Ja, hat sie. Wir schauen nach, es gibt keine Notfallnummer. Können wir die Tochter anrufen? „Die ist nicht da, die hat Schicht.“ Also die Polizei? „Dann ist meine Tochter wieder böse auf mich.“ Aber was sonst? Den Schlüsseldienst holen? Und dann? So können wir sie nicht allein lassen. Wir rufen die Polizei, zwei sehr freundliche junge Beamte steigen aus. Sie kennen die Frau schon länger und begrüßen sie mit ihrem Namen: „Was machen Sie denn, wir waren doch heute schon bei Ihnen!“ Vor Stunden hatten die Beamten mal wieder die Tochter anrufen und herbitten müssen. Jetzt ist sie nicht zu erreichen. Die alte Frau kann kaum noch stehen, sie lehnt an der Haustür, wir stützen Sie. Es geht ihr nicht gut. „Sie hätten überfahren werden können“, sagen wir zu ihr. „Ich habe keine Angst vor Autos“, erwidert sie. „Ich bin ein bisschen lebensmüde. Ich wollte schon mal ins Wasser.“ Sie streichelt unseren Pomeranian-Welpen, zieht den kleinen Hund sachte mit einer Hand ganz nah an sich heran und flüstert: „Ich liebe Tiere. Tiere sind immer ehrlich. Nicht so falsch wie Menschen.“ Dann fährt ein Krankenwagen vor. | |||||
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