Mette Frederiksen ist seit sechs Jahren Ministerpräsidentin der Mitte-Links-Regierung Dänemarks und hat die EU auf die harte Tour lieben gelernt. Einst war sie eine typische dänische Euroskeptikerin, doch inzwischen hat sie ihre knauserige Haltung gegenüber dem EU-Haushalt revidiert und bezeichnet sich selbst als „überzeugte Europäerin”. Was hat diesen Wandel bewirkt? „Das liegt vor allem an der Unsicherheit und der Erkenntnis, dass wir uns nicht mehr auf die Amerikaner verlassen können”, meint Marlene Wind, Professorin für Europapolitik an der Universität Kopenhagen. Frederiksen ist sich der Drohungen Donald Trumps, Grönland anzueignen, sowie des Krieges Russlands in der Ukraine und der hybriden Kriegsführung in Nordeuropa bewusst. Anlässlich des heutigen Empfangs der EU-Kommissare unter Ursula von der Leyen in Aarhus zu Beginn der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft Dänemarks ist klar, dass Frederiksen sich in Brüssel profilieren will – einem Ort, den sie lange Zeit mit Misstrauen und einer gewissen Langeweile betrachtet hat. Bis vor kurzem war Dänemark eines der wenigen Länder, welches nicht einmal einen Regierungssprecher in Brüssel hatte. Die „sich wandelnde Welt“, die sie in ihrem Motto für die Präsidentschaft erwähnt, hat sie zurück nach Europa getrieben. Der Zeitpunkt ist günstig. Frederiksen und von der Leyen sind sich bereits einig: Sie wollen die Ukraine unterstützen, die Verteidigungsausgaben erhöhen, den Klimaschutz vorantreiben – ein Anliegen, für das sich Frederiksen seit langem einsetzt – und die Einwanderung reduzieren. Frederiksens harte Haltung in der Migrationsfrage, die in Dänemark mittlerweile fast Konsens ist, ist nichts Neues: Sie hat das Thema gleich am ersten Tag ihrer Amtsübernahme als Parteivorsitzende im Jahr 2015 zu einer Priorität gemacht. Zu einer Zeit, in der die dänische Rechte mit 21 Prozent der Stimmen ihren Höhepunkt erreichte. In einer nun vollzogenen Kehrtwende, die ihre Hinwendung zur EU verdeutlicht, setzt sie sich mit ganzer Kraft für eine harte europäische Lösung der Migrationsfrage ein. Ihre Haltung hat ihr Beifall von rechts eingebracht, sie jedoch mit den übrigen EU-Sozialdemokraten, insbesondere mit Spaniens Pedro Sánchez, in Konflikt gebracht. Dieser bringt demografische und wirtschaftliche Argumente für mehr Migranten vor. Frederiksen hat mit umstrittenen Plänen geliebäugelt, Migranten nach Ruanda zu schicken, um die Asylzahlen zu drücken, was ihre Migrationspolitik in die Nähe der Rechten bringt. So behauptet sie beispielsweise, Migranten würden die Rechte der dänischen Arbeitnehmer untergraben. Damit hat sie die Unterstützung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei gespalten, die in Brüssel der Patrioten-Fraktion angehört. Die Kombination aus hohen Klimazielen und verschärfter Migrationspolitik, auf die Frederiksen langfristig setzt, erinnert zumindest an die erste Amtszeit von von der Leyen, die ebenfalls 2019 an die Macht kam. Der dänische Wissenschaftler Wind verglich beide mit „Chamäleons“, die sich „mit der Bevölkerung bewegen“ – und derzeit bewegt sich diese nach rechts. Obwohl die Umfragewerte ihrer Dreiparteienkoalition weit unter ihrem früheren Niveau liegen, gibt es kaum Anzeichen dafür, dass Frederiksens Amtszeit sich dem Ende zuneigt. Sie ist etwas europäischer geworden – aber auch Europa ist etwas dänischer geworden. |