Donnerstag der 14.März ist ein regnerischer und stürmischer Tag in Berlin. Ich sitze in der Lobby eines Hotels am Potsdamer Platz und warte auf Collin McMahon und Daniel Pipes. Die beiden sind noch im Bundestag und machen sich auf den Weg. In wenigen Minuten werden sie zum Gespräch eintreffen.
Daniel Pipes ist Gründer und Direktor des Middle East Forums und gilt als Experte für die islamische Welt. Sein Middle East Forum unterstützt auch Jouwatch. Pipes studierte sechs Jahre im Ausland, unter anderem in Ägypten. In den Jahren danach lehrte er an mehreren Universitäten in den USA, auch an der University of Chicago. Außerdem arbeitete er für das Außen- und das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten als Mitglied der "Special Task Force on Terrorism and Technology".
Politisch wird Daniel Pipes im allgemeinen bei den US-Republikanern einsortiert, vom deutschen Polit- und Medienmainstream wird er karikiert als Islamfeind und selbst dafür angefeindet, daß er zivilisationistische Parteien, Medien und Organisation unterstützt, die vom linkspopulistischen Mainstream für gewöhnlich als "Rechtspopulisten" tituliert werden. "Zivilisationistisch" ist eine Wortschöpfung Pipes', die den Sachverhalt exzellent beschreibt.
Warten auf Daniel Pipes
Anders als David Berger hatte ich vorher keinen ausführlichen Fragenkatalog erstellt. Es gab nichts Bestimmtes, das ich hätte wissen wollen, da ich Pipes'Positionen ohnehin kannte. Ich dachte nur, dass es interessant wäre, ihn einmal kennenzulernen, wenn er schon gerade in Deutschland ist. Vielleicht wollte er ja etwas von mir wissen? Etwa, wie es um die alternativen Medien steht, mit welchen Schwierigkeiten Jouwatch zu kämpfen hat und dergleichen mehr. Ich blieb also gelassen und vertraute darauf, dass sich irgendein Gespräch entwickeln würde. So kam es dann auch und wir saßen eine gute Stunde beisammen.
Zunächst einmal: Daniel Pipes ist islamkritisch, mitnichten aber ein Islamfeind. Er berichtet, dass es in der islamischen Welt enorme Unzufriedenheit gibt mit den Extremisten, die für das schlechte Image des Islams in der westlichen Welt sorgen. Auch in der islamischen Welt gibt es Millionen von Muslimen, die ihre Religion lieber in einer liberalisierteren Form leben würden. Wenn eine Kompatibilität der islamischen mit der westlichen Welt erreicht werden soll, dann wird das nicht gehen, ohne dass der Islam jene Schärfe verliert, für die er in der westlichen Welt gefürchtet ist. Pipes lehnt es ab, Moslems insgesamt eine Gewaltaffinität zu unterstellen.
Problematisch sei paradoxerweise die Berichterstattung zu islamistisch motivierten Übergriffen und Messerattacken, da genau diese Berichterstattung das besorgt, was erreicht werden soll: Die Einschüchterung derer, die "missioniert" werden sollen. Für den islamischen Attentäter sei jeder Anschlag und jeder Messermord wertlos, der nicht bekannt wird. Sein Ziel erreiche er also nicht nur durch die Tat selbst, sondern mehr noch durch die Bekanntmachung der Tat in den Medien. Insofern sei das ein tragisches Wechselspiel zwischen der Informationsgesellschaft und dem islamischen Extremismus. Letztlich nutze der islamische Extremismus die Errungenschaften der freien westlichen Gesellschaften als Vehikel zur Einschüchterung. Eine Lösung für dieses Problem gibt es allerdings nicht, da wir in der westlichen Welt keine Nachrichtensperren zu islamisch motivierten Straftaten verhängen können, nur, um diesen Extremisten nicht in die Hände zu spielen.
Langfristige Perspektiven
Daniel Pipes ist davon überzeugt, dass sich die zivilisationistischen Parteien in Europa durchsetzen werden, allerdings erst nach einer langen Zeit von "Blut, Schweiß und Tränen", da die Linke natürlich nicht daran denkt, sich widerstandslos zurückzuziehen. Ein deutscher oder ein französischer Viktor Orbán wird nicht von heute auf morgen kommen. Er veranschlagt einen Zeitrahmen von 15-20 Jahren, ehe die Linke Europa so heruntergewirtschaftet haben wird, dass sie wirklich gar keine Anhänger mehr hat.
Immigration sei erst dann kein Problem mehr, da die sich relativ einfach dadurch unterbinden lasse, dass man sie mit den altbewährten Methoden stoppt. Grenzsicherung ist das Stichwort. Wesentlich schwieriger wird werden, diejenigen wieder loszuwerden, die bis dahin illegal ins Land gekommen sind, zumal sie bis dahin Nachkommen haben werden, die in Europa zur Welt gekommen sein werden. Am erfolgreichsten bei der Ausweisung illegaler Immigranten sei bisher Israel gewesen. Immerhin die Hälfte der etwa 40.000 Illegalen im Land konnte Israel wieder loswerden, eine Quote, von der man in Europa weit entfernt sei. Allein für Deutschland bedeutet das, dass selbst bei einer ambitionierten Ausweisungsquote von 50 Prozent mehrere Hunderttausend auf Dauer hier bleiben werden. Und das wird unser Land auf jeden Fall unumkehrbar verändern.
Was die Innere Sicherheit angeht, muss man sich als Europäer leider eingestehen, dass es ausgerechnet Abu Dhabi ist, die als sicherste Großstadt der Welt gilt. Allerdings sind die Methoden, mit denen das erreicht wird, nicht unbedingt das, was sich ein europäischer Linker unter einer "menschlichen Stadt" vorstellt.
Prinzipiell gibt es eine gewisse Unvereinbarkeit zwischen einer "humanitären" Sichtweise auf die Welt und dem, was man als strategische Notwendigkeit identifiziert, um ein Ziel zu erreichen. Wie dieses Dilemma zu umschiffen wäre, ist wohl die kniffligste Frage überhaupt.
Alternative Medien
Daniel Pipes wollte natürlich wissen, wie es vorangeht mit den alternativen Medien in Deutschland. Über mangelndes Interesse können wir nicht klagen, sagte ich ihm. Jouwatch hat mindestens 1,5 Mio. Leser im Monat. Ein zukünftiges Problem könnte werden, dass mit dem weiteren Zuwachs an Popularität die staatlichen Daumenschrauben angezogen werden, etwa in Form subtiler Zensur, wie wir sie jetzt schon mit unserer Behandlung durch die sozialen Netzwerke, besonders durch Facebook erleben. Ein prinzipielles Problem in der digitalen Welt ist, dass sich die großen Zampanos an der Spitze der IT-Riesen allesamt einem bestimmten Weltbild verschrieben haben, das mit dem der Zivilisationisten inkompatibel ist. Zuckerbergs Weltbild unterscheidet sich wahrscheinlich nicht wesentlich von dem unserer Kanzlerin. Die wähnen sich allesamt auf einer "Mission gegen das Böse". Obwohl es Zuckerberg natürlich um die Gewinne geht, behauptet er öffentlich, Facebook sei quasi so etwas wie sein Missionswerk zur Zusammenführung der Menschheit – die "community" eben, die nur noch pauschal "den Menschen" sehen soll – und alle Unterschiede und Unvereinbarkeiten zivilisatorischer und kultureller Art zu ignorieren hat. Einzige Ausnahme ist wahrscheinlich Apple.
In dem Zusammenhang wird auch wichtig sein, wie sich die Regierung Trump als erklärte Anhänger der freien Rede mit diesen IT-Riesen auseinandersetzt und ggfs. welche Daumenschrauben sie ihrerseits Leuten wie Zuckerberg anlegen wird – und ob überhaupt. Unzweifelhaft ist, dass die Herren über Google, YouTube, Facebook, Twitter usw. neben ihrem geschäftlichen auch noch an enormem weltanschaulichen Einfluss gewonnen haben und sozusagen ein "Weltsichtmonopol" installiert haben insofern, als dass sie Dissidenten "herunterregeln" können, was im Falle von Jouwatch, Epoch Times, Philosophia Perennis und vielen anderen der alternativen Medien auch geschieht. Eine Facebook-Insiderin packte kürzlich aus über die Methoden, die im Hause Facebook dazu angedacht sind und teils bereits praktiziert werden.
Die Zukunft der alternativen Medien wird also wesentlich davon abhängen, inwieweit sie auch in Zukunft noch relativ unbehindert ihrer Arbeit nachgehen können. Das war im Wesentlichen der Punkt, den ich als unsere größte Sorge bezeichnet habe. Die Abbau von Rede- und Meinungsfreiheit per NetzDG und Uploadfiltern schreitet voran und ist hinsichtlich der freien Meinungsbildung in der Demokratie die größte Gefahr, zumal dann, wenn die Mainstream-Medien mehr oder weniger regierungshörig sind. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist ein Propagandainstrument, keine Informationsquelle für den Demokraten, der hinwiederum informiert sein müsste, um als Demokrat wertvoll funktionieren zu können.
In einem begrenzten Umfang gibt es angesichts der demokratischen Erosion immerhin noch ein gewisses Restvertrauen in die Rechtsstaatlichkeit, auch wenn immer wieder Urteile gefällt werden, die schlicht nicht nachvollziehbar sind. Dass es dem Verfassungsschutz untersagt worden ist, die AfD öffentlich als Prüffall zu bezeichnen, ist jedenfalls ein positives Zeichen. Dem linken Establishment scheint es also zumindest bislang noch nicht gelungen sei, auch die Justiz 100prozentig zu kontrollieren. Dass die Justiz als gesellschaftspolitischer Gestalter mit eingespannt werden soll, ist eine uralte Forderung aus dem Dunstkreis der Frankfurter Schule.
Der konservative Standpunkt
Der konservative Standpunkt hat es in den USA leichter, gehört zu werden, als in der (Rest)-EU. Rede- und Meinungsfreiheit werden in den USA höher gehalten als bei uns. Daniel Pipes schreibt regelmäßig Kolumnen in der New York Sun und der Jerusalem Post, aber auch in der Washington Post, der New York Times und im Wall Street Journal. Sein Blog besticht durch außerordentlichen Kenntnisreichtum zu den Themen Islam und Naher Osten und ist einer der meistgelesenen in diesem Zusammenhang. Im US-amerikanischen Fernsehen ist Daniel Pipes häufig als Nahost-Experte zu sehen und wird von Universitäten und Denkfabriken eingeladen.
2003 bestellte US-Präsident George W. Bush Pipes gegen den Widerstand der Demokraten im Senat zum Vorstandsmitglied des United States Institute of Peace. 2005 verließ er den Vorstand wieder. In der Präsidentschaftswahlkampagne 2008 engagierte er sich als Berater für den früheren New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani.
Jedenfalls war es interessant, Daniel Pipes zu treffen. Die nächsten Tage wird er in Wien und in Budapest verbringen und es interessiert uns natürlich brennend, was er von dort zu berichten haben wird.