Liebe Frau Do, in den letzten Wochen haben mich unzählige Mails erreicht, wie schön es ist, dass die „Stimme des Westens“ in diesen Corona-Zeiten Mut mache und Humor zeige. Es ging dabei häufig um die Worte am Schluss, gestern zum Beispiel: „Genießen Sie, was der Tag und die neue Woche an guten Dingen bringen. Die schlechten ärgern uns schließlich von alleine.“ Ich hoffe, das hat bei Ihnen geklappt. Aber mit einem Leser habe ich gestern telefoniert, der eine positive Grundstimmung vermisste und mir eine sehr kritische Mail geschrieben hatte. Es stellte sich heraus, dass er wohl nie zu Ende gelesen hatte. Und in der Tat war hier ja über vieles zu berichten, was einen nicht heiter stimmen kann. Heute machen wir es deswegen andersherum. Heute geht es um Dankbarkeit. Seien Sie dankbar, dass Sie gesund sind – und wenn Sie es nicht sind, dass Sie es hoffentlich ganz schnell wieder werden. Seien Sie dankbar, dass Sie auf sich und andere achten können. Bei früheren Pandemien waren die Menschen oft auf sich allein gestellt, durften nicht auf Schutz hoffen, hatten keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Es ist doch eine Errungenschaft, dass die gesamte Gesellschaft Rücksicht auf lebensgefährliche Risiken nimmt, die vor allem älteren und schwächeren Menschen drohen. Das leitet sich aus unserem Grundgesetz, Artikel 2 ab, wonach jeder das Recht „auf Leben oder körperliche Unversehrtheit“ hat. Seien wir dankbar für diese Menschlichkeit, die nicht selbstverständlich ist, wenn wir den Blick zum Beispiel nach Indien lenken, von wo unsere Korrespondentin Agnes Tandler berichtet. Die Bilder von Hunderttausenden Arbeitern, die sich auf den Weg in ihre Heimatdörfer machen, weil sie in den Städten keinen Lohn mehr bekommen, sprechen Bände. Deutschland hingegen nimmt eine Rezession in Kauf, die Wirtschaft dürfte nach Einschätzung des Sachverständigenrats in diesem Jahr um knapp drei bis gut fünf Prozent schrumpfen. Seien wir dankbar, dass wir uns das leisten können und wollen – dass unsere Wirtschaft das wegstecken kann und nach diesen Szenarien schon im nächsten Jahr wieder kräftig wächst, wie unsere Wirtschaftschefin Dr. Antje Höning analysiert. Und dass der Staat sich (und uns) mit seinen Hilfen für die Unternehmen und ihre Beschäftigten nicht übernimmt, arbeitet unsere Berliner Korrespondentin Kristina Dunz in ihrer Analyse „Wer soll das bezahlen?“ heraus. Seien wir auch dankbar, dass bei uns zwar unsere Freiheitsrechte jetzt hinter Artikel 2 des Grundgesetzes zurückstehen müssen, aber eben nur für diesen Anlass. Anderswo spielen Grundrechte eine geringere Rolle. Denn, wie Martin Bewerunge in seinem Leitartikel schreibt, höhlt Ungarns Ministerpräsident gerade unter dem Vorwand der Corona-Krise die Demokratie aus. Künftig kann Viktor Orbán ohne das Parlament regieren, und es wäre wohl naiv, darauf zu vertrauen, dass er diesen Machtzuwachs wieder abgibt. Hier handelt es sich nicht um irgendein Land, sondern um ein Mitglied der Europäischen Union, das sich von deren Grundfesten immer weiter entfernt. Dass es um das NRW-Epidemiegesetz Streit gibt, wie unsere Landeskorrespondentin Kirsten Bialdiga recherchiert hat, kann uns ebenfalls dankbar stimmen: Immerhin reden wir öffentlich darüber, was richtig und was falsch ist. Politik besteht schließlich immer, auch in Krisenzeiten, aus Alternativen, die erörtert und abgewogen sein wollen. Und dankbar können wir auch für die geplante App sein, die es fertigbringen soll, Ansteckungen zu vermeiden, ohne den Datenschutz aufzugeben, wie Henning Rasche und Christina Rentmeister recherchiert haben. Wenn Sie jetzt so rundum dankbar gestimmt sind, stelle ich Ihnen noch zwei weitere Dinge vor, auf die Sie sich freuen können. Erstens bekommt dieser Newsletter ab morgen einen Ableger: „Stimme des Westens – Der Abend“ erscheint künftig immer werktags um 17.30 Uhr als Zusammenfassung der Nachrichtenlage zum Feierabend. Wenn Sie sich anmelden möchten, können Sie das hier tun. Und zweitens können Sie sich ebenfalls ab morgen die besten Artikel aus der Rheinischen Post vorlesen lassen. Jeden Abend werden wir die fünf spannendsten Beiträge als Audio-Artikel anbieten, exklusiv für Digitalabonnenten. Details dazu folgen morgen. Nicht vergessen möchte ich auch, Sie nochmal auf unseren Liveblog hinzuweisen, der Ihnen ständig alle aktuellen Nachrichten rund um Corona gratis liefert. So, jetzt sind wir fast am Ende angelangt. Hoffentlich war die „Stimme des Westens“ diesmal für niemanden zu düster. Ich danke Ihnen, dass Sie bis hierhin gelesen haben. Dankbarkeit ist für mich Demut, die glücklich macht. Die Dinge nicht nur zu ertragen, sondern in ihnen nach schönen, guten, wahren Seiten zu suchen, gibt uns Kraft. Auf in den Tag! Danke. Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |