Liebe Frau Do, gestern hatte ich Sie um Ihre Meinung gebeten, was Sie vor der morgigen Ministerpräsidentenkonferenz über die Corona-Maßnahmen und den Lockdown denken. Dass so viele von Ihnen schreiben würden, habe ich nicht erwartet. Danke! Ich habe noch nicht alle Mails gründlich lesen können, aber Corona-Leugner haben sich nicht geäußert. Mir gibt zu denken, dass in keiner Zuschrift der Ernst der Lage verkannt, aber trotzdem Kritik geübt wird. Einige Rückmeldungen will ich hier anonymisiert zitieren, weil sie ein spannendes Stimmungsbild zeichnen. Frau B. stellt fest: „Immer nur auf Empfehlungen und Bitten zu hoffen, bringt uns anscheinend nicht weiter.“ Herr R. schreibt: „Die Stimmung kippt, das merke ich im privaten Umfeld.“ Dr. K. fragt: „Wäre es nicht sinnvoller, mit strikten Maßnahmen bis zum 3. Advent zu gehen, aber dann mit der klaren Zusage, dass danach und an Weihnachten die Verbote ausgesetzt sind? Belassen sollte man dann nur die Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Räumen und das Abstandsgebot.“ Ein anderer Leser sieht Ungereimtheiten in den Maßnahmen und stellt insbesondere die Gottesdienste infrage: „Alle Religionsgemeinschaften sollten jetzt freiwillig auf Versammlungen verzichten, besser wäre es, wenn der Staat diese bis kurz vor Weihnachten einschränken würde“, schreibt Herr H. Von einem Gottesdienst, in dem aber streng auf die Regeln geachtet wurde, erzählt Herr K. „Und danach fahre ich auf dem Heimweg an einem Gartencenter in der Region vorbei und bin erstaunt über die völlig überfüllten Parkplätze und wild parkenden Autos am Straßenrand.“ Er frage sich, wie das alles zusammenpasse. Ein anderer Herr H. bedankt sich ironisch „bei allen Vollidioten“, die sich nicht an die Regeln halten. Frau M. schreibt, sie habe keine Erklärung, warum trotz des Lockdowns die Infektionszahlen weiterhin so hoch seien. Es könne nur daran liegen, dass sich die Menschen im privaten Bereich nicht an die Vorgaben halten. „Wenn diese nicht einsichtig sind, wird es nicht besser. Aber warum müssen dann so viele darunter leiden?“ Aus meiner Sicht stellt die Leserin eine der Kernfragen. In meinem Leitartikel geht es darum, wie sich diese Nuss vielleicht besser knacken ließe. Aber eines ist klar: Ohne Kontrollen wird es nicht gehen. Es gibt aber auch ungeahnte Hoffnungsschimmer: Der britische Hersteller Astrazeneca präsentiert einen weiteren verheißungsvollen Impfstoff, die Einzelheiten schildern Antje Höning und Max Plück. Und in NRW sollen die Impfzentren schon Mitte Dezember einsatzbereit sein, wie Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ankündigt. Seine Äußerungen sind Teil der Debatte vor den morgigen Beratungen, die ein vierköpfiges Team zusammengetragen hat. Wo die Trennlinien zwischen den Ländern verlaufen, haben Jan Drebes und Kerstin Münstermann recherchiert. Ein Streitpunkt sind die Schulen – aber eine neue Studie zeigt, dass nur wenige Kinder und Jugendliche sich anstecken, wie Kirsten Bialdiga und Jörg Isringhaus berichten. Gefühle bestimmen unser Handeln – wie sehr das aber auch für die Politik gilt, beschreibt die Historikerin Ute Frievert in ihrem neuen Buch „Mächtige Gefühle – von A wie Angst bis Z wie Zuneigung“, das sich unter diesem Blickwinkel mit der deutschen Geschichte seit 1900 beschäftigt. Es sind knapp 500 lesenswerte Seiten – eine viel kürzere Annäherung lesen Sie in der Rezension von Martin Bewerunge. Auch das Wort von Ernst Jünger, wonach Heimat ein Gefühl sei (also kein Ort), kommt darin vor. So gesehen verkörperte Karl Dall für mich auch Heimat, obwohl sein Humor nie so ganz mein Fall war. Aber er gehörte eben zu den wenigen deutschen Größen der Komik, die mich seit der Kindheit begleitet haben. Nach einem Schlaganfall vor knapp zwei Wochen ist er gestern im Alter von 79 Jahren gestorben, einen Nachruf lesen Sie hier. Einer seiner bekanntesten Sprüche lautet: „Man wird alt, wenn die Leute anfangen zu sagen, dass man jung aussieht.“ Ich hoffe daher, dass Sie das heute nicht zu hören bekommen – starten Sie gut in den noch jungen Tag!
Herzlich Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |