Liebe/r Leser/in, seit Freitag ist das 9-Euro-Ticket beschlossene Sache: Von Anfang Juni bis Ende August gibt es die Benutzung von Deutschlands Nahverkehr bundesweit zum Schnäppchenpreis. Im Gegenwert von nicht einmal zwei Packungen Zigaretten reisen Sie dann in allen Bussen und Bahnen des Regional- und Nahverkehrs, wenn Sie mögen, kreuz und quer – von Garmisch bis Flensburg, von Aachen bis Görlitz.
Geplant war das Billig-Ticket als staatliche Reaktion auf die steigenden Verbraucherpreise infolge des Ukraine-Krieges: Der Bürger soll direkt entlastet werden, obwohl er als Steuerzahler natürlich indirekt das ganze Experiment bezahlt – es kostet ungefähr 2,5 Milliarden Euro.
Nach ersten Befragungen rechnen die Verkehrsunternehmen mit 30 Millionen Menschen pro Monat, die sich den 9-Euro-Spaß gönnen wollen. Experten befürchten überfüllte Bahnhöfe und Züge, frustrierte Berufspendler, die auf den ÖPNV angewiesen sind, neben Spontan-Reisegrüppchen, die mal ausprobieren wollen, ob man wirklich von Passau bis nach Westerland kommt.
Zeitgleich werden der Benzin- und der Dieselpreis subventioniert. Wir haben also drei Monate lang die Wahl: billiger tanken und/oder billigst Bahn fahren. Viele werden sich in dieser Zeit daran gewöhnen. Und im September wird Freude sicher dem Frust weichen.
Im Herbst kostet das Monatsticket dann wieder um ein Vielfaches mehr. Und an maroden Bahnhöfen, alten Zügen und der Tatsache, dass viele Orte auf dem Land zwar Haltestellen haben, dort aber selten Busse verkehren, haben die drei Billig-Monate auch nichts geändert. Das ist das Problem dieser sogenannten Heftpflaster-Politik, die kurzfristig lindert, aber nicht nachhaltig wirkt. Die Rabattaktion, fürchten viele, könnte uns als teures Strohfeuer in Erinnerung bleiben.
Mitgetragen wird das Milliarden-Experiment von der FDP, die vor der Bundestagswahl entschiedene Gegnerin von Gießkannen-Subventionen war und den Wahlkampf lange mit Schwarze-Null-Rhetorik bestritt.
Morgen treffen meine Kollegen Franziska Reich und Thomas Tuma den Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner zum Interview. Es gibt viel zu besprechen, im FOCUS am Samstag lesen Sie seine Antworten.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese Woche. |