Liebe/r Leser/in, ich gebe zu, bei unpassender Gelegenheit auch schon mal gelacht zu haben. So wie Unionskanzlerkandidat Armin Laschet und später auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einige Sekunden lang im vom Hochwasserleid geplagten Erftstadt. Von mir gab es Fotos, die mich lachend auf der Beerdigung meines Schulfreundes zeigten – neben mir seine trauernde Schwester in Schwarz, der ich wenige Minuten zuvor noch weinend und zitternd die Hand hielt. Am Grab erklang dann das Lieblingslied des Freundes. Ein so mitreißend fröhlicher Hit von den Beastie Boys, und nur 50 Meter von uns entfernt ratterte auch noch eine S-Bahn vorbei, die komplett mit bunten Graffitis überzogen war – als hätte uns dieser talentierte junge Sprayer, der nun vor uns unter der Erde lag, einen letzten Gruß geschickt. Ja, es sah blöd aus. Wie bei Laschet. Es ist passiert und es ist nicht mehr zu ändern. Ich finde jedoch, es ist menschlich, dass sich Freud und Leid in einem Moment halt manchmal verweben. Armin Laschet versenkte mit seinem Lacher vieles, was er zunächst richtig gemacht hatte – die abgesagte Teilnahme an der CSU-Klausurtagung, den frühen Besuch bei den Helfern in Hagen, die Liveschalte aus dem Chaos ins Fernsehstudio von Maybrit Illner, die Besetzung des Themas Klimaschutz. Dem Vernehmen nach lachte der Kanzlerkandidat übrigens über einen Journalisten, der die Worte des Bundespräsidenten am Boden liegend notierte, da ihm seine Kollegen mit den Kameras und Mikrofonangeln keinen Platz ließen. Das Laschet-Foto ist eines dieser Bilder, die mit den Wassermassen unsere Köpfe so schmerzvoll fluteten. Sie werden bleiben. Das Handyvideo von einem Campingwagen, der vom Druck des reißenden Stroms an einer Brücke zerquetscht wurde, die Drohnenbilder von Erdrutschen, von wrackbeladenen Bundesstraßen. Und, wie auf den Seiten 28 und 29 dieser Ausgabe, dieses seltsam ruhige Bild, das unser Fotograf Daniel Hofer aufnahm, als er mit FOCUS-Reporter Maximilian Krones durch Bad Neuenahr-Ahrweiler lief: ein triefender Teddy, der sicher mal mit einem Kind gekuschelt hatte. Mit gesenktem Kopf sitzt er jetzt auf einem Gartenstuhl, da, wo wahrscheinlich mal ein Vorgarten war, wo Menschen an Sommerabenden grillten. Jetzt ist überall nur noch Schlamm. Ein vom Diesel schimmernder, vom Heizöl rötlicher, vom Lösungsmittel beißender Dreck. Die Zerstörung ist unfassbar. Und sie ist noch nicht einmal das größte Problem. Wer nur die Zerstörung beklagt, hat keinen Menschen verloren … Warum wurden so viele Menschen von den Hochwassern überrascht und warum gab es so viele Todesopfer? Warum lief beim WDR (7000 Mitarbeiter, 1,22 Milliarden Euro Gebührengelder) Musik vom Band statt Informationen – Stichwort Grundversorgung? Was lief beim Katastrophenschutz schief? Hätten die Wetterexperten in den Nachrichtensendungen eindringlicher und noch deutlicher über die Gefahren sprechen müssen, die die Wetterlage mit sich bringt? Warum reden wir erst jetzt wieder über Sirenen oder das Handy-Warnsystem „Cell Broadcast“, die viele EU-Staaten eingeführt haben, aber Deutschland nicht wollte? Warum hat dieses verzweigte deutsche Behördennetzwerk offenbar nichts aus dem gescheiterten Katastrophen-Warntag 2020 gelernt, einem bundesweiten Testlauf für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe? Muss immer erst etwas Schlimmes passieren, bevor wir aufwachen? Die Corona-Pandemie hat ja auch schon gezeigt, wie unvorbereitet wir manchmal vom Unheil heimgesucht werden, obwohl wir vieles besser wussten. Lernen ist auch menschlich. Wie Lachen und Weinen. Wie Wollen und Müssen. |