Lieber Herr Do,
am kommenden Sonntag jährt sich der Tod von PLAYBOY-Gründer Hugh Hefner zum dritten Mal. Trauriger, aber zugleich treffender Anlass für eine Standortbestimmung in aufgeregten Zeiten, die von Debatten um Diversität, Gendergerechtigkeit und alte wie neue Männlichkeit geprägt sind: Welches Erbe tragen wir mit PLAYBOY eigentlich in die Zukunft? Und wie wird es wahrgenommen?

Kluge Antworten darauf gibt uns eine Expertin: Carrie Pitzulo, Geschichtsprofessorin an der Colorado State University und Autorin des Buches „Bachelors and Bunnies: The Sexual Politics of Playboy”. 

In ihrer Betrachtung von Hugh Hefner, die sie wenige Tage nach seinem Tod im September 2017 in der US-Zeitung „Politico“ veröffentlichte, entwarf sie eine Außen- wie Innenansicht des PLAYBOY, der wir uns gern verpflichtet sehen. Und sie erinnerte daran, dass selbst Ikonen der Frauenrechtsbewegung wie die letzte Woche verstorbene US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg dem PLAYBOY und Hefner einst herzlich dankten. 

„Es ist keine Übertreibung zu sagen“, schrieb Carrie Pitzulo in ihrem Beitrag, „dass Hugh Hefner, der frauenverführende Hedonist und PLAYBOY-Gründer, die zeitgenössische sexuelle Kultur der USA entscheidend mitgeprägt hat.“ Die Historikerin würdigte ihn als „Ikone individueller Freiheit“, wenngleich seine Vorliebe für Seidenpyjamas und „seine pfeiferauchende Gewandtheit“ nach Ansicht Pitzulos „zum Klischee einer (mehrheitlich weißen) männlichen Sexualität erstarrten.“ In den weltbekannten Playmate-Centerfolds habe sein Magazin einen retuschierten und unerreichbaren Standard weiblicher Attraktion und Verfügbarkeit gesetzt, so Carrie Pitzulo. „Das machte PLAYBOY über die Jahre zum unwiderstehlichen Ziel für Legionen von Kritikern, die ihn als sexistisches, objektifizierendes Schundblatt abtaten.“
 
Was all diese Kritiker aus Sicht der Geschichtsprofessorin jedoch allzu gern und oft vergessen, war die kulturelle Bedeutung des PLAYBOY. „PLAYBOY galt in den 1960er- und 70er-Jahren als fortschrittlicher kultureller Anführer“, so Pitzulo und zielt dabei besonders auf Hefners gesellschaftspolitisches Engagement ab. Nicht nur die Weltanschauung des PLAYBOY-Gründers, dargelegt in der jahrelangen Editorial-Reihe ,Die Playboy-Philosophie‘, stellte „den Status Quo in den USA in vielerlei Hinsicht in Frage“, schrieb Pitzulo. „Sie befasste sich mit dem, was Hefner als religiöse Unterdrückung in den USA betrachtete, sowie mit Zensur, mit Sexualität und allen Spielarten individueller Freiheit.“ Sein Wirken ging weit über das geschriebene Wort hinaus.

Vor allem das Frauenbild des PLAYBOY – und das wird heute in den Debatten um Sexismus und seine medialen Erscheinungsformen besonders gern vergessen – stellte die patriarchalen Vorstellungen der Nachkriegszeit gänzlich auf den Kopf. Und zwar in Gestalt der, wie Carrie Pitzulo sie nennt, „ebenso gefeierten wie geschmähten Playmate-Frau“. Die Historikerin erinnerte in ihrem „Politico“-Beitrag daran, dass von Männern wie Frauen in den 50er-Jahren gesellschaftlich schlichtweg erwartet wurde, ihre Sexualität für ein Leben in monogamer Ehe einzusetzen. Zuwiderhandlung konnte zu sozialer Ausgrenzung führen, dem Verlust der Arbeitsstelle oder gar einer Diagnose als psychisch krank. „Vor allem für die Frau stand viel auf dem Spiel“, schrieb Carrie Pitzulo. „In Sachen Sexualität gab es für sie nur zwei Optionen: Sie konnte ein ,gutes‘ Mädchen sein oder ein ,böses‘. Frauen sollten jung heiraten, mehrere Kinder bekommen und im Bett ihrem Mann gegenüber folgsam sein. Alles andere gefährdete ihren Ruf, ihre gesellschaftliche Anerkennung und ihre Möglichkeiten auf dem Heiratsmarkt. Mit den Playmate-Centerfolds zeigte Hefner, dass er diese beschränkte Vorstellung der weiblichen Sexualität ablehnte. Er verkündete fröhlich, dass auch ,gute‘ Mädchen Sex mochten.“  

Hefner wetterte gegen die herrschende sexuelle Unterdrückung – „angetrieben durch seinen unerschütterlichen Glauben an die Bedeutung persönlicher Freiheit in sexueller wie jeder anderen Hinsicht“ und überzeugt davon, „dass die amerikanische Kultur durch religiösen Puritanismus vergiftet wurde“. Doch bei alldem beließen Hefner und sein PLAYBOY es nicht. Ihre Unterstützung für die liberale Agenda in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war weit mehr als ein einflussreicher Kulturbeitrag. Durch eine Stiftung, die ,Playboy Foundation‘, unterstützte Hefner die Bürgerrechts-, die Schwulenrechts- und die Antikriegsbewegung auch finanziell – ebenso wie den liberalen Feminismus. Carrie Pitzulo rief dies in ihrem Beitrag noch einmal ins Gedächtnis: „Der liberale Feminismus war in den späten 1960er- und frühen 70er-Jahren ein zentrales Anliegen des PLAYBOY. Hefner trat ein für die Reproduktionsrechte von Frauen – einschließlich des Zugangs zu Verhütungsmitteln und der Möglichkeit legal abzutreiben –, weil er diese als Teil der allgemeinen (sexuellen) Selbstbestimmtheit betrachtete.“
Nicht nur, dass PLAYBOY regelmäßig über den Kampf für legale Abtreibung berichtete und monatliche Updates zu Gesetzesänderungen in einzelnen Staaten gab, er förderte auch, wie die Historikerin mit ihrem Hefner-Nachruf ins Gedächtnis rief, die Arbeit des „Clergy Consultation Service“, einer Hotline, an die sich Frauen wenden konnten, um eine Möglichkeit für eine  sichere Abtreibung zu finden. Und mehr noch: „Die ,Playboy Foundation‘ stellte Mittel zur Verfügung, um Kindertagesstätten für berufstätige Mütter ebenso einzurichten wie Nothilfe-Zentren für vergewaltigte Frauen und trat für das ,Equal Rights Amendment‘ ein“, so Carrie Pitzulo. Der Verfassungszusatz dieses Namens soll Frauen in den USA gleiche Rechte zusichern. „Und während einige Frauen vor den Playboy-Büros protestierten, schrieben andere Aktivistinnen wie Ruth Bader Ginsburg, damals Anwältin des ACLU-Frauenrechtsprojekts, an das ,Forum‘ (die Leserbriefseite des PLAYBOY), um PLAYBOY für die finanzielle Unterstützung zu danken, die sich auf rund 100.000 US-Dollar belief.“

Vor kurzem, am 18. September dieses Jahres, ist die große Frauenrechtlerin und US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg gestorben. Und mit ihr eine weitere Zeugin für den bereits fast vergessenen Teil von Hefners Vermächtnis, der uns neben sexuellen männlichen Wunschbildern auch den Auftrag hinterlassen hat, diese Bildern mit Leben zu füllen: den starken, gleichberechtigten Frauen im Ringen um alle sexuellen Freiheiten, die wir uns als Menschen nur gegenseitig gewähren können. Auch dies, schrieb Carrie Pitzulo, zähle zu Hefners Hinterlassenschaft – es werde in der Regel aber nicht gewürdigt.  
 
„Hefner wird immer eine umstrittene Figur sein“, so sie Historikerin. „Nach seinem Tod beanspruchen ihn Progressive noch immer für beide Seiten der feministischen Debatte, genauso wie es viele vor 50 Jahren getan haben. Aber wo auch immer wir ihn im politischen Spektrum verorten – Verfechter der Freiheit oder reueloser Chauvinist –, es gibt keinen Zweifel daran, dass Hefner eine der bedeutendsten kulturellen Figuren der vergangenen 70 Jahre war.“  
 
Wir haben Hugh Hefner ein eigenes Heft gewidmet. Auf 124 Seiten erfahren Sie etwa, wie der legendäre PLAYBOY-Gründer die Geburtsstunde seiner Magazin-Erfindung erlebte, welche Frauen sein Leben bestimmten, was ihn zur Ikone der Bürgerrechtsbewegung machte – und warum seine legendäre PLAYBOY Mansion zu einem der begehrtesten Orte der Welt wurde. Hier können Sie die exklusive PLAYBOY-Sonderausgabe über das Leben und Wirken Hugh Hefners bestellen.

Herzlichst,
 
Ihr
Florian Boitin
Chefredakteur Playboy
 
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