Das schweizerische EU-Beitrittsgesuch ist Makulatur – schon seit der EWR-Abstimmung von 1992. Dass der Bundesrat es dennoch offiziell zurückziehen sollte, zeigt einmal mehr: Der schweizerische Diskurs über Europa ist seit Jahrzehnten festgefahren und dreht sich im Kreis. Die Schweiz übernimmt passiv einen grossen Teil der EU-Gesetzgebung und gibt sich der Illusion hin, «souverän» zu sein. Statt darüber zu streiten, was unsere Interessen sind und wie diese am besten verteidigt werden können, wird die schweizerische Europadebatte vom ewigen Tanz um den «EU-Beitritt» und den «Bilateralen Weg» überschattet. In der neusten foraus-Studie macht foraus-Experte Johan Rochel deshalb einen genialen Vorschlag: «Die Begriffe und Metaphern, mit denen wir unsere Europapolitik denken und beschreiben, sind verfehlt», analysiert Rochel und ergänzt: «Wie wir aus der Sprachwissenschaft wissen, haben die Begriffe, welche wir im öffentlichen Diskurs verwenden, grossen Einfluss auf unsere politische Denkweise. Wir brauchen deshalb eine neue Brille – neue Begriffe für die schweizerische Europadiskussion.»
Johan Rochel schlägt vor, ab sofort das bisherige Vokabular über Bord zu werfen und stattdessen von einer «Allianz» mit Europa zu sprechen. Das Konzept der «Allianz» beinhaltet drei Dimensionen:
(1) Die Notwendigkeit, sich gegenseitig als Partner zu sehen. Die EU besteht heute aus 27 Mitgliedstaaten und 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, welche die Schweiz als vielfältige Partner und nicht als potentielle Feinde oder einfach als Abnehmer von schweizerischen Exporten verstehen sollte. Die EU ihrerseits versteht die Schweiz schon seit Längerem als besondere und privilegierte Teilhaberin am Europäischen Projekt. Immerhin will auch die Schweiz kein normaler Drittstaat sein, wie beispielsweise Israel, Thailand oder Kanada.
(2) Aus dieser gemeinsamen Wahrnehmung folgt eine lang anhaltende und nachhaltige Zusammenarbeit, welche sich durch solide Institutionen auszeichnet. Jeder Allianzpartner verteidigt seine Interessen in einem stabilen und funktionalen Umfeld. Die grosse Vielfalt und Flexibilität der Integrationssphären und der europäischen Teilprojekte (Grundfreiheiten, Justiz und Sicherheit, Eurozone, Schengen, Dublin, Forschungszusammenarbeit etc.) bietet auch für die Schweiz ein Modell, in dem sie ihre Interessen aktiv verteidigen kann.
(3) Schliesslich wird die Idee der Allianz von den gemeinsamen Interessen und Werten getragen. Durch die geographische Nähe, die gemeinsame Geschichte und die geteilten Werte ist die EU für die Schweiz eine privilegierte Partnerin, um ein ambitioniertes und weltweit einzigartiges, gemeinsames politisches Projekt voranzutreiben.
foraus-Autor Johan Rochel, hat einen Master in Politischer Philosophie und in Rechtswissenschaften promoviert. Neben seiner Tätigkeit als Vize-Präsident von foraus ist er auch assoziiertes Mitglied des Ethik-Zentrums der Universität Zürich sowie Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen. Er ist auf juristische und philosophische Fragestellungen zur Organisation des gesellschaftlichen Lebens spezialisiert.
Hier geht's zur Studie