Liebe/r Leser/in, überraschend, erstaunlich und, ja, auch historisch. Die Europawahl ist in mancherlei Hinsicht bemerkenswert. Man denke an den Erfolg der Sahra-Wagenknecht-Partei, an die Zugewinne der AfD und an die Verluste der Ampel-Koalitionäre. Ein Ergebnis halte ich für herausragend: das Abschneiden der Union. Im Wettstreit mit Bewegungen, deren Programmatik sich auf Parolen und bekannte Gesichter reduziert, in einer Zeit der Zersplitterung und Polarisierung gelang der althergebrachten und scheinbar angestaubten Partei der Konservativen ein wuchtiger, eindeutiger und schlicht bezwingender Wahlerfolg.
Es ist der Erfolg von Friedrich Merz. Er hat die Union wiederbelebt. Er hat sie stark und für viele Wähler wieder attraktiv gemacht. Er hat sich gegen jene durchgesetzt, die ihn als unfähig abqualifizierten. Er hat sich gegen jene durchgesetzt, die das Heil der Union in der Unverbindlichkeit, in der Austauschbarkeit sahen. In der „Mitte“. Mag sein, dass diese Strategie einst nötig und erfolgreich war. „Alternativlos“ war sie nicht. Die Union hat Merkel und jene, die über Jahre in ihrem Auftrag den Mehltau verstreuten, endgültig abgetan. Merz hat Merkel abgetan. Er ist in der Union die Nummer eins. Ob die Nummer zwei, drei oder fünf fränkisch spricht, muss ihn nicht wirklich interessieren.
Der Erfolg der Union ist aber auch und gerade das Verdienst der Union. Sie kann als konservative Kraft wieder überzeugen. Offenbar auch viele Hunderttausend Wähler, die sich enttäuscht von den Ampelparteien abgewendet haben – und von denen man hätte annehmen können, dass sie in ihrem Frust (und womöglich ihrer Wut) die AfD oder das BSW unterstützen. Auch wenn das letzte Wort über die Regierung noch längst nicht gesprochen ist: Die alte (neue) Union ist jetzt die entscheidende stabilisierende Kraft der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Man muss sie nicht wählen, um ihr Erfolg zu wünschen.
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