Liebe/r Leser/in, es ist noch nicht lange her, da hätten in Deutschland nur wenige auf die hiesige Autoindustrie gewettet: Die Dieselaffäre hat VW, die Branche, ja das ganze Land erschüttert. Und der Selfmade-Milliardär Elon Musk zeigte, wie schnell die Transformation Richtung Elektromobilität zu schaffen ist. Seither ist viel passiert: BMW, Daimler und VW haben radikal gespart, umgebaut und vor allem ihre Strategie geändert. Die Konzerne schreiben wieder satte Gewinne. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA Mobility) in München ist das Ergebnis ab Dienstag zu besichtigen: „Spirit statt Sprit“ erwartet unser Chefautor Thomas Tuma, der für unsere Titelgeschichte mit vielen Automanagern und -experten gesprochen hat. Die deutsche Autoindustrie, sagt Tuma, sei „zurück in der Zukunft“.
Es ist Mode, Armin Laschet langweilig zu finden. Beim TV-Triell empfand ich den CDU-Kanzlerkandidaten aber alles andere als langweilig. In Sachen Klimaneutralität argumentierte er, man müsse die Verfahren beschleunigen, damit Stromtrassen vom Norden in den Süden kommen. Denn 2022 schalte man zusätzlich zum Ausstieg aus der Kohle die Kernkraftwerke ab. Das sei nur zu verantworten, wenn „wir verlässlich Strom zu jeder Minute“ haben. Und dann der entscheidende Satz: „Das geht nicht mit den bisherigen Verfahren.“
Im Klartext: Der CDU-Vorsitzende befürchtet, das Ziel Klimaneutralität sei in wenigen Jahren nicht zu schaffen. Denn es wird nicht gelingen, die Genehmigungsverfahren für dieses Gigaprojekt von den viel zitierten sechs Jahren auf künftig sechs Monate zu verkürzen. Und es wird ebenfalls nicht gelingen, den Stromverbrauch Deutschlands von rund 580 Terawattstunden pro Jahr so zu steigern, wie es für eine Welt der E-Mobilität, der Wärmepumpen und des grünen Wasserstoffs erforderlich wäre. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme rechnet mit einem Stromverbrauch von 780 Terawattstunden 2030 – also glatt 200 Terawattstunden mehr als heute.
Nun sind Prognosen immer eine ungewisse Angelegenheit, manche Experten gehen von einem Mehrbedarf von „nur“ 100 Terawattstunden aus. Doch darauf kommt es auch nicht an. Es geht vielmehr um die für unsere Zukunft radikal wichtige Fragestellung, ob uns die Politik beim Klimawandel Luftschlösser vorgaukelt – nur um unsere Stimme zu bekommen. Gegenwärtig beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch rund 47 Prozent. Und es hat zwei Jahrzehnte gebraucht, um von sechs Prozent 2000 auf den heutigen Anteil zu kommen. Für Klimaneutralität werden also gut 500 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien zusätzlich benötigt.
Der Verlauf der bisherigen Energiewende lässt auch für die kommenden Jahre Böses ahnen: Den Steuerzahler kostet sie Schätzungen zufolge bis Ende der 30er Jahre rund eine Billion Euro – mit dem Ergebnis, dass wir die höchsten Strompreise in Europa haben und zugleich die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Experten gehen davon aus, dass Deutschland schon bald vom Stromexporteur zum -importeur wird. Wie sauber dieser Strom dann ist, kann man sich angesichts der französischen Atomkraftwerke und der polnischen Kohlekraftwerke denken.
Vor der Wahl ist nicht mehr zu erwarten, dass die Politiker uns die unbequemen Wahrheiten über die Klimaneutralität offenbaren. Aber nach der Wahl muss es einen klimapolitischen Kassensturz geben: Was ist realistisch und was nicht? Es braucht eine klima-, energie- und gesellschaftspolitische Stunde der Wahrheit. Denn nicht nur echte Schlösser, auch Luftschlösser kosten in der Politik viel Steuergeld. |
Wochen der Entscheidung
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