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WirtschaftsWoche Agenda vom 08.07.2016
Liebe Leserinnen und Leser, 08.07.2016
Selbstmord aus Angst vor dem Tod – so nennt man wohl, was die EU-Kommission begangen hat. Spontan hat sie entschieden, dass die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten entgegen der Regeln nun doch noch mitentscheiden dürfen über das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada. Damit ist Ceta vermutlich tot, und der letzte Sargnagel am TTIP-Abkommen auch platziert. Leider wirft die EU hier nicht zum ersten Mal Spielregeln über Bord, die der ökonomischen Vernunft dienen. Dazu gehört vor allem auch der EU-Stabilitätspakt. Seine Geschichte besteht im Wesentlichen aus Vertragsverletzungen. Das alles schafft institutionelle Unsicherheit und ist tödlich für das Vertrauen in die EU.
Banken: Die Lunte brennt
Welche Folgen diese fortgesetzte Regeluntreue hat, zeigt sich nicht nur im Brexit, sondern derzeit auch in Italien. Premier Matteo Renzi will EU-Gesetze ignorieren und Unsummen in die maroden Banken des Landes pumpen. Ihm sitzt der Wähler im Nacken, der per Referendum im Herbst Renzis Staatsrechtsreform akzeptieren soll und es nicht mögen wird, sollte zuvor sein Erspartes bei maroden Banken versickert sein, denen der Staat nicht hilft.
Dax-Bilanzen: Die 260-Milliarden-Euro-Blase
Unternehmen: Der Bilanz-Bluff
Da lobt man sich doch die deutschen Dax-Konzerne, die im Gros von einem soliden Ergebnis zum nächsten eilen (lässt man mal die Banken und die Energieriesen außen vor, aber das ist eine andere Geschichte). Oder etwa doch nicht? Nicht alles was dort in den Bilanzen glänzt, hat Christof Schürmann analysiert, ist auch Gold, beziehungsweise Geld Wert. In den Bilanzen der 30 Unternehmen hat sich eine Blase aufgebaut, die zu Milliardenverlusten führen wird. Über den ganzen Dax gerechnet geht es um 260 Milliarden Euro. Titelgeschichte jetzt lesen.
Brexit: Das Feilschen um Europa
Vielleicht könnte da ein Umzug nach Großbritannien helfen. Dessen (Noch-)Schatzkanzler George Osborne jedenfalls möchte die Steuerlast für Konzerne senken, um auch nach einem möglichen Brexit attraktiv zu sein. Vielleicht ist das eine neue Ausprägung von Rinderwahn, der ja auch schon auf der Insel grassierte. Vielleicht ist es aber auch der erste Jeton in einem Spiel, das nun zwischen London und Brüssel beginnt: Wer zockt am besten beim Kampf um den künftigen Anteil der Briten am Binnenmarkt. Nach Osbornes Volte ist klar: Auch die Briten haben noch ein, zwei Asse im Ärmel.
Tesla: Wie gut ist der Robo-Pilot?
Ein autonom fahrender Tesla übersieht einen LKW, kollidiert – und der Fahrer stirbt. So geschehen Anfang Mai in den USA. Hinter dem Drama, das kristallisiert sich nun heraus, steckt ein Grundsatzdilemma: Beim Kampf um das Auto der Zukunft wollen die Tech-Konzerne aus den USA möglichst schnell gegen die Marktgrößen aus Europa und Japan punkten – in typischer Silicon Valley Manier auch mit hohem Risiko. BMW und Daimler, aber auch Toyota, setzen dagegen auf kleine Schritte zum autonomen Auto, auch wenn das dauert. Nach dem Unfall steht nun fest: Womöglich werden die letzten dereinst die ersten sein.
Vereine: Milde Taten
Eine der größten Steueroasen liegt nicht in Liechtenstein oder im Ärmelkanal – sondern im deutschen Spendenrecht. Wer als Stiftung oder Verein einmal als gemeinnützig anerkannt ist, erfreut sich üppiger Steuernachlässe. Das aber hat einen Boom der Wohltätigkeit ausgelöst: In Deutschland entstehen in den vergangenen Wochen und Monaten so viele Vereine und Stiftungen wie nie. Grund dafür ist aber eher nicht die neue Wohltätigkeit der Deutschen – sondern die Hoffnung auf Steuerersparnis. Die Regeln zur Steuerbefreiung auf dem Wohltätigkeits-Tickets jedenfalls sind so lax, dass der milde Zweck schnell erfüllt ist. Schaden: Mehr als zwei Milliarden Euro jährlich. Edel, hilfreich und reich lautet die neue Volksweisheit.
China: Die große Kapitalflucht
Mal ist es der Einstieg bei Kuka, ein andermal wollen Chinesen den Flughafen Hahn übernehmen, dann sind es ganze Immobilienpakete in der deutschen Provinz: Mehr als 100 Milliarden Euro sind seit Jahresbeginn an Kapital aus China abgeflossen. Und nur ein Teil davon landet in strategischen Investments in westliche Unternehmen. Oft geht es vor allem darum, Kapital aus China im Westen in Sicherheit zu bringen – sei es aus Angst vor dem Crash oder aus Furcht vor den Behörden. Deutschland ist dabei besonders beliebt. Was die Verkäufer freut: Die Anlagenot vieler Chinesen ist ihr Aufschlag auf den Preis.
Ich wünsche Ihnen ein beschwingtes Wochenende!
Herzlich,


Miriam Meckel
Chefredakteurin WirtschaftsWoche
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