Ausgabe vom 07.09.2020

Der DAX zum großen September-Verfallstag

Der DAX zum großen September-Verfallstag
von Torsten Ewert

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

heute ist in den USA ein Feiertag (Labor Day; vergleichbar zu unserem 1. Mai), an dem auch die Börsen geschlossen bleiben. Die europäischen Märkte, insbesondere der DAX, bleiben also ohne Impulse aus Übersee. Sie sollten also die heutigen Kursbewegungen nicht überbewerten, sondern die Zeit für andere Analysen nutzen, z.B. einen ersten Blick auf die Konstellation zum großen Verfallstag am 18.09.

Ein dreifach spannender Verfallstag

Dieser Verfallstag dürfte von den Anlegern aus drei Gründen mit besonderer Spannung erwartet werden: Erstens ist es, wie erwähnt, ein großer Verfallstag, der immer für außergewöhnliche Effekte gut ist. Zweitens könnte nach den Rückschlägen der Vorwoche die berüchtigte Herbstkorrektur begonnen haben. Hierfür ist vor allem der September als statistisch schwächster Börsenmonat prädestiniert, wie Sven Weisenhaus hier schon mehrfach betont hat.

Passend dazu gibt es auch eine recht außergewöhnliche Konstellation an der Terminbörse (siehe folgende Grafik:

Verfallstagsdiagramm DAX September 2020

So sehen wir eine sehr strikte Trennung in einen ausgesprochen bullishen und einen fast uneingeschränkt bearishen Bereich. Der bullishe Bereich beginnt bei 13.200 Punkten (grün schattiert). Dort liegt die zweitgrößte Call-Position (blaue Balken) im aktuellen Verfallstagsdiagramm, und darüber finden sich nur noch unbedeutende Put-Positionen (rote Balken). Bei 13.600 Punkten liegt die größte Call-Position überhaupt, die wie ein „Deckel“ für den DAX wirken sollte.

Es ist daher aus Sicht der Verfallstagspositionierung sehr unwahrscheinlich, dass der DAX bis zum 18.9. nachhaltig auf neue Hochs ausbrechen kann.

Warum es diesmal kein konkretes Kursziel zum Verfallstag gibt

Unterhalb von 13.200 Punkten dominieren dagegen fast ausschließlich Put-Positionen. Allenfalls einen Bereich von 13.000 bis 12.400 Punkten (in der Grafik gelb markiert) kann man als Übergangsbereich bezeichnen, in dem noch einige Call-Positionen als Gegengewicht liegen. Allerdings sind diese Positionen verhältnismäßig klein und daher weniger bedeutsam.

Als Folge davon verläuft die Max-Pain-Kurve (siehe „Schüsselkurve“ im unteren Teil der Grafik) im Bereich ihres Minimums bei 12.400 Punkten (siehe Pfeil) sehr flach. Daher liefert auch diese Kurve (die den theoretisch optimalen Abrechnungskurs für die Stillhalter zum Verfallstag angibt) wenig Impulse.

Ein konkretes Kursziel aus Sicht der Verfallstagskonstellation gibt es daher nicht, abgesehen von der Variante, dass der DAX weiterhin zwischen gut 13.000 und rund 12.500 Punkten dahindümpelt. Der „richtig“ bearishe Bereich, in dem die Put-Stillhalter stärker eingreifen würden, beginnt erst ab 12.000 Punkten.

Große Verfallstage 2020 als Kurs-Wendemarken

Der dritte Grund, warum der bevorstehende große Verfallstag mit besonderer Spannung erwartet werden dürfte, ist die Tatsache, dass in diesem Jahr die großen Verfallstage im März und Juni de facto jeweils eine Kurswende beim DAX einleiteten. Dazu der folgende DAX-Chart:

DAX - Tageschart seit Ende Februar 2020

Mit den gelben Ellipsen habe ich die großen Verfallstage im März und Juni markiert. Ab Ende März begann danach eine stürmische Aufwärtsbewegung, ab Ende Juni die Konsolidierung, die bis heute anhält. Ein bis zwei Wochen zuvor wurde das Extrem der jeweils vorangegangenen Bewegung erreicht. Wenn sich dieses Muster fortsetzt, dann könnte in der Vorwoche tatsächlich das Hoch vor der Herbstkorrektur gebildet worden sein.

Der DAX ist auch charttechnisch nach oben „gedeckelt“

Übrigens ist auch charttechnisch die Wahrscheinlichkeit gering, dass der DAX demnächst nach oben ausbricht, da sich dort einige signifikante Widerstände ballen: Da ist zunächst das Juli-Hoch (dünne rote Linie), an dem der DAX in der Vorwoche ein massives Fehlsignal generierte (siehe roter Pfeil).

Damit drang er zwar weiter in die große Kurslücke von Ende Februar (grau) ein, aber diese ist noch nicht vollständig geschlossen und daher weiterhin ein Widerstand. Und kurz darüber liegt dann gleich das Allzeithoch bei knapp 13.800 Punkten. Außerdem wirken die oberen Begrenzungen der beiden flachen Aufwärtstrends als zusätzliche Widerstände.

Kurzfristiges Chartbild weiterhin bullish!

Trotzdem ist das kurzfristige Bild im DAX weiterhin bullish: Der Aufwärtstrend seit Juni (schwarze Linien) ist noch völlig ungefährdet; der jüngste Rücksetzer ging nur zurück an die untere blaue Linie der dreiecksförmigen Formation. Und der Kurs bleibt vorerst auch in dem kleinen grünen Trend der Aufwärtsbewegung seit Ende Juli. Mit dem Rücksetzer der Vorwoche gab es nur einen minimalen Fehlausbruch, so dass der Trend zunächst fortgesetzt werden könnte.

Auch das Niveau des Juni-Hochs (rot gestrichelte Linie) bzw. die 13.000-Punkte-Marke hat der DAX mit diesem Rücksetzer bestätigt. Und seit Ende Juli sehen wir weiterhin höhere Hochs und Tiefs. Die Aufwärtstendenz bleibt damit voll intakt.

Kommt es nun zur Herbstkorrektur?

Von der beschworenen Herbstkorrektur ist also noch nichts zu sehen. Die Gefahr dafür wächst erst, wenn der DAX unter die untere schwarze Aufwärtstrendlinie sowie die blaue Abwärtslinie fällt. Dann sind die entsprechenden Formationen hinfällig und die Karten werden unter Umständen neu gemischt.

Vermutlich werden die US-Börsen dabei den Takt vorgeben. Und dort kam es bis zum Börsenschluss am Freitag nur zu einer eher halbherzigen Gegenreaktion nach oben. Die (sehr) kurzfristige Tendenz bleibt damit dort bearish, wobei die Bullen in den US-Futures allerdings vor dem Wochenende noch die eine oder andere Unterstützung zurückerobern konnten.

Fazit

Die Konstellation zum großen Verfallstag am 18.9. liefert vorerst nur wenig Impulse für den DAX. Die Grenzen, an denen es zu einem Gegenhalten der Stillhalter kommen sollte, liegen bei 13.200 und 12.000 Punkten. Dort könnten die Attacken von Bullen und Bären daher auf zusätzliche Gegenwehr stoßen. Mit Blick auf den Verfallstag ist also eher eine Fortsetzung der Seitwärtsbewegung zu erwarten.

Den stärksten Einfluss dürften aber die US-Börsen haben, die nach dem heutigen Labor-Day-Feiertag wieder mit voller Kraft agieren werden. Wenn dort die Herbstkorrektur weitergeht, die sich nach wie vor andeutet, dann werden die Put-Stillhalter im DAX dem wenig entgegenzusetzen haben.

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert



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