Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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2. März 2025
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
Vielleicht sagen Sie jetzt: „Schon wieder!“ Ja, ich fordere das AfD-Verbot jetzt schon wieder und noch einmal und jetzt, nach dem großen Wahlerfolg der AfD, erst recht. Ich schreibe mir notfalls die Finger wund, um dafür zu werben, dass Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung (und am besten alle drei gemeinsam) beim höchsten Gericht in Karlsruhe einen Verbotsantrag gegen die AfD stellen. Ich habe das erste Mal schon im Juli 2019 für einen solchen Antrag plädiert.
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AfD-Verbot jetzt erst recht!
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Die AfD wird immer größer und zugleich immer radikaler. Sie verwandelt sich seit ihrer Gründung vor zwölf Jahren, sie nähert sich mehr und mehr dem final-gefährlichen, extremistischen Stadium. Die Partei- und Plakatfarbe der AfD ist blau; das finale Stadium ist – braun. Im neuen Bundestag sitzt die AfD als zweitstärkste Fraktion mit 152 Abgeordneten, darunter bekennende Neonazis. Aus einer ursprünglich rechtsbürgerlichen Partei wird eine nationalfaschistische; aus einer Rechtsaußenpartei eine Rechtsdraußenpartei. Die AfD rückt so dramatisch schnell nach rechtsdraußen, dass AfD-Radikale von gestern sich heute auf einmal in der Mitte der AfD wiederfinden. Alle bisherigen Vorsitzenden, also Bernd Lucke (2013 bis 2015), Frauke Petry (2015 bis 2017) und Jörg Meuthen (2017 bis 2022) haben die Partei wegen deren Radikalisierung verlassen. Alice Weidel und Tino Chrupalla, die derzeitigen Vorsitzenden, sind die Protagonisten der finalen Radikalisierung.

Verbot und Auflösung dieser Partei: Jetzt erst recht!

Indes: Seit dem großen Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl vom 23. Februar ist auch in der öffentlichen Diskussion das Thema AfD-Verbot so gut wie verschwunden. Man solle diese Partei, so heißt es oft, doch nicht auf diese Weise zu einem Opfer machen. Das ist grundfalsch. Ist es besser, wenn immer mehr Menschen zum Opfer dieser Partei werden, weil dort gegen sie gehetzt wird? Ist es besser, wenn die Demokratie ein Opfer dieser Partei wird? Gewiss: Ein Verbot schaltet den Rechtsextremismus nicht aus. Es zeigt aber, dass die wehrhafte Demokratie nicht nur so heißt, sondern eine ist. Natürlich lässt ein vom höchsten Gericht ausgesprochenes Verbot samt Auflösung der AfD den Rechtsextremismus nicht verschwinden; er existiert weiter, er löst sich mit der Partei nicht auf. Aber er wird dann nicht mehr großzügig vom Steuerzahler finanziert. Staatliche Gelder machen den größten Batzen der Einnahmen für die Partei und Fraktion der AfD aus, schon im Jahr 2022 waren das über zehn Millionen Euro. Die Zahl dürfte gegenwärtig noch viel höher sein, weil die Zahlungen mit der Zahl der Wähler steigen: Geld für den Druck von Plakaten und Veranstaltungen, auf denen das „System“ verhöhnt wird, das jene Verhöhnung finanziert. Hinzu kommen steuerliche Begünstigungen, die Diäten von Abgeordneten und Gehälter von Funktionsträgern, die die AfD mit Posten versorgt, sowie weitere Zuschüsse.

Erich Kästner hat 1932 seinen Gedichtband „Gesang zwischen den Stühlen“ mit dem Vierzeiler eröffnet: „Was auch immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.“ Das ist ein guter Ratschlag für heute. Die staatliche Parteienfinanzierung unterstellt den Parteien eine wichtige Rolle für das demokratische Gemeinwesen. Die Staatsgelder dürfen daher nicht an ein demagogisches und gemeines Gemein-Wesen namens AfD fließen.

Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns eine Woche ohne neue Narrheiten in der Politik. Es beginnt ja die Fastenzeit.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
Vom Russlandfeldzug bis ins Pflegeheim
In den nächsten Wochen werden wir viel daran denken: Vor achtzig Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Und die letzten Deutschen, die ihn geführt, erlebt und erlitten haben, verabschieden sich aus dem Leben. Welche Botschaft, welche Lehren, welche Leere hinterlässt uns die Kriegsgeneration? Darüber hat der Journalist Sebastian Schoepp ein anrührend-radikales, ein kritisches und doch versöhnliches Buch geschrieben. Es handelt vom Abschied von der Kriegsgeneration, von einem Abschied, der in Alters- und Pflegeheimen vollzogen wird und bei dem die Odyssee durchs Gesundheitssystem zum Alltag gehört. Der Autor, der viele Jahre außenpolitischer Redakteur der Süddeutschen Zeitung war, hat diese deutsche Odyssee mitgemacht. Er hat auf den schönen Korrespondenten-Posten der SZ in Buenos Aires, der ihm da gerade winkte, verzichtet, er ist also nicht nach Lateinamerika gegangen; er hat sich stattdessen der Pflege der Eltern gewidmet.

Vom Jahrgang her ist Schoepp ein Kriegsenkel, von der Familiengeschichte her ein Kriegskind. Der Vater, Jahrgang 1923, hatte als Soldat an der Ostfront gekämpft; die Mutter, zwei Jahre jünger, hatte die Bombennächte in Berlin durchgemacht. Welche traumatischen Erlebnisse sie davongetragen haben mochten, so schreibt Schoepp am Anfang des Buches, „konnte ich nur erahnen“. In seiner Familie regierte ein zähes Schweigen über die Vergangenheit. Am ersten Heiligabend nach dem Tod der Eltern, vor dem Bullerofen mit den Buchenscheiten im elterlichen Häuschen, beginnt der Sohn zu recherchieren. Das Ergebnis der Recherche steht in diesem Buch. Es hat mich so fasziniert, dass ich das Vorwort dazu verfasst habe. Es endet mit dem Satz: Das Buch sei „eine kleine, eine große 320 Seiten lange Kostbarkeit“.

Sebastian Schoepp: Seht zu, wie ihr zurechtkommt. Was die Kriegsgeneration in uns hinterlässt. Das Buch ist 2024 als Taschenbuch im Westend-Verlag erschienen, es hat 320 Seiten und kostet 14 Euro. Als ungekürztes Hörbuch, gelesen vom Autor, ist es beim Montalto Verita Verlag zu haben, Sprechdauer 9 Stunden 42 Minuten.
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Live aus dem Dauerirrsinn
Die Meinungsfreiheit wird von der Regierung Trump nur dann geschützt, wenn es um die eigene Meinung geht. Wie das dann in der politischen Praxis des Alltags aussieht, darüber schreibt, sehr anschaulich, Peter Burghardt auf der Medienseite der SZ am Wochenende: Zutritt zum Weißen Haus zum Beispiel erhalten nur noch von Trumps Presseteam selbst ausgewählte Journalisten. Der Kollege Burghardt zitiert am Schluss seines Textes Peter Baker, einen der renommiertesten US-Journalisten, der seit 1996 aus dem Weißen Haus berichtet; Baker klagt darüber, „dass die Regierung die Kontrolle über unsere unabhängige Berichterstattung übernehmen will“. In all den Jahren unter Republikanern und Demokraten habe er so etwas nie erlebt. Baker war in den Anfängen von Putin Korrespondent in Moskau und will, so schreibt Burghardt, die USA auf keinen Fall mit Russland vergleichen, „aber ganz leicht erinnern ihn diese Wochen an seine alte Zeit in Moskau“.
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