Heribert Prantl beleuchtet ein Thema, das Politik und Gesellschaft (nicht nur) in dieser Woche beschäftigt.
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15. September 2024
Prantls Blick
Die politische Wochenschau
Prof. Dr. Heribert Prantl
Kolumnist und Autor
SZ Mail
Guten Tag,
der Flüchtlingsschutz hat keinen parteipolitischen Hüter mehr. Die AfD gibt den bösen Ton vor, dem die CDU/CSU, die SPD und die FDP folgen. Die Grünen, die vor 35 Jahren die Anführer des Widerstands gegen die Grundgesetzänderung waren, sind stumm geworden. Und beim BSW vertritt Sarah Wagenknecht die Position, die seinerzeit ihr jetziger Ehegatte Oskar Lafontaine vertrat: der war damals, noch in der SPD, der erste prominente Sozialdemokrat, der eine Grundgesetzänderung propagierte und den Verzicht auf das einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl. Es gab große Debatten, öffentliche und in den Sitzungen der Parteigremien. Heute gibt es nur noch den Wettbewerb, wer am schnellsten noch schärfere Forderungen stellt. Das geht so weit, dass jetzt die große europäische Errungenschaft, die offenen Grenzen, durch massive Grenzkontrollen in Frage gestellt werden.

Die Angst des Bodo Ramelow

In der aktuellen Debatte gibt es nur einen, der laut, klar und vernehmlich Kritik übt: Bodo Ramelow, der bürgerlich-linke Noch-Ministerpräsident von Thüringen. Er propagiert zwar schnellere Asylverfahren und die Abschiebung von Flüchtlingen, „die bei uns permanent die Regeln brechen“; er kritisiert aber zugleich die manifeste Ausländerfeindlichkeit der aktuellen Migrationsdebatte und fordert mehr Zuwanderung. Allein in Thüringen, so sagt er, fehlten Hunderttausende Arbeitskräfte. Ramelow erklärt wörtlich im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Deshalb kriege ich langsam Angst vor der gesellschaftlichen Debatte, die von spektakulären und sehr negativen Fällen dominiert wird und nicht von den vielen Fällen, in denen Integration gelingt. Stattdessen wird beim derzeitigen Überbietungswettbewerb der Abschreckungsgrausamkeiten leider auch intensiv die Ausländerfeindlichkeit getriggert. Am Ende kommt nur das Gefühl raus: Die AfD hat es ja gesagt. Jetzt sagen es die anderen auch."

Wenn wir Flüchtlinge wären

Ramelow hat recht. Die aktuelle Debatte ist eine völlig undifferenzierte, eine rohe Debatte, eine Debatte ohne Zwischentöne, eine Debatte ohne Herz und Verstand. Obwohl die Flüchtlingszahlen nicht steigen, sondern sinken, wird von einem Notstand geredet. Der Notstand besteht nicht in der Zahl der Flüchtlinge, er besteht in der Art und Weise, wie darüber geredet wird. Der Notstand besteht darin, wie im Bundeshaushalt die Mittel für die Förderung von Integrationskursen gekürzt werden. Integrationsarbeit ist ein wichtiger Beitrag zu Sicherheit! Man darf sich nicht einschüchtern lassen von denen, die Gift und Galle spritzen; nicht von denen, die nicht die Zivilgesellschaft, sondern die Unzivilgesellschaft repräsentieren. Es gibt hierzulande auch Zigtausende von Menschen, die immer noch und trotz alledem den Flüchtlingen helfen - beim Deutschlernen, beim Umgang mit den Behörden, beim Fußfassen in diesem Land. Von ihnen soll sich die Politik beeindrucken lassen. Sie handeln nach der Regel: Handeln wir so, wie wir behandelt werden wollten, wenn wir Flüchtlinge wären.
SZPlus Prantls Blick
Ein Aufruf zur Humanität
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Ich wünsche Ihnen eine gute Woche – abseits einer gesellschaftszerstörenden Gleichgültigkeit.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung
SZ Mail
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Prantls Leseempfehlungen
"Mein Papa nannte mich kleine Löwin"
Man hat dieses Büchlein in zwei Minuten durchgeblättert und gelesen; aber man kann und mag es dann nicht einfach weglegen - nicht nur, weil es so gut in der Hand liegt, sondern weil es einen nicht so leicht loslässt. Es berührt, weil es große Themen auf ganz kleine und feine Weise angeht: Flucht, Vertreibung, Ankommen, Migration, Integration. Die Autoren sind Geschwister, Mehrnousch ist als Zehnjährige aus dem islamistischen Gottesstaat Iran nach Deutschland geflohen, zusammen mit ihren Eltern und dem damals 14-jährigen Bruder Mehrdad. Sie studierte Sozialpädagogik, wurde Studienleiterin; ihr Bruder wurde Zeichner und Geschichtenerzähler. In diesem berührenden Büchlein erzählen sie in Wort und Bild gemeinsam: "Einfach Mensch". Einfach? Ja wenn es nur so einfach wäre! Das Büchlein handelt von Zuschreibungen, von Erwartungen, von Urteilen und Vorurteilen; es ist ein Anstoß zum Nachdenken und zum Philosophieren.

Mehrnousch Zaeri-Esfahani / Mehrdad Zaeri - Einfach Mensch. Das Büchlein ist im August 2024 Verlag edition buntehunde erschienen, es hat 34 Seiten. Jede Seite zeigt eine feine Zeichnung, dazu gibt es jeweils nur eine Zeile Text. Daraus ergibt sich aber ein berührendes Narrativ. Wie das geht? Das ist das Geheimnis dieses Büchleins. Es handelt sich um Philosophie im kleinen Format.
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Schafwandler
Hans Gurschler ist ein Schafhirt mit dem Gesicht eines 72-Jährigen und den Beinen eines 22-Jährigen. Er trieb soeben die 1500 Schafe, die im Sommer auf den guten Weiden des Ötztals gefressen hatten, wohlgenährt wieder zurück ins Schnalstal. Dominik Prantl hat ihn bei diesem Viehtrieb über den Alpenhauptkamm begleitet. Dominik P. ist übrigens, anders als so manche Leser vermuten, nicht der Sohn von Heribert P. und auch sonst, soweit ich weiß, nicht mit mir verwandt. Aber wir beide lieben Südtirol, wo nicht wenige Menschen mit dem Familiennamen "Prantl" zu Hause sind – die "harten Prantls", wie ich gerne sage. In Bayern ist man eher weich und heißt "Brandl". Dominik Prantl hat also in dem schönen Stück aufgeschrieben, was der Schafhirt Gurschler ihm beim Abtrieb erzählte: dass man vor fünfzig Jahren noch zwei Stunden über den Gletscher marschieren musste, den es heute nur noch in Form von ein paar Eisresten gibt "als Mahnmal der globalen Erwärmung weit droben zwischen den Gipfeln".
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