Der Preis einer falschen Russlandpolitik
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Rheinische Post

Morgenausgabe

Stimme
des Westens

Dorothee Krings

01. April 2022

Liebe Frau Do,

im Westen hat sich ein Bild des russischen Präsidenten verfestigt: Putin als einsamer Despot, der von angsterfüllten Beratern umgeben ist, die ihm Wahrheiten vorenthalten. Dafür gibt es Indizien: in Putins Verhalten zu Beginn des Angriffskriegs. Und auch in seinen TV-Auftritten, wenn er etwa Gegner im eigenen Reich schmähte als „Mücken“, die er ausspucken werde. Doch Europa sollte nicht in Wunschdenken verfallen. Auch wenn westliche Geheimdienste vermelden, Putin fühle sich von seiner Armeeführung schlecht informiert. Der Präsident dürfte inzwischen für Abhilfe gesorgt haben. Dagegen wird sein ideologischer Eifer vielleicht noch immer unterschätzt. Das Bild vom isolierten Despoten, der an der Enge seines eigenen Systems zu Grunde geht, verrät womöglich mehr über die Projektionen des Westens, als es zur Einschätzung von Putins Plänen taugt.

Heute wichtig:

Ukraine: Die Ukraine hat in der Nacht Erfolge im Krieg gemeldet: Russische Einheiten hätten an keiner Stelle Geländegewinne verzeichnen können, mehrere Siedlungen im Gebiet Cherson seien sogar zurückerobert worden. Auch die Lage in Kiew soll sich etwas entspannt haben. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola brach unterdessen zu einer Reise in die ukrainische Hauptstadt auf. In unserem Newsblog halten wir Sie auf dem Laufenden.

Sorge vor Dürre: Die Schauer der vergangenen Tage brachten zwar etwas Erleichterung, aber nach einem fast regenfreien März sind die oberen Bodenschichten im Land komplett ausgetrocknet. Für Pflanzen ist das fatal, auch in den Wäldern sieht es schlecht aus. Über die Folgen der Trockenheit berichtet Jörg Isringhaus.

Justiz: NRW-Justizminister Peter Biesenbach hat das bundesweit erste Lagebild zum Phänomen Paralleljustiz vorgestellt. Gemeint sind Formen der Konfliktlösung, die außerhalb der staatlichen Rechtsordnung stattfinden. Opfer sind meist Mädchen und Frauen, etwa wenn sie innerhalb der Familie bedroht oder zu Entscheidungen gedrängt werden. Claudia Hauser berichtet.

Meinung am Morgen:

Impfpflicht: Dass es demnächst in Deutschland noch zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 kommen wird, hält Jan Drebes in seinem Kommentar für nahezu ausgeschlossen. Die Regierung habe in dieser Frage keine Führung übernommen und suche nun nach einem gesichtswahrenden Ausweg. Auch die Opposition habe keinen klaren Kurs gefahren. Und so sei das Ringen inzwischen zu einem peinlichen Schauspiel geworden, das mit konzertierten und klugen Maßnahmen im Kampf gegen das Virus nichts mehr zu tun habe.

Corona: Dabei sei die Pandemie noch längst nicht überwunden, mahnt Martin Kessler in seinem Kommentar. Darum könne es etwa vernünftig sein, in bestimmten Situationen weiter freiwillig einen Atemschutz zu tragen. Trotzdem sei etwa die Idee, die Quarantänezeit für Infizierte auf fünf Tage zu reduzieren, angemessen. Es müsse immer mehr um individuelle Vorsicht und Eigenverantwortung gehen, die Zeit sei reif dafür.

Energiekosten: Auf die rapide gestiegenen Energiekosten hat die Regierung mit allerhand Entlastungen für die Bürger reagiert. Damit werden allerdings künftige Generationen für die verfehlte Russlandpolitik der vergangenen 20 Jahre zahlen müssen, schreibt Justus Haucap, Professor für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf, in seiner Kolumne. Auch bei der Überprüfung deutscher Kraftstoffraffinerien durch das Kartellamt habe es Versäumnisse gegeben.

So gesehen:

In Zeiten von Propaganda und Fake News wird einmal mehr deutlich, wie wichtig es für ein friedliches Miteinander ist, dass Menschen sich über ihre Weltsichten verständigen können – und überprüfbare Fakten Fakten bleiben. Zu lange hatte man ja gedacht, dass die Menschheit mit all ihren modernen Informationskanälen irgendwann imprägniert sei gegen Manipulation in großem Stil. Ist nicht so. Das lernen wir gerade wieder. Und das trübt ein wenig die Begeisterung für den eigentlich harmlosen Spaß an Aprilscherzen. Warum anderen vormachen, was nicht stimmt? Andererseits kann die Reinlegerei natürlich die kritischen Sinne schärfen und gebotene Skepsis trainieren. Und manche Scherze sind schon ziemlich lustig. Vor allem, wenn sie entlarven, wie absurd die Wirklichkeit ohnehin schon ist. Ich wünsche Ihnen einen überraschenden Tag!

Herzlich,

Ihre

Dorothee Krings

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