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Liebe/r Leser/in,

kein Wort mehr über Löwinnen oder Wildschweine. Der Vogel aber, den neulich ein Landwirt in der Oberpfalz von seinem Acker gepflückt hat, fliegt mir nicht aus dem Sinn. Mit dem Fliegen muss sich dieser Basstölpel (siehe Foto) ohnehin noch ein wenig Zeit lassen. Der Seevogel, der eigentlich im Nordmeer nach Makrelen taucht, ist nach seinem Irrflug ziemlich entkräftet. In den kommenden Wochen bleibt er in der Obhut bayerischer Vogelschützer. Wenn die ihn aufgepäppelt haben, wird er wohl im August zu Küste gebracht und „ausgewildert“.

Der Tölpel, so denke ich mir, wird einiges zu erzählen haben, wenn er wieder bei den Seinen gelandet sein wird – vielleicht in Helgoland oder auf einem Felsenzahn vor der schottischen Küste. All die Co-Tölpel werden bass erstaunt sein, wenn sie hören, wie es ihm in den Klauen dieser höchst gefährlichen Zwei-Bein-Wesen erging. Wie diese Raubtiere, die doch in der Vergangenheit Tölpel jagten und verspeisten, ihn pflegten und fütterten.

Wenn sie dann noch erfahren, dass ihr verirrter Bruder sogar zur Küste kutschiert und mit den besten Wünschen auf die Reise geschickt wurde, werden wohl etliche Tölpelschnäbel vor Verwunderung nach unten klappen. Mag sein, dass einige Vögel dem Heimkehrer den Vogel zeigen. Vielleicht würde einer sogar den fettesten Hering darauf verwetten, dass das alles nur Märchen seien. Dass der Großschnabel gar nicht bei den Menschen gewesen sei. Der Oberpfälzer Tölpel würde allerdings den Kopf senken und auf eines seiner Beine deuten. Das wird nämlich geschmückt sein mit einem Ring, den ihm die Vogelschützer angelegt haben werden. Dann würde es still auf dem Felsen. Und die Tölpel kämen ins Grübeln. Was ist nur los mit den Menschen?

Unser weiß gefiederter Odysseus würde die Gunst des Augenblicks nutzen und so richtig ins Erzählen kommen. Die anderen würden an seinem Schnabel hängen und lauter rätselhafte Anekdoten hören. Sie würden erfahren, dass die Menschen den schrillsten Leidenschaften nachgingen. Dass sie Fleisch essen, dass kein Fleisch sei, aber wie Fleisch schmecke. Dass sie zum Prügeln ins Freibad gingen. Dass sie sich mit Fahrrädern auf Berge quälten. Die Menschen am Straßenrand hätten offenbar die Aufgabe, die Radfahrer anzuschreien und nach Möglichkeit zu Boden zu reißen. Eines der reichsten Männchen unter den Menschen, so würde der Tölpel weiterschnattern, habe ein anderes reiches Männchen zum Größenvergleich der Fortpflanzungsorgane aufgefordert.

Tölpel mögen Tölpel sein. Aber das kann uns nicht beruhigen. Die Berichte des bayerischen Fundvogels, so steht zu befürchten, werden weitergetragen. Von Schnabel zu Schnabel. Von Fels zu Fels. Tölpel können gewaltige Entfernungen zurücklegen. Und mit ihnen wandern die Geschichten. Auch die sagenhaften Geschichten aus der Oberpfalz.

Und irgendwann mag ein Tölpel diese Geschichten einem befreundeten Seehund zu Gehör bringen. Oder einem Wal. So wandern die verrückten Geschichten über die verrückten Menschen von Ort zu Ort. Von Art zu Art. Sie werden immer mehr ausgeschmückt. Immer wilder und rätselhafter. Dann passiert es. Irgendwo an einem Tümpel in der Serengeti will ein Warzenschwein einen Löwen beeindrucken. Und erzählt diese irre Story, die sich neulich in der großen nördlichen Kolonie der Waschbären, in Berlin, zugetragen haben soll.

Da haben die Menschen doch glatt einen ihrer Verwandten mit einer Löwin verwechselt.

Nein, dazu kein Wort mehr. Aber Sie verstehen, was ich meine. In der Wildnis steht unser Ruf auf dem Spiel. Alles hängt von einem Basstölpel ab. Von der Einsichtsfähigkeit eines verirrten Seevogels. Mögen die bayerischen Vogelschützer ihn gut pflegen. Mögen sie alles von ihm fernhalten, das ihn nur zusätzlich verwirren würde. Mögen sie schweigen von der großen Jagd in Kleinmachnow.

Wie sollte ein Tölpel das auch verstehen?   

Herzlich grüßt

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Markus Krischer,
stellvertretender Chefredakteur FOCUS Magazin

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