10 Tage nach der US-Wahl
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Was jetzt, America?
Der wöchentliche Überblick zur US-Wahl
von Amrai Coen
US-Korrespondentin Büro Washington, D. C., DIE ZEIT 

Good morning! Für die einen hält der Schock an, die anderen kumpeln und planen wie die Weltmeister, wie diese zweite Präsidentschaft aussehen soll. Die US-Expertinnen fassen Ihnen die wichtigsten Ereignisse der Woche zusammen. Folge 18 erreicht Sie aus Washington, D.C.

10 Tage nach der Wahl

Kaum zu glauben, dass die US-Wahl erst vergangene Woche war. Es fühlt sich an, als wären seitdem bereits Wochen vergangen. Donald Trump gibt nun täglich mehrmals die Personalien für sein Kabinett und die wichtigsten Verwaltungsposten bekannt. Dabei geht es ihm vor allem um: Loyalität, Loyalität, Loyalität. Die bisher schockierendste Personalie: der Systemsprenger Matt Gaetz als möglicher Justizminister. Ein Mann, der im Verdacht steht, eine Minderjährige für Sex bezahlt zu haben, und der nie als Staatsanwalt oder Richter gearbeitet hat. 

Am Mittwoch trafen Joe Biden und Donald Trump im Weißen Haus aufeinander: Handshake vor den Kameras der Journalisten. Der Amtsinhaber gratulierte dem designierten Nachfolger. Eine alte Tradition – eigentlich. Nur dass sie vor vier Jahren nicht stattfand, weil Trump damals Biden den Empfang im Weißen Haus verweigerte. 

Ich war gerade einen Tag lang in einem Latino-Barbershop in der Bronx, um dort nach Antworten zu suchen, warum so viele lateinamerikanische Wähler in diesem Jahr für Donald Trump gestimmt haben – sehr viel mehr als bei den letzten Wahlen. Die gestiegenen Preise der vergangenen Jahre haben dabei eine große Rolle gespielt. Aber am Ende des Tages war ich doch überrascht, wie widersprüchlich alles ist, wenn man genauer hinschaut: Da war ein Illegaler, der sagte, er hätte für Trump gestimmt, wenn er wählen könnte. Da war eine lesbische Frau, die sagte, man dürfe gar nichts mehr sagen. Und da waren die Barber, die nur Cash verdienen – und sich über viel zu hohe Steuern beschweren. Und so bleibt man zurück mit lauter Puzzleteilen, die nicht zusammenpassen.  

Meine Tochter ist zwei Jahre alt und in den USA geboren. Ich habe sie vor ein paar Tagen gefragt: "Kannst du mir erklären, was das genau bedeutet – Amerikanerin sein?" Sie hat kurz überlegt und dann gesagt: "Amerikaner werfen mit Kürbissen!"

Haben Sie ein schönes Wochenende!

Meine drei Texte der Woche

Sie handeln vom Aufstieg eines Milliardärs, einem schüchternen Kanzler und Filterblasen.

Elon Musk könnte künftig weitreichende Entscheidungen in den USA treffen. Ein beispielloser Interessenkonflikt – und sehr schlechte Nachrichten für Europa, schreibt mein Kollege Robert Gast. → Zum Artikel
Ein schüchterner Kanzler trifft auf einen aufbrausenden US-Präsidenten. Kann das klappen? Mein Kollege Mark Schieritz analysiert: Zumindest hat Scholz gezeigt, dass er unkonventionelle Methoden nicht schreckt → Zum Artikel
Wir haben uns zur US-Wahl absichtlich in die Filterblasen von TikTok begeben. Nach Trumps Sieg zeigt sich vor allem bei den Harris-Anhängern ein Wandel. → Zum Artikel
Wer sagt denn sowas?

"It's hard to understand."

a) Joe Biden
b) Tim Walz
c) Kamala Harris

ZEIT Geschichte – Die amerikanischen Präsidenten

Vom Bürgerkrieg über das Erbe des Rassismus bis hin zur aktuellen politischen Spaltung – steht die Zukunft der amerikanischen Demokratie auf dem Spiel?

Warum haben die Menschen Harris, warum Trump gewählt? Unsere Mini-Videoporträts von zufällig ausgewählten Personen. → Zum Artikel

Wollen Sie uns hören?

In dieser Folge von OK, America? diskutieren meine Kollegen Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer über Donald Trump und sein Regierungsteam. Und hier hören Sie unseren Rückblick Vier Jahre Trump in 48 Episoden.

Das Bild der Woche

Meine Kollegin Tina Ahrens ist die Chefin der Bilder von ZEIT ONLINE. An dieser Stelle schreibt sie jede Woche über ein Foto, das sie besonders bewegt hat.

© Mark Peterson/Redux/laif

"Donald Trumps Wahl zum Justizminister fiel diese Woche auf Matt Gaetz, einen treuen Hardliner, der bis vor Kurzem Florida im Repräsentantenhaus vertrat. Auf einem Foto von Mark Peterson trägt der Republikaner eine Mütze mit der Aufschrift 'BE OFFENDED', zu Deutsch: 'Sei beleidigt'. Um diese Botschaft zu verstehen, ist Folgendes wichtig: Nachdem der Supreme Court 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt hatte, sagte Gaetz: Die Frauen, die sich über Abtreibungen sorgten, seien vor allem jene, die niemand schwängern wolle, weil sie "hässlich und dick" seien. Auf Nachfrage von Journalisten, was er zu jenen sage, die diese Äußerungen beleidigend finden, erwiderte er nur: "Be offended" – "Sei beleidigt". Gaetz' Nominierung als Justizminister ist ein weiterer Affront für alle, die gegen Diskriminierung kämpfen."

Und sonst so?

Was müssen Sie diese Woche sonst noch gesehen, gelesen, angeschaut haben? Diesmal stellt ZEIT-Redakteurin Katharina Meyer zu Eppendorf ihren Fund vor.

“Fühlen Sie sich gerade auch so hoffnungslos? Dann lesen Sie diesen Text aus dem New Yorker: Der Autor Joshua Rothman hinterfragt in DO YOU HAVE HOPE?, ob Optimismus in der aktuellen Situation gerechtfertigt ist und worauf er basieren könnte. Dabei geht er auch auf die Arbeit des Philosophen Byung-Chul Han ein. Der betont in seinem Buch The Spirit of Hope, dass Hoffnung aus Verzweiflung geboren werde und auch dann bestehen bliebe, wenn der Optimismus fehle. Und, das ist das wahrhaft Hoffnungsvolle: Hoffnung könne auch Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten einbinden – selbst in dem so polarisierten Klima der USA."

Das war die 18. Spezialausgabe unseres Was-jetzt?-Newsletters zur US-Wahl 2024. Sie erscheint jeden Freitag zusätzlich zum Morgenüberblick und wird geschrieben von Amrai Coen, Marcus Gatzke, Rieke Havertz, Carsten Luther, Katharina Meyer zu Eppendorf, Johanna Roth, Anna Sauerbrey und Fiona Weber-Steinhaus. 

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