Noch 9 Wochen bis zur US-Wahl
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Was jetzt, America?
Der wöchentliche Überblick zur US-Wahl
von Marcus Gatzke
Ressortleiter Politik ZEIT ONLINE

Good morning! Kamala Harris holt auch in den stark umkämpften US-Bundesstaaten auf. Aber wäre Donald Trump überhaupt bereit, eine Niederlage zu akzeptieren? Die US-Expertinnen fassen Ihnen die wichtigsten Ereignisse der Woche zusammen. Folge sieben erreicht Sie aus Berlin.

Noch neun Wochen bis zur Wahl

Donald Trump scheint immer noch keine wirkliche Strategie zu haben, wie er die Euphorie brechen will, die die Demokraten mit Kamala Harris nicht nur im eigenen Lager entfacht haben. Das war schon vor meinem Sommerurlaub so, aber die vergangenen zwei Wochen haben daran augenscheinlich nichts geändert. (Ich habe zumindest versucht, mich dem Nachrichtenstrom etwas zu entziehen.) Im Gegenteil: Trump wirkt noch hilfloser als sonst und verbreitet vulgäre Bemerkungen über Harris auf seiner Plattform Truth Social. Ein anderes Beispiel: Sein skandalöser Auftritt auf dem Arlington-Friedhof.

Da könnte man fast zum – voreiligen – Schluss kommen: Wenn Harris jetzt keine größeren Fehler mehr macht, hat sie sehr gute Chancen, als Präsidentin erneut ins Weiße Haus einzuziehen. Diverse nationale Umfragen bestärken diesen Eindruck, wie beispielsweise hier beim Economist.

Aber in den kommenden Wochen kann noch viel passieren. Und noch viel wichtiger: Die Präsidentschaftswahl in den USA wird sehr wahrscheinlich wieder in einigen wenigen Bundesstaaten von einigen wenigen Zehntausend Wählerinnen und Wählern entschieden. In den wichtigsten sogenannten Battleground-States sehen die jüngsten Umfragen ein sehr enges Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Klingt alles kompliziert, und ist es auch. Meine Tochter hat bislang immer verständnislos mit dem Kopf geschüttelt, wenn ich versucht habe, ihr das amerikanische Wahlsystem zu erklären. (Vielleicht ginge es mit diesem Video besser.)

Und auch wenn Harris die Wahl gewinnen sollte, ist noch völlig offen, ob Trump seine Niederlage auch akzeptiert. Wahrscheinlich wissen wir am Mittwoch, dem 6. November, immer noch nicht, wer der nächste Präsident, die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten wird. Also: Kein Urlaub mehr vor Mitte Dezember! 

Ein schönes Wochenende!

Meine drei Texte der Woche

Kamala Harris und Tim Walz setzen in ihrem ersten Interview auf Emotionen, wir sind auf Wahlkampftour mit Donald Trump und analysieren den Inflation Reduction Act: Was hat er eigentlich gebracht?

Die Demokraten nennen Trump und seine Fans neuerdings "weird" - nur wie finden die das? Meine Kollegin Katharina Meyer zu Eppendorf hat sie genau das gefragt, bei einer großen Trump-Wahlkampfveranstaltung in Glendale im US-Bundesstaat Arizona. → Zum Artikel
Vor zwei Jahren hat Joe Biden ein riesiges Investitionsprogramm aufgelegt, um eine nachhaltigere Industrie zu fördern und ausländische Unternehmen anzulocken. Meine Kollegin Heike Buchter hat sich in ihrer sehr lesenswerten Analyse angeschaut, ob es auch wie geplant funktioniert. → Zum Artikel
Kamala Harris in ihrem ersten großen Interview: Warum ist sie jetzt plötzlich doch für Fracking? Und würde sie einen Republikaner ins Kabinett berufen? → Zum Artikel
Wer sagt denn sowas?

"I wouldn't trust them to move my couch."

a) Tim Walz
b) Barack Obama
c) Elizabeth Warren

Aus meinem Terminkalender

  • Am Mittwoch, dem 4. September, wird in Los Angeles der Prozessbeginn gegen Hunter Biden, den Sohn von US-Präsident Joe Biden, wegen Steuervergehen erwartet.

  • In New York startet am Donnerstag, dem 5. September, die Fashion Week.

Wollen Sie uns hören?

In dieser Folge von Was jetzt? – Die Woche diskutieren meine Kolleginnen Rita Lauter und Rieke Havertz noch einmal über den Parteitag der Demokraten. In dieser Folge von Und was machst du am Wochenende? sprechen meine Kolleginnen Christoph Amend und Ubin Eoh mit dem US-Rapper LL Cool J. Und in dieser Folge unseres Sprachenpodcast English, please? empfängt meine Kollegin Inez Sharp drei US-Amerikaner, die nervös auf die Wahlen in ihrer Heimat blicken.

Das Bild der Woche

Meine Kollegin Tina Ahrens ist die Chefin der Bilder von ZEIT ONLINE. An dieser Stelle schreibt sie jede Woche über ein Foto, das sie besonders bewegt hat.

© Bruce Gilden/Magnum Photos für ZEIT ONLINE

"Von dem Parteitag der Demokraten vergangene Woche habe ich ein kurioses Bild des Fotografen Bruce Gilden gefunden, der für uns vor Ort war und mit meiner Kollegin Rieke Havertz das Geschehen beobachtet hat. Ein Delegierter der Demokraten hat sich einen Trump Schriftzug auf den Hosenboden seines Overalls genäht. Was er damit sagen will? Es lässt wenig offen. Wo es 2016 in Michelle Obamas berühmter Rede auf dem Parteitag noch hieß 'When they go low, we go high', ein Spruch, der sich auf die verbalen Angriffe Trumps auf die damalige demokratische Präsidentschaftskandidatin Hilary Clinton bezog, sind einige Demokraten jetzt weniger subtil unterwegs und zielen buchstäblich unter die Gürtellinie."

Und sonst so?

Was müssen Sie diese Woche sonst noch gesehen, gelesen, angeschaut haben? Diesmal stellt ZEIT-Redakteurin Katharina Meyer zu Eppendorf ihren Fund vor. Sie arbeitet gerade in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona.

"Journalisten haben es auf Veranstaltungen von Donald Trump nicht leicht. Das lese ich seit vielen Jahren in den Texten meiner Kolleginnen und Kollegen, und das erlebe ich gerade selbst. Als ich in Glendale am vergangenen Freitag auf der Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump dessen Wählerinnen und Wähler befragte, meldete mir eine junge Frau als Antwort auf jede Frage erst einmal zurück, das sei doch eine Fangfrage. Und drinnen, in der Desert Diamond Arena, buhten, angestachelt von Trump oder der republikanischen Senatskandidatin, rund 15.000 Menschen die versammelte Presse aus. Es sind beunruhigende Szenen, die auch die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen alarmieren: 'Es ist inakzeptabel, dass sich die Lage der Pressefreiheit in den USA weiter verschlechtert', sagte ihr US-Direktor Clayton Weimers – und forderte in einem Zehn-Punkte-Plan beide Präsidentschaftskandidaten auf, sich zur Umsetzung konkreter Schritte zu verpflichten, die zum Schutz des Journalismus im In- und Ausland erforderlich seien. Mein Kollege Greg Burton von der Arizona Republic wählt bis dahin einen anderen Weg: Er bleibt den Trump-Veranstaltungen fern. Seinen Kommentar können Sie hier lesen."

Das war die siebte Spezialausgabe unseres Was-jetzt?-Newsletters zur US-Wahl 2024. Sie erscheint jeden Freitag zusätzlich zum Morgenüberblick und wird geschrieben von Amrai Coen, Marcus Gatzke, Rieke Havertz, Carsten Luther, Johanna Roth, Anna Sauerbrey und Fiona Weber-Steinhaus. Die Vorrecherche und nächtliche Produktion hat Katharina Meyer zu Eppendorf in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona übernommen.

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