Noch 6 Wochen bis zur US-Wahl
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Was jetzt, America?
Der wöchentliche Überblick zur US-Wahl
von Amrai Coen
US-Korrespondentin Büro Washington, DIE ZEIT

Good morning! Schon wieder versuchte ein Mann, Donald Trump zu ermorden. Aber diese unglaubliche Nachricht scheint fast unterzugehen im Lärm der sozialen Medien. Die US-Expertinnen fassen Ihnen die wichtigsten Ereignisse der Woche zusammen. Folge 10 erreicht Sie aus Washington, D. C.

Noch sechs Wochen bis zur Wahl

Seit ein paar Monaten jagt eine historische Wendung die nächste in diesem Wahlkampf. Am vergangenen Sonntag passierte schon wieder ein Attentatsversuch auf Donald Trump. Zwei fehlgeschlagene Attentate auf einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in gut zwei Monaten – das ist erschütternd. Aber noch unglaublicher als die Nachricht vom versuchten Attentat ist vielleicht, wie schnell diese Nachricht schon kaum mehr eine ist. Wie schnell sie im Strudel der Videos und Fotos und Posts im Netz verschwindet. 

Mir fällt es manchmal schwer, die historische Dimension dieses Wahlkampfs zu begreifen, weil sie konstant überschallt wird. Es ist, als würden permanent zwei Tonspuren gleichzeitig laufen: Da ist, einerseits, die echte Tonspur: Ereignisse, die aus sich heraus den Lauf der Geschichte verändern könnten. Momente wie die Mordversuche an Donald Trump. Und da ist, andererseits, die Fake-Tonspur. Nicht-Ereignisse, die erst durch ihre mediale Verbreitung einen Einfluss auf den Lauf der Geschichte haben – wie beispielsweise die absurde Behauptung von Donald Trump, Migranten aus Haiti würden in der Stadt Springfield die Haustiere der Bewohner essen. Diese beiden Tonspuren vermischen sich in meinem Kopf zu: Lärm. 

An manchen Tagen fühlt es sich so an, als würden die Filter nicht mehr funktionieren, es ist einfach ständig laut. Es sind nicht mal mehr 50 Tage bis zur Wahl am 5. November. Was wird wohl noch alles passieren? 

Meine drei Texte der Woche

Sie handeln von Taylor Swift, von Wechselwählern – und von der Strategie hinter Donald Trumps falschen Behauptungen.

Donald Trump hetzt gegen Taylor Swift, die im US-Wahlkampf Kamala Harris unterstützt. Meine Kollegin Rieke Havertz schreibt, dass es dabei um sehr viel mehr geht als bloß um ein gekränktes Ego: → Zum Artikel
Viele Amerikaner wissen noch nicht, wen sie im November wählen. Welche Themen bewegen die Wechselwähler? Und warum sind die Swing-States so einflussreich? Das lesen Sie im FAQ meiner Kollegin Isabelle Daniel → Zum Artikel
Während des TV-Duells verbreitete Donald Trump eine rassistische Schauergeschichte. Ein spontaner Wutausbruch? Oder doch eher sehr bewusst lanciert? Darüber schreibt mein Kollege Nils Markwardt → Zum Artikel
Wer sagt denn sowas?

"I hate Taylor Swift!"

a) Kim Kardashian
b) Kanye West
c) Donald Trump

Wer liegt vorn?

Mein Kollege Christian Endt weiß alles über Daten. An dieser Stelle ordnet er für uns ab sofort jede Woche die aktuellen Wahlstatistiken aus den USA ein. 

“Inzwischen belegen die Zahlen den ersten Eindruck: Kamala Harris hat die TV-Debatte mit Donald Trump klar gewonnen. Zwei Drittel der Amerikaner sagen in einer neuen Umfrage, sie habe sich gut geschlagen, darunter 96 Prozent der Demokraten und immerhin 38 Prozent der Republikaner. In den entscheidenden Swing-States hat Harris ihren Vorsprung zuletzt ausgebaut. Sie führt nun in fünf dieser sieben Staaten, nur in Arizona und Georgia liegt Trump derzeit knapp vorne. Wenn heute gewählt würde und das Ergebnis exakt den Umfragen entspräche – dann wäre Harris bald Präsidentin. Das sind allerdings zwei sehr große Wenns. In den verbleibenden knapp sieben Wochen kann viel passieren. Und die Vorsprünge sind viel zu knapp, um als gesichert zu gelten.”

Aus meinem Terminkalender

  • Freitag, 20. September: Kamala Harris tritt auf einer Wahlkampfveranstaltung in Wisconsin auf.  

  • Samstag, 21. September: US-Präsident Joe Biden empfängt die Regierungschefs von Japan, Indien und Australien in seiner Heimat Wilmington, Delaware. 

  • Montag, 23. September: Donald Trump tritt auf einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania auf. 

  • Dienstag, 24. September. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hält im Rahmen der Debatten der UN-Generalversammlung eine Rede. Erwartet wird, dass er Details der Kiewer Pläne zur Beendigung des seit 2022 währenden Krieges mit Russland und einem noch in diesem Jahr angestrebten zweiten Friedens-Gipfel nennen wird. 

Wollen Sie uns hören?

In dieser Folge von OK, America? diskutieren meine Kollegen Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer über politische Gewalt in den USA. In dieser Folge von Das Politikteil sprechen meine Kollegen Ileana Grabitz und Tina Hildebrandt mit der Außenpolitikexpertin Constanze Stelzenmüller. Und in dieser Folge von English, please! Geht es um Demokratie – und um einen besonderen Weg, sie zu ehren.

Das Bild der Woche

Meine Kollegin Tina Ahrens ist die Chefin der Bilder von ZEIT ONLINE. An dieser Stelle schreibt sie jede Woche über ein Foto, das sie besonders bewegt hat.

© Michael M. Santiago/Getty Images

“Während Trump gegen einige Migrantengruppen wettert und irre Geschichten über deren Verzehr von Hunden und Katzen erzählt, fand vor drei Tagen am Tag der Verfassung eine Einbürgerungszeremonie im Liberty State Park in Jersey City, New Jersey, statt. 50 neue US-Bürger, die aus 26 Ländern, darunter Bulgarien, Tschad, Kuba, der Dominikanischen Republik, Haiti, Südkorea und Taiwan kommen, wurden dort eingeschworen. Auffällig im Bild von Michael M. Santiago fand ich die vielen Frauen im mittleren bis jungen Alter. Tatsächlich machten Frauen fast 55 Prozent der 7,7 Millionen Eingebürgerten im Jahr 2023 aus, und sie stellten in jeder Altersgruppe die Mehrheit. Mich stimmt das irgendwie zuversichtlich: Dass trotz verschärfter Abtreibungsgesetze und einem offen misogynen Präsidentschaftskandidaten mehr Frauen in die USA migrieren als Männer. Denn sicher wird das auch auf die Politik Auswirkungen haben, gerade bei Gesetzen, die über Frauenkörper bestimmen.”

Und sonst so?

Was müssen Sie diese Woche sonst noch gesehen, gelesen, angeschaut haben?

Vor ein paar Tagen kam die erste Folge eines sechsteiligen Podcasts vom The Atlantic heraus. Die Hosts Lauren Ober und Hanna Rosin erzählen darin von ihrer neuen Nachbarin – der Mutter von Ashli Babbitt. Babbitt wurde beim Kapitolsturm am 6. Januar 2021 von einem Polizisten erschossen. Für manche gilt Babbitt seitdem als Märtyrerin, für andere als Terroristin. Hier geht es zur ersten Folge von We Live Here Now. 

Das war die zehnte Spezialausgabe unseres Was-jetzt?-Newsletters zur US-Wahl 2024. Sie erscheint jeden Freitag zusätzlich zum Morgenüberblick und wird geschrieben von Amrai Coen, Marcus Gatzke, Rieke Havertz, Carsten Luther, Johanna Roth, Anna Sauerbrey und Fiona Weber-Steinhaus. Die Vorrecherche und nächtliche Produktion hat Katharina Meyer zu Eppendorf in Kalifornien übernommen. 

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