Noch 4 Wochen bis zur US-Wahl
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Was jetzt, America?
Der wöchentliche Überblick zur US-Wahl
von Anna Sauerbrey
Außenpolitische Koordinatorin der ZEIT

Good morning! Vance und Walz haben miteinander debattiert und Trump hat in Alabama Hähnchenfilets verteilt. Die US-Expertinnen fassen Ihnen die wichtigsten Ereignisse der Woche zusammen. Folge 12 erreicht Sie aus Berlin.

Noch vier Wochen bis zur Wahl

Ich gebe zu: Wach geblieben bin ich nicht für das Duell der Vize-Präsidentschaftskandidaten zwischen J. D. Vance und Tim Walz in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (die Kids, die Schule, und so weiter). Aber ich habe es gleich nachgeschaut – und war fasziniert. Der Ton: so zivilisiert! Die Inhalte: so gründlich diskutiert, seien es die Ursachen des Wohnungsmangels oder die Zollpolitik. Immer wieder fällt das Wort "bipartisan", parteiübergreifend. Die beiden erarbeiten quasi live einen Kompromiss zur Elternzeit. So etwas hat man lange im amerikanischen Fernsehen nicht gesehen, und die Zuschauer wussten es zu schätzen. 88 Prozent sagten in einer Blitzumfrage, der Ton sei "positiv" gewesen, eine satte Mehrheit fand beide Kandidaten "vernünftig". 

Der "vernünftige" J. D. Vance allerdings, der über weite Strecken des Duells zu sehen war, ist nur eine von vielen Rollen, die der schauspielerisch talentierte und debattenclub-gestählte Bestsellerautor und Senator einnimmt. Auf anderen Kanälen, vor dem Trump'schen Kernpublikum verbreitet er die Verschwörungstheorie vom "deep state", den es zu beseitigen gelte. Er empfiehlt das Buch eines rechtsextremen Autors, des Spintisierers Jack Posobiec. Er schreibt ein Vorwort für das Buch von Kevin Roberts, Vordenker der katholisch-nationalistischen Rechten und Präsident der Heritage Foundation, die für Trump ein erzkonservatives Regierungsprogramm geschrieben hat, das "Project 2025". Auch ganz zum Schluss des TV-Duells gab es einen verräterischen Moment: Vance weigerte sich, zuzugeben, dass Trump die Wahl 2020 verloren hat. 

In diesem Duell hat J. D. Vance bewiesen, dass er in der Lage ist, den Mann der Mitte zu geben, wenn ein breites Publikum zuschaut. Das hat der geschmeidigere, intelligentere J.-D.-"two face"-Vance seinem Boss, Donald Trump, voraus. Es macht ihn umso gefährlicher – und der gute Tim Walz muss sich nun vorwerfen lassen, dass er ihn mit der performativen Mäßigung hat davonkommen lassen. 

Haben Sie ein schönes Wochenende!

Meine drei Texte der Woche

Sie handeln, natürlich, von der TV-Debatte zwischen Vance und Walz, aber auch den Nachwirkungen des 6. Januars 2021. Außerdem geben wir einen Überblick über das US-Wahlsystem:

J. D. Vance versucht eine Imagekorrektur, Tim Walz ist ein nervöser Coach: Das TV-Duell der running mates bleibt zivil – und hilft damit weder Harris noch Trump, schreibt meine Kollegin Rieke Havertz. → Zum Artikel
"Electoral College", "popular vote", "battleground states" – und gewählt wird immer dienstags: Sie wollen das US-Wahlsystem verstehen? Meine Kollegin Rieke Havertz erklärt es Ihnen in diesem Video. → Zum Artikel
Frühmorgens in Kentucky bricht Stephen Randolph mit dem Auto Richtung Washington auf. Er muss ins Gefängnis, weil er am 6. Januar 2021 beim Sturm aufs Kapitol dabei war. Am letzten Prozesstag steht nur noch die Frage: Wie viele Jahre wird er bekommen? Meine Kollegin Kerstin Kohlenberg hat ihn porträtiert. → Zum Artikel
Wer sagt denn sowas?

"I've been grieving the loss of my dad to Trump."

a) Caroline Giuliani
b) Meghan McCain
c) Liz Cheney

Wer liegt vorn?

Mein Kollege Christian Endt weiß alles über Daten. An dieser Stelle ordnet er für uns ab sofort jede Woche die aktuellen Wahlstatistiken aus den USA ein. 

"Einige amerikanische Beobachter greifen derzeit auf einen Begriff aus der Welt der Pferderennen zurück, um den Stand des Wahlkampfs zu beschreiben: 'Dead Heat' bedeutet, dass ein Lauf nicht gezählt werden kann, weil kein klarer Sieger auszumachen ist. Zwar liegt Kamala Harris in den Umfragen weiterhin etwas vor Donald Trump, weil sie sowohl bundesweit als auch in vier von sieben entscheidenden Swing-States führt. Doch nirgendwo beträgt ihr Vorsprung mehr als zwei Prozentpunkte. Angesichts der Fehleranfälligkeit von Umfragen kann sie sich darauf nicht ausruhen. Umgekehrt liegt aber auch Trump einzig in Arizona mit 2,1 Prozentpunkten halbwegs komfortabel vorne. In sechs von sieben Swing-States lässt sich also anhand der Zahlen derzeit kein klarer Favorit ausmachen.”

Aus meinem Terminkalender

  • Freitag, 4. Oktober: Das Berufungsgericht in Georgia beschäftigt sich mit der Frage, ob die leitende Staatsanwältin im Wahlbetrugsverfahren gegen Trump im US-Bundesstaat Georgia ihre Ermittlungen weiterführen darf. 

  • Samstag, 5. Oktober: Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hält eine Kundgebung in Butler, wo ein Attentäter Mitte Juli auf ihn schoss und ihn am Ohr verletzte, und tritt bei einer Town Hall in Fayetteville im US-Bundesstaat North Carolina auf. 

  • Dienstag, 8. Oktober: US-Präsident Joe Biden reist nach Pennsylvania. 

  • Donnerstag, 10. Oktober: US-Präsident Joe Biden reist am Abend nach Deutschland. Er wird hier in den folgenden Tagen sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen. 

 Korrekturhinweis: Vergangene Woche haben wir an dieser Stelle den Ex-Präsidenten Jimmy Carter fälschlicherweise zum Republikaner erklärt. Dieser Fehler tut uns leid. Carter war zwischen 1977 und 1981 der 39. Präsident der USA und ist bis heute Mitglied der Demokratischen Partei. 

Wollen Sie uns hören?

In dieser Folge von OK, America? diskutieren meine Kollegen Rieke Havertz und Klaus Brinkbäumer über das TV-Duell zwischen J. D. Vance und Tim Walz. In dieser Folge von Was jetzt? beantwortet meine Kollegin Johanna Roth Ihre Fragen zur US-Wahl. Und in dieser Folge unseres Sprachenpodcasts English, please! empfehlen die Kollegen unter anderem ein Buch über eine spannende US-Präsidentschaftskampagne.

Das Bild der Woche

Meine Kollegin Tina Ahrens ist die Chefin der Bilder von ZEIT ONLINE. An dieser Stelle schreibt sie jede Woche über ein Foto, das sie besonders bewegt hat.

© Doug Mills/NYTimes/laif

"Donald Trump besuchte am Samstag das Football-Spiel zwischen Georgia und Alabama im Bryant-Denny Stadium in Tuscaloosa. Trotz zweier Attentatsversuche auf ihn mischte er sich unter die 100.000 Zuschauer und zeigte sich sichtlich gut gelaunt. Zusammen mit dem Musiker Kid Rock (im Hintergrund zu sehen) und seinem Social-Media-Team warf er Popcorn und Hähnchenfilets in die Menge. Der Sicherheitsmann im Vordergrund des Bildes von Doug Mills wirkt hingegen wenig begeistert. Nach der Wurfaktion zog sich Trump in eine verglaste VIP-Loge zurück und verließ das Stadion nach der Halbzeit. Der Auftritt wirkte angesichts des Sicherheitsrisikos bizarr und lässt die Frage offen, ob Trump schlicht furchtlos ist oder ob ihm ein guter Fototermin das Risiko wert war."

Und sonst so?

Was müssen Sie diese Woche sonst noch gesehen, gelesen, angeschaut haben? Diesmal stellt ZEIT-Redakteurin Katharina Meyer zu Eppendorf ihren Fund vor.

"Nicht nur Taylor Swift, auch Barbara Streisand, Lizzo oder Stevie Wonder haben in den vergangenen Wochen und Monaten ihre Unterstützung für die Demokraten beziehungsweise explizit Kamala Harris publik gemacht. Eine (fast) alphabetische Liste aller Stars hat das Onlinemagazin Billboard hier nun veröffentlicht – samt eingebundener Posts aus Instagram, TikTok und X, die zum Beispiel Lil John auf dem Parteitag der Demokraten oder Stevie Nicks mit einem sehr süßen Hund zeigen." 

Das war die zwölfte Spezialausgabe unseres Was-jetzt?-Newsletters zur US-Wahl 2024. Sie erscheint jeden Freitag zusätzlich zum Morgenüberblick und wird geschrieben von Amrai Coen, Marcus Gatzke, Rieke Havertz, Carsten Luther, Johanna Roth, Anna Sauerbrey und Fiona Weber-Steinhaus. Die Vorrecherche und nächtliche Produktion hat Katharina Meyer zu Eppendorf in Hamburg übernommen. 

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