Liebe Leserin, lieber Leser,
alles, was Politiker in Wahlkampfzeiten versprechen, muss bezahlt werden – entweder durch höhere Steuern oder durch höhere Schulden. Wenn Sie sich also nach der Gegenfinanzierung der geplanten CDU-Steuersenkungen oder der Kernpunkte des SPD-Wahlprogramms fragen, werden Sie vielleicht an diese Aussage denken. Sie stammt von Maggie Thatcher, aus dem Jahr 1992, als sie schon nicht mehr Premierministerin war. Das erklärt vielleicht die Ehrlichkeit. In Deutschland gab es mal den Versuch, schon im Wahlkampf ehrlich zu sein – und nicht erst danach: Die Union zog vor knapp 20 Jahren mit zwei Prozent Mehrwertsteuererhöhung in die Schlacht. Es hätte sie fast um den Sieg gebracht. Denn die SPD schloss die Mehrbelastung vehement aus und punktete mit: „Merkelsteuer, das wird teuer!“ Was dann geschah, Sie erinnern sich, war ein mathematisches Wunder (2 + 0 = 3): Gemeinsam erhöhten Union und SPD die Umsatzsteuer, wie sie korrekt heißt, sogar um drei Prozent, von 16 auf 19 Prozent. Für Lebensmittel blieb der ermäßigte Satz von 7 Prozent. Genau den will Olaf Scholz nun auf 5 Prozent senken. Denn, richtig, es ist Wahlkampf. Michael Hüther, Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, wagte vor kurzem eine ganz andere Prognose. Beim Politischen Forum Ruhr in Essen sagte er: „Mein Tipp ist, dass die neue Regierung die Mehrwertsteuer um drei Prozent erhöhen wird.“ Doch der Bundeskanzler, wenn er nicht wie heute mit der Vertrauensfrage beschäftigt ist (hier können Sie alle Entwicklungen live verfolgen), verspricht lieber Wohltaten. Denn weder er noch die SPD geben öffentlich zu, dass ausufernde Sozialausgaben und abstürzende Wirtschaftsleistung ein Widerspruch sind. |