Der Volkspräsident
Liebe Frau Do, Nordrhein-Westfalen ist die Bundesrepublik im Kleinen. Hier kann man die guten Seiten Deutschlands erleben, die wirtschaftliche und kulturelle Vielfalt, die Innovationskraft, die Lebensfreude. Aber auch die Schattenseiten: Langzeitarbeitslosigkeit, Defizite bei der Integration und Parallelgesellschaften, die Verlierer des Strukturwandels. Als vorletzte Station
szmtag

13. März 2018

Liebe Frau Do,

Nordrhein-Westfalen ist die Bundesrepublik im Kleinen. Hier kann man die guten Seiten Deutschlands erleben, die wirtschaftliche und kulturelle Vielfalt, die Innovationskraft, die Lebensfreude. Aber auch die Schattenseiten: Langzeitarbeitslosigkeit, Defizite bei der Integration und Parallelgesellschaften, die Verlierer des Strukturwandels. Als vorletzte Station seiner Reise durch alle 16 Bundesländer besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gestern Nordrhein-Westfalen, sein Heimatland. Der gebürtige Detmolder hatte die Reise so anlegen lassen, dass er nicht nur die üblichen Schönwetter-Termine macht, sondern auch die Orte besucht, die man gemeinhin als Brennpunkte bezeichnet. Zum Auftakt gestern zeigte sich der Präsident zunächst volksnah, diskutierte mit den Düsseldorfern vor dem Landtag, trug sich ins Goldene Buch der Stadt Düsseldorf ein und besuchte am Abend mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet die Ideenschmiede RWTH Aachen. Zwischendurch fand das Staatsoberhaupt Zeit, bei der Rheinischen Post mit jungen Journalisten und Auszubildenden über die Zukunft der Medien und der Demokratie zu diskutieren. Ein anregender Austausch. Steinmeier zeigte sich als Botschafter des bürgerschaftlichen Engagements. „Für viele ist Demokratie zu sehr zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Viele spüren nicht, dass man sich für Demokratie engagieren muss”, mahnte er. „Wir brauchen viele Demokraten vor Ort.” Er unterstrich die Bedeutung eines gewissenhaften Journalismus in Zeiten von „Fake news“ und mahnte die politische Elite, die Alltagsthemen der Bürger ernst zu nehmen. Steinmeier versteht Populismus nicht als Schimpfwort. Die neue Bundesregierung täte gut daran, „sich genaue Kenntnis darüber zu verschaffen, ob die Themen in den politischen Programmen identisch sind mit dem, was die Bevölkerung tatsächlich interessiert, wo sie Lösungen erwartet“,  so der Bundespräsident. Einen Scherz über seine ungewollt aktive Rolle bei der Regierungsbildung konnte sich Steinmeier nicht verkneifen. Sein Vorgänger Joachim Gauck habe ihm eigentlich „ruhigere Zeiten“ versprochen, so Steinmeier. „Das war wohl nichts.“ Erfrischend engagiert und mit klarem inhaltlichen Kompass versehen, mischte sich die „First Lady“, Elke Büdenbender, in die Diskussion ein. Sie wolle die Bildungsgerechtigkeit zu ihrem Thema machen, sagte die Richterin, die nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau über den zweiten Bildungsweg ihr Abitur erlangte. Deutliche Worte fand sie auch zum Thema Kopftuch in öffentlichen Gebäuden wie Gericht und Schule („Ich lehne das ab“) und zur Flüchtlingspolitik („Die staatlichen Stellen waren überfordert“).

Im öffentlichen Dienst des Landes werden Überstunden künftig auf die lange Bank geschoben. Auf die rund 330.000 Landesbeschäftigten kommt eine neue Dienstrechtsreform zu, die unter anderem die „Einführung von Lebensarbeitszeitkonten“ vorsieht. Wie das gehen soll und warum die Polizei besonders betroffen ist, erklärt Thomas Reisener.

Herzlichst,

Ihr

Michael Bröcker

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