mein Olympia-Fazit. Das war es nun also. Ein spektakuläres Fest zum Abschluss der Olympischen Spiele. Noch eines. Ein Fest am Ende eines 14 Tage währenden Festes, einer Dauerparty. Die Franzosen feierten sich selbst dabei, und das nicht nur ein bisschen. Was Frankreich geschaffen hat, ist einzigartig. Es wird bleiben. Die einzigartigen Bilder, der nächtlich funkelnde Eiffelturm, der „Feuerballon”, das Schloss von Versailles und vieles mehr. Vor allem aber wird die Freude im Gedächtnis bleiben. Die Euphorie eines ganzen Volkes, Gastgeber sein zu dürfen.
Die „Volunteers”, die tausenden freiwilligen Helferinnen und Helfer, die uns morgens mit einem freundlichen Bonjour am Sicherheitscheck begrüßten. DJs in den Stadien – Spitzensportler und Party, das war besonders. Franzosen feiern.
Als in einer Pause während der Dressur Joe Dassins „Oh, Champs Élysée“ erklang und zehntausend Stimmen den Refrain aufnahmen, war das ein nie zuvor erlebter Moment. Was bleibt in Erinnerung von den Reitwettbewerben? Was darf man nicht vergessen bei aller Euphorie? Die Parcoursbauer, Pierre LeGoupil, der den wunderschönen Kurs erdacht und verwirklicht hatte, über den die Buschreiter getragen von 42.000 Menschen an der Strecke galoppierten, und Santiago Varela und Grégory Bodo die für die kongenialen Parcours verantwortlich zeichneten, waren schnell Olympiasieger der Herzen.
Dass Olympia anders ist als die austauschbaren Millionenevents jedes Wochenende zeigten die Springreiter, die wie Philipp Weishaupt und Steve Guerdat Nerven zeigten. Guerdats Ratschlag vor der Medaillenzeremonie im vollbesetzten Stadium an Olympiasieger Christian Kukuk – „Genieße es!” – eine Geste von Sportlichkeit. Das Kürfinale, die vier deutschen Goldmedaillen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Deutschland immerhin noch Platz zehn in der Nationenwertung einnehmen konnte, die Springen…, all das kann nicht drüber hinwegtäuschen, dass der Reitsport aufwachen muss.
Den schmerzhaftesten „Hallo wach!”-Moment verdankt die Reiterei Olympiasiegerin Charlotte Dujardin. Das Video, das sie prügelnd zeigt, darf nicht vergessen werden. Natürlich kam es geschickt platziert zur Unzeit, das ändert aber nichts an seinem Inhalt.
Der Weltreiterverband (FEI) flutet derzeit die Sozialen Medien mit schönen Bildern aus Paris. Die Kommentare darunter wenden sich zumeist gegen unseren Sport. Vielleicht sollte man das in seiner Strategie berücksichtigen? Zeitlupen und Slogans reichen nicht aus. Ehrlichkeit und genaues Hinsehen vor Ort wären möglicherweise die klügere Variante. Es soll unschönes Abreiten gegeben haben – gesehen habe ich es nicht, aber das heißt nicht, dass es nicht so gewesen sein kann. Ich saß auf den Presseplätzen, 118 Stufen höher als die Richter. Wieder berichten Fotografen von blauen Zungen bei Dressurpferden. Alles Photoshop? Im Moment nach der Prüfung? Über Mäuler und Maultätigkeit wird in der Dressur zu reden sein. Über Schwebetrab, Piaffen und Passagen, die wichtiger als alles anderen Lektionen erscheinen auch. Wie sie „erarbeitet” werden zeigt das Video aus der Reithalle von Andreas Helgstrand: die Dänin Carina Cassø Krüth, immerhin amtierende Mannschaftsweltmeisterin, die mit langem Arm mit der Gerte auf ihre hübsche Rappstute Heilines Danciera einschlägt – um so wohl die Piaffe zu verbessern.
Ich möchte nicht mehr jemanden unaufgefordert sagen hören müssen, bei Helgstrand sei alles in Ordnung. Wenn das in Ordnung ist, dann lässt das tief blicken, wie „in Ordnung” offenkundig zu definieren ist im internationalen Dressursport. Solange dort eingekauft wird, geht es wohl alles weiter wie immer. Die Frage ist, wie lange sich der Reitsport das noch meint erlauben zu können?
Diejenigen, die dem Pferdesport nicht wohlgesonnen sind und denen, die ihn lieben, aber nur, wenn Spitzenleistungen auf dem fairen Umgang mit der Kreatur Pferd basieren, wird schlecht bei diesen Bildern, die von der Spitze der Weltrangliste zu verantworten sind. Auch im Springsport könnten Zeitbomben ticken. Die Zeit des schnellen Vergessens sollten wir schnellstmöglich vergessen!
Abschließend noch ein Wort zum Springreglement: Das muss wieder dahin kommen, dass zwei Umläufe über die Mannschaftsmedaillen entscheiden. Der Zeitplan, ein Argument, gäbe das problemlos her. Nicht weil die Deutschen gewonnen hätten, wären das erste und das zweite Springen zusammen gewertet worden. Sondern weil es eben unser Sport ist, dass Nationenpreise, dass Welt- und Europameisterschaften in zwei Umläufen entschieden werden. Ich möchte den Aufschrei hören, wenn olympisch nicht mehr 100, sondern 85 Meter gesprintet würden…