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5 nach 12 - Nachrichten aus dem Newsroom der WELT
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
Clemens Wergin - Chefkorrespondent Außenpolitik
Clemens Wergin
Chefkorrespondent Außenpolitik
 
es ist zu früh, um zu wissen, wer der nächste amerikanische Präsident sein wird. Wegen des hohen Anteils an Frühwählern in entscheidenden Bundesstaaten, deren Stimmen noch nicht ausgezählt sind, kann es Tage dauern bis feststeht, ob Joe Biden oder Donald Trump eine Mehrheit der Wahlmännerstimmen gewonnen hat. Dennoch gibt es schon jetzt einige klare Erkenntnisse.

Erstens: Ein Erdrutschsieg von Joe Biden ist ausgeblieben, die Amerikaner haben dem Trumpismus also nicht, wie viele gehofft hatten, eine kraftvolle Absage erteilt.

Zweitens: Dann hat Trump in der Wahlnacht abermals gezeigt, dass er ein Demagoge ist, der seine eigenen Interessen über die des Landes stellt. Er hat sich zum Sieger erklärt, obwohl die Wahl noch nicht entschieden ist. Und so zu tun, als würde die anhaltende Auszählung aller abgegebenen Stimmen einen Wahlbetrug darstellen, wie Trump es vor den Kameras getan hat, oder dass Demokraten seinen angeblichen Wahlsieg stehlen wollen, ist einmalig in der amerikanischen Geschichte. Es offenbart abermals die autokratischen Tendenzen Trumps und seine Missachtung demokratischer Prozesse. Damit bereitet er den Boden für mögliche Gewaltausbrüche seiner Anhänger, falls Biden die Wahl gewinnen sollte.

Dabei hat Trump, selbst wenn er verlieren sollte, erstaunliches erreicht. Er hat erneut die Umfrageinstitute widerlegt und deutlich besser abgeschnitten, als diese vorausgesagt hatten. Es ist ihm auch gelungen, noch mehr Wähler zu mobilisieren als 2016, was die Annahme widerlegt, dass eine hohe Wahlbeteiligung stets in die Hände der Demokraten spielt. Der Präsident hat es auch geschafft, zumindest eine Hälfte des Landes davon zu überzeugen, dass die Corona-Pandemie kein so großes Problem ist und er der richtige Mann ist, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Zudem hat Trump deutlich zugelegt bei hispanischen Wählern, was zeigt, dass nicht alle Minderheiten so eindeutig im demokratischen Lager stehen wie die Linke suggeriert.

Trump hat all das geschafft, obwohl das Land sich weiter in einer medizinischen und wirtschaftlichen Krise befindet. Dass er trotz Pandemie weiter große Massenveranstaltungen abgehalten hat, während Joe Biden sich zurückhielt, hat sich offenbar ausgezahlt. Trump hat sich jedenfalls abermals als starker Wahlkämpfer gezeigt, der im Endspurt noch etwas reißen kann.

Das wäre eigentlich ein guter Grund für Trump, stolz zu sein. Seine absurden Äußerungen über einen angeblichen Wahlbetrug werfen aber einen dunklen Schatten auf das erstaunliche Comeback des Präsidenten.

Was Sie sonst noch über die US-Wahl und den Tag wissen sollten, das berichtet für Sie jetzt aus dem WELT-Newsroom meine Kollegin Judith Mischke.
DIE US-WAHL 2020
Wer macht das Rennen – Joe Biden (li.) oder Donald Trump (re.) ?
Quelle: Angela Weiss and SAUL LOEB / AFP
Gegen 2:20 Uhr Ortszeit trat US-Präsident Donald Trump vor seine Unterstützer im Weißen Haus und lieferte eine geschichtsträchtige Rede: Die Verzögerung der Stimmenauszählung des Wahlergebnisses sei „massiver Betrug“ – an ihm und dem amerikanischen Volk. Es folgte eine Kampfansage, die Trump bereits in der vergangenen Woche angedeutet hatte: Er würde vor den Supreme Court ziehen, den Obersten Gerichtshof des Landes, um die weitere Auszählung der Briefwahlstimmen zu stoppen. „Wir wollen nicht, dass sie um vier Uhr morgens noch Stimmzettel finden und sie zur Liste hinzufügen“, so der Präsident – wohl wissend, dass weitere Stimmen auch seinem Kontrahenten Joe Biden helfen könnten. Sechs der neun Richter-Sitze am Supreme Court sind von Trumps Republikanern besetzt, weswegen sich der Präsident dort unter Unterstützern wähnt, obwohl die Richter eigentlich unabhängig entscheiden müssen.

Der US-Präsident, plötzlich wieder ganz in Feierlaune, sah sich klar als Sieger: „Wir waren bereit, diese Wahl zu gewinnen. Ganz ehrlich: Wir haben diese Wahl jetzt gewonnen.“ Er beanspruchte Siege in den umkämpften Bundesstaaten Georgia, North Carolina, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin für sich ­– obwohl die Ergebnisse dort noch offen sind, ebenso wie der Ausgang der Wahl. Denn rechtlich hat Trumps Siegeserklärung keine Bewandtnis, solange nicht die letzten Stimmen ausgezählt sind.

Die Kritik von Joe Biden und seinen Leuten ließ nicht lange auf sich warten: Trumps Aussagen seien „skandalös“. Bidens Wahlkampfsprecherin nannte die Aussagen des Präsidenten „ungeheuerlich, beispiellos und falsch“. Sollte Trump vor Gericht ziehen, würden sich Biden und sein Team eigene juristische Mittel vorbehalten. „Wir werden gewinnen. Ich bin optimistisch. Bleibt zuversichtlich“, sagte Biden vor seinen Anhängern in Wilmington, Delaware. Anders als Trump rief er zur Geduld auf. Es könne womöglich noch dauern, bis ein Ergebnis im Rennen zwischen ihm und Amtsinhaber Trump feststehen werde: „Es ist nicht vorbei, bevor nicht jede Stimme gezählt wurde.“
DIE ENTSCHEIDENDEN US-STAATEN
Die Ergebnisse der Wahl soweit (Stand 11:50)
Quelle: WELT
In diesen Stunden zeigt sich, wie Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner gewählt haben: Doch wer der nächste US-Präsident wird, entscheidet sich am Ende in wenigen US-Bundesstaaten, den Swing States (in grau) – und mit den sogenannten Wahlleuten dort.

Besonders knapp ist es in den entscheidenden Swing States Pennsylvania (PA), Michigan (MI) und Wisconsin (WI). Noch ist die Auszählung dort nicht abgeschlossen. Sowohl Trump als auch Biden könnten noch den Sieg holen: Biden, indem er Wisconsin, Michigan und Pennsylvania erobert. Gelingt ihm das nicht in Pennsylvania, würden auch Siege in Arizona (AZ) und North Carolina (NC) reichen.
Trump müsste nur noch Pennsylvania gewinnen. Dann wären Niederlagen in Wisconsin und Michigan nicht relevant, denn den Swing State Ohio konnte Trump schon für sich entscheiden, ebenso wie Florida.
 
WAS SONST NOCH SCHLAGZEILEN MACHT
Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit in Österreich
Quelle: Roland Schlager/APA/dpa
Attentäter von Wien soll Einzeltäter gewesen sein
Nach dem Terroranschlag in Wien hat die Analyse zahlreicher Handyvideos vom Tatort bisher keinen Hinweis auf Komplizen ergeben. „Es verdichten sich die Informationen ganz erheblich, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Dennoch haben wir im öffentlichen Raum enorme Sicherheitsmaßnahmen ergriffen“, sagte der Chef der höchsten Polizeibehörde Österreichs, Franz Ruf (im Foto), dem Sender ORF. Der 20-jährige Attentäter soll im Sommer versucht haben, in der Slowakei Munition zu kaufen, wie die slowakische Polizei auf Facebook bestätigte. Demnach sei der Täter aber gescheitert, da er keinen Waffenschein hatte. Die slowakische Polizei hätte daraufhin die österreichischen Behörden benachrichtigt.
 
Corona: Mehr als 17.000 Neuinfektionen 
Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) 17.214 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Am Mittwoch vor einer Woche hatte die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen bei 14.964 gelegen – beinahe doppelt so viele wie am Mittwoch der Woche davor. In den USA verzeichnen die Gesundheitsbehörden mindestens 92.500 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Damit steigt die Zahl der bestätigten Ansteckungen dort auf rund 9,42 Millionen.
 
Überbrückungsgeld kommt kaum bei Unternehmen an
Von den rund 25 Milliarden Euro an staatlichen Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen sind bisher weniger als eine Milliarde Euro geflossen: Bis Mitte Oktober wurden 954 Millionen Euro ausgezahlt. Das berichtet die Augsburger Allgemeine unter Berufung auf eine Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Insgesamt wurden demnach 92.861 Anträge von den gestellten 128.714 bewilligt. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte den geringen Mittelabfluss und führte ihn auf Hürden bei der Antragstellung zurück. „Das verstärkt den vorherrschenden Eindruck: Bei den Großen kommt der Bundesadler, bei den Kleinen der Pleitegeier", so Theurer.
 
Extremismus: Frankreich verbietet „Graue Wölfe"
Frankreich will heute die rechtsextreme Organisation „Graue Wölfe" verbieten, wie Innenminister Gérald Darmanin bestätigte. Grund dafür seien mehrere Übergriffe von extremistischen Türken auf Franzosen mit armenischen Wurzeln. Frankreich werde keinen „Stellvertreterkrieg" auf französischem Boden zulassen, so der Minister – auch in Anlehnung an den Konflikt im Kaukasus. Erst Ende Oktober waren mehr als 80 extremistische Türken mit „Allahu Akbar“-Rufen durch die Innenstadt Dijons gezogen, schwenkten türkische Fahnen und die des Osmanischen Reiches und skandierten Todesdrohungen gegen Armenier. Der deutsche Verfassungsschutz stuft die Grauen Wölfe als rechtsextremistische Ausländerorganisation ein. „Ihrer Ideologie liegt ein übersteigertes Nationalbewusstsein zugrunde“, heißt es auf der Webseite des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
 
WAS HEUTE NOCH WICHTIG WIRD
USA, USA, USA.
Ich wünsche Ihnen einen eindeutig schönen Tag.

Clemens Wergin
Chefkorrespondent Außenpolitik
 
MEINE WELTPLUS-EMPFEHLUNGEN FÜR SIE
NACH WIEN-ANSCHLAG
KURZ WILL KAMPF GEGEN POLITISCHEN ISLAM
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz erwartet „ein Ende der falsch verstandenen Toleranz in allen Ländern Europas.“
Zum Interview
 
BELEHRUNGEN AUS DER POLITIK
„WAS ERLAUBEN, HERR SCHÄUBLE?"
WELT-Autor Henryk M. Broder findet, dass sich der Präsident des Bundestages manchmal mehr erlaubt, als ihm zustünde.
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ÖFFENTLICH-RECHTLICHE SENDER
WAS DER NACHWUCHS ÜBER DIE ARD AUSSAGT
92 Prozent des journalistischen ARD-Nachwuchses, also Volontärinnen und Volontäre, würden rot-rot-grün wählen. Zufall oder Kalkül?
Zum Kommentar