Liebe Leserin, lieber Leser,
von Paris aus sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) das, was sie oft sagt, nach heimtückischen Attacken auf nichtsahnende Menschen, wie gestern in München: „Dass wir uns nicht spalten lassen, weder von Rechtsextremisten noch von Islamisten. Dass wir in unserem Land als Demokraten zusammenstehen.“ Zyniker würden sagen, dass das keine so gute Idee ist, denn „Zusammenstehen“ birgt heutzutage ja leider die Gefahr, dabei von einem psychisch auffälligen Ausreisepflichtigen, einem islamistischen Terroristen oder neuerdings auch von einem Islam-Hasser überfahren oder mit einem Messer attackiert zu werden. Die Frau, die gestern Abend bei „ZDF Klartext“ die erste Frage an Bundeskanzler Scholz richtete, war keine Zynikerin. Sie stammt aus Solingen, wo ein junger Syrer vergangenen August drei Menschen ermordete. „Man kann die Städte ja gar nicht mehr alle aufzählen”, sagte sie und sprach von der Angst um ihre Enkelkinder. Den Kanzler fragte sie: „Wenn Sie nicht massiv etwas ändern, tragen Sie dann nicht eine moralische Mitschuld an jeder einzelnen Tat, die da stattgefunden hat?” Olaf Scholz mühte sich etwas mit der Klartext-Antwort. Meine lautet: Nein. Bei aller Wut, Trauer und Kritik: Der Bundeskanzler trägt keine Mitschuld an Morden – weder moralisch noch sonst – ebenso wenig wie seine Vorgängerin und sein Nachfolger es tun. Brokstedt, Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg, München – die Schuld für diese Taten liegt bei den Tätern. Was nichts daran ändert, dass verantwortliche Politik die Rechtslage und Handlungsfähigkeit dieses Landes darauf ausrichten muss, die Bedrohung von innen auf ein Minimum zu reduzieren. Daran arbeiten Bundesregierungen seit Anis Amris Bluttat an der Berliner Gedächtniskirche 2016. |