Liebe Frau Do, kann es, wenn es schlecht läuft, wieder zu einem harten Lockdown kommen? NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann versucht, diese Angst zu zerstreuen. „Heute würde Politik einen Lockdown nicht noch einmal so machen wie im März. Man würde es differenzierter umsetzen“, sagte er bei Maybrit Illner. Aber ob so wie im März oder „differenzierter“, ein Rückschlag wäre es in jedem Fall. Der Präsident der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, warnt vor den Folgen eines zweiten Lockdowns. „Wenn es dazu käme, dass Schulen und Kitas wieder schließen würden und Eltern nicht mehr arbeiten könnten, würden das einige Branchen wahrscheinlich nicht überstehen“, sagt Scheele in einem Interview, das Birgit Marschall geführt hat. „Ein zweiter flächendeckender Lockdown wäre furchtbar.“ Furchtbar, auch im Wortsinne, also zum Fürchten, sind viele der Nachrichten gewesen, die seit Beginn der Pandemie die Debatte bestimmen. Am 24. Februar fing in NRW alles an, als ein Ehepaar aus dem Kreis Heinsberg positiv auf Corona getestet wurde. Fünf Tage später habe ich – nachdem zwei unserer Reporter, die in Heinsberg gewesen waren, Grippesymptome aufwiesen – den größten Teil der Redaktion ins Homeoffice geschickt. Die Tests waren negativ, Glück gehabt. Aber seitdem beschäftigt uns die Pandemie mehr als jedes andere Thema. Mit „uns“ meine ich die Redaktion, aber auch Sie, also unsere Leserinnen und Leser. Die Artikel auf rp-online und in der Rheinischen Post, die Podcasts und täglichen „Total lokal“-Newsletter haben eine ungeahnte Resonanz erzielt. Und auch hier, in der „Stimme des Westens“, ist Corona und alles, was damit zusammenhängt, allgegenwärtig. Zeit für eine Bilanz dieses dramatischen halben Jahres. „Wo wir stehen“ ist der Artikel von Martin Bewerunge überschrieben, in dem er eine Einordnung versucht. Innezuhalten und mit etwas Distanz auf die Dinge zu schauen, ist immer eine gute Idee. Wenn Sie die Corona-Bilanz lieber anhand von Daten, Zahlen, Fakten ziehen wollen, empfehle ich Ihnen das vorzügliche Dossier von Clemens Boisserée. Es gibt nur ein einziges Zitat von Mao, das mir gefällt, und es lautet so: „Zahlen im Kopf haben. Das heißt, man muss die quantitative Seite einer Situation und eines Problems beachten“, heißt es in dem kleinen roten Büchlein des chinesischen Revolutionsführers und Diktators. „Jede Qualität drückt sich in einer bestimmten Quantität aus, ohne Quantität gibt es keine Qualität.“ Der Satz beschäftigt mich seit Jahren, er hat sich für mich komplett von seinem Urheber abgelöst und drückt eine tiefe politische Wahrheit aus. Und diese Wahrheit gilt auch für alle, die CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidaten werden wollen. Einen von ihnen treffe ich am Montag: Friedrich Merz, mit dem ich bei unserem traditionellen Ständehaus-Treff auf der Bühne ins Gespräch kommen darf. Wegen Corona findet die Veranstaltung erstmals nicht im Ständehaus, sondern in der Düsseldorfer Arena statt. Unsere stellvertretende Chefredakteurin Eva Quadbeck beschreibt als Einstimmung, wo der frühere CDU/CSU-Fraktionschef im Rennen um den CDU-Vorsitz steht. Ich habe mit ihm telefoniert und freue mich auf einen spannenden Abend – er will einige ernste Anliegen loswerden. Eines ist klar: Mit dem Mao-Spruch, man müsse die quantitative Seite einer Situation beachten, hat der Finanzexperte Friedrich Merz ganz sicher kein Problem. Ich werde Ihnen am Morgen danach von der Veranstaltung berichten. Revolutionen laufen heute anders als bei Maos langem Marsch. In Belarus führen Frauen den Freiheitskampf gegen Diktator Alexander Lukaschenko an, es ist eine friedliche Auflehnung, die das Land rasend schnell zu verändern scheint. Unser Moskau-Korrespondent Ulrich Krökel beschreibt in seiner Analyse das weibliche Gesicht der Revolution. Keine Revolution, aber eine Evolution findet in der Welt des Profisports statt: Der oben schon einmal erwähnte Clemens Boisserée hat sich mit bedrohten und in Vergessenheit geratenen Spielertypen beschäftigt. So ist zum Beispiel beim Fußball der Libero seit vielen Jahren nicht mehr zeitgemäß. Die quantitative und die qualitative Seite einer Situation: Darum geht es auch in dem Leitartikel von Horst Thoren. Unser stellvertretender Chefredakteur zählt die Eckkneipe zur lokalen Infrastruktur, die auch in Corona-Zeiten unbedingt erhalten werden muss, weil sie das Heimatbewusstsein der Menschen stärkt. So, damit haben Sie hoffentlich genug spannenden Lesestoff für heute, auch falls es regnet. Ich wünsche Ihnen ein qualitativ großartiges Wochenende. Wie viel Quantität Sie dafür in der lokalen Infrastruktur bestellen, müssen Sie wissen. Bis Montag! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |