Liebe Leserin, Lieber Leser,
woher kommt unsere latente deutsche Empörungsbereitschaft? Angesichts der neuen Strafzölle von Donald Trump mag es zwar ein schlechter Zeitpunkt sein für eine derartige Frage. Denn über den US-Präsidenten lässt sich ja gerade wieder wunderbar schimpfen. Aber genau deshalb sollte man vielleicht mal die Ursprünge diskutieren.
Wenn ich die hiesige Berichterstattung seit der US-Wahl richtig deute, ist Trump die Reinkarnation von Dschingis Khan, Hitler und Darth Vader in Personalunion. Mindestens. Dass die Amerikaner trotzdem nicht die vorab heiliggesprochene Gegenkandidatin Kamala Harris gewählt haben, sondern einen bösen, alten Frauenhasser, wollte hier niemand wirklich verstehen. Viel leichter war es, ihn als Unfall der Weltgeschichte abzubuchen.
Haben Sie gesehen, wie bei Trumps „Tag der Befreiung“ am Mittwoch ein Vertreter der mächtigen US-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) die Zölle lobte. Ich hätte darüber gern mehr erfahren. Aber was in Deutschland nicht ins eigene Weltbild passt, wird passend gemacht oder verschwiegen. Perspektivwechsel gelten als degoutant. Haltung ist wichtig. Auch wenn’s mal schiefgeht. Das zeigt sich an diversen Flops, an deren Folgen die Bundesrepublik schon länger laboriert.
Ich war in meiner Jugend auch links. Das ist völlig okay. Aber dann wird man ja älter und etwas pragmatischer. In der Flüchtlingskrise 2015 fiel mir zum Beispiel auf, wie wir Medien uns aufgeopfert haben, eine neue „Willkommenskultur“ zu feiern, während bei anderen Leuten längst die Frage keimte: Wer kommt da eigentlich?
Damals fing das an, dass man schon für solche Skepsis von links den Rassismus-Stempel aufgedrückt bekam. Menschen vergessen aber nicht, wenn Politik sie ausgrenzt oder für dumm verkauft. Blöderweise hatten auch bei Corona die Skeptiker in manchem recht, was ein eher rot-grünes Großstadtpublikum heute als persönliche Kränkung empfindet. Aber erst aus der narzisstischen Unfähigkeit heraus, eigene Irrtümer einzuräumen, erwuchs jene Spaltung, die sich nach der Pandemie noch verschärfte. Unversöhnliche Besserwisserei ist seither durchaus beiden Seiten eigen. |