Liebe Leserinnen und Leser,
 

wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Klopapier einmal zu einer Art gesamtdeutschem Nervositätsindikator werden könnte? Jetzt wird also in Erwartung eines zweiten Corona-Lockdowns wieder ein im Wortsinn Low-Tech-Produkt gehortet, das den Bürgern dieses Landes unter normalen Umständen am Allerwertesten vorbeigeht. Ich weiß nicht, was Sigmund Freud von derlei Hamsterkäufen gehalten, wie er sie mit Blick auf die Volksseele gedeutet hätte. Aber wenn’s eng werden könnte, denken die Deutschen offenbar zuerst an Hygieneartikel. Wir nehmen es zur Kenntnis und dürfen an dieser Stelle eine investigative Recherche aus der heutigen Bild-Zeitung teilen. Die hat nämlich beim (für die Klopapier-Bevorratung zuständigen?) Bundesverkehrsminister nachgefragt, ob es „im Laufe der Pandemie immer genug Toilettenrollen geben“ werde. Andreas Scheuers Antwort: „Ja.“

Ein flammender Appell

Beruhigend zu wissen, dass dieses existentielle Problem in guten Händen ist, will sagen: bei der Bundesregierung. Ob allerdings die Corona-Maßnahmen in ihrer gesamten Breite ebenfalls alleinige Sache der Exekutive sein sollten, daran werden zunehmend Zweifel laut. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post zum Beispiel schreibt heute bei uns einen flammenden Appell gegen die Entmachtung des Parlaments in Zeiten der Pandemie: Er lehne verlängerte Exekutivbefugnisse für den Bundesgesundheitsminister über den 31. März 2021 hinaus oder gar weitere Kompetenzen „entschieden“ ab, so Post. Denn „es kann nicht angehen, dass der Bundestag, überspitzt ausgedrückt, zwar zur Bewilligung von Geldern für die von der Bundesregierung bewilligten Corona-Maßnahmen zuständig ist, aber über die einschneidendsten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen im Nachkriegsdeutschland der Bundesgesundheitsminister durch Exekutiv-Verordnung entscheidet, ohne dass ein gewähltes Parlament auch nur einmal darüber abstimmt.“
 
Das sind deutliche Worte, die dem bayerischen Abgeordneten sicher nicht nur freundliches Schulterklopfen einbringen werden. Umso besser also, dass er diese Debatte trotzdem führt.
 

Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur

 
 
 
 
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