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Liebe/r Leser/in,

wie einst Harry Houdini, der vor einem Jahrhundert weltweit bekannte Entfesselungskünstler mit Shows im Berliner Wintergarten, hat Robert Habeck diese Woche versucht, sich der Strangulierung durch das politische Hochrisiko-Thema Atom zu entledigen. Gefesselt war der grüne Klima- und Wirtschaftsminister gleich mehrfach: Bürger, Wirtschaft und auch der Koalitionspartner FDP fordern angesichts von Energieknappheit und Strompreisexplosion vehement einen Weiterbetrieb der drei letzten deutschen Atomkraftwerke über den 31. Dezember hinaus.

Grüne und weite Teile der SPD wollen genau das nicht, weil sie nach der Lieferung von Waffen für den Krieg in der Ukraine und der Ausweitung der ungeliebten Kohlekraft nicht auch noch eine Renaissance der Kernkraft ertragen wollen. Mit der Formulierung, eine Weiternutzung der Atomkraft sei nach ihrer Überzeugung „Irrsinn“, hatte Außenministerin Annalena Baerbock ihrem Parteifreund Habeck noch vor dem Abschluss des zweiten Stresstests ein Stoppschild in den Boden gerammt, ihm Entscheidungsspielräume genommen.

Und so präsentierte Houdini-Habeck am Montag einen Kompromiss: Alle drei Kernkraftwerke gehen zum Jahresende vom Netz, zwei von ihnen bleiben aber über den Winter bis Mitte April 2023 als Reserve-Kraftwerke auf Stand-by. Der Grüne Habeck will auf diese Weise für seine Parteifreunde die friedliche Nutzung der Atomkraft beenden. Der Wirtschaftsminister Habeck will aber zugleich alle Vorwürfe entkräften, ihm sei die Versorgungssicherheit Deutschlands mit Strom in der größten Energiekrise seit Gründung der Bundesrepublik nicht so wichtig. Das dritte Kernkraftwerk liegt leider in Niedersachsen, wo am 9. Oktober gewählt wird und die Grünen mit dem Atomausstieg Wahlkampf machen. Da geht nicht einmal Reserve.

Doch anders als Houdini auf der Bühne misslang Habeck die Entfesselung, verhedderte er sich doch hoffnungslos in Widersprüchen. Wenn jede Kilowattstunde zählt, wie kann der Minister dann auf die Terawattstunden von drei AKW verzichten? Zwei der Kernkraftwerke startklar zu halten, ohne Strom zu produzieren, bedeutet im Klartext: Wir behalten die Kosten der Meiler, verzichten aber auf deren Energie. Abwegig auch die Idee, die Gaskunden für Putins Überfall auf die Ukraine und für die verkorkste Energiepolitik vergangener Jahrzehnte mittels einer Gasumlage bezahlen zu lassen; inklusive Mehrwertsteuer.

Nach dem missglückten Kompromiss-Vorschlag im Atomkraft-Streit am Montag hinterließ der Minister dann am Dienstag komplett den Eindruck heilloser Überforderung. Im ARD-Talk „Maischberger“ verblüffte er Moderatorin und Publikum, als er zunächst beteuerte, er rechne nicht mit einer Insolvenzwelle im Winter, aber dann hinzufügte: „Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren.“ Dann verhedderte er sich immer weiter, sprach über Blumen- und Bioläden oder Bäckereien, die unter der Kaufzurückhaltung der Kunden litten. Habecks kühne These: „Und dann sind die nicht insolvent, automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen.“

Wenn das kein durch Stress bedingter Blackout des Ministers war, hat Habeck wirklich den Überblick über seinen Job und jedes Gefühl für die vielen Mittelständler und ihre Mitarbeiter verloren, die mit nackter Existenzangst auf Herbst und Winter schauen. Und wie sollen die Mitarbeiter von Hakle und Görtz es verstehen, dass sie nicht mehr verkaufen können, aber nicht insolvent sind?

Offenkundig hat Habeck keine genaue Vorstellung davon, welche enorme Bedrohung die toxische Kombination aus massiv steigenden Energiepreisen, galoppierender Inflation und daraus resultierender Kaufzurückhaltung für die Wirtschaft der viertgrößten Industrienation der Welt darstellt. Sein Parteifreund Boris Palmer warnt vor einer „industriellen Kernschmelze“ in Deutschland.

Wer sich als Wirtschaftsminister vorstellen kann, dass ganze Branchen die Produktion einstellen müssen, und keine Strategie zur Sicherung des Indus­triestandortes Deutschland zur Hand hat, riskiert bewusst eine teilweise Deindus­trialisierung mit allen Folgen für Beschäftigung und Wohlstand. Mit diesem Wirtschaftsminister geht das Land planlos in eine kaum noch abzuwendende Rezession. Branchen wie Pharma und Chemie reduzieren bereits Produktionen, Preissteigerungen bei Papier bedrohen nicht nur die Presse, wie das Beispiel des Toilettenpapier-Herstellers Hakle zeigt.

Der Kanzler trägt öffentlich bislang sowohl die Gasumlage als auch den Vorschlag Habecks zur Laufzeit der Atomkraftwerke mit. Was soll er auch anderes machen, wenn er seinen Wirtschaftsminister im Amt und seine Ampelkoalition am Leben erhalten will.

Aber es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn er in Zukunft intern häufiger von seiner  Richtlinienkompetenz Gebrauch machen würde – gemäß seinem Amtseid „Schaden vom deutschen Volk zu wenden“.

mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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