Liebe/r Leser/in, kaum ist die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zurück auf der Wahlkampfbühne, droht ihrer Kampagne neues Ungemach. Ausgerechnet in der Hauptstadt Berlin hat ihre Parteifreundin, die bundesweit unbekannte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, erklärt, für einen Volksentscheid stimmen zu wollen, der zum Ziel hat, alle Immobilienfirmen zu enteignen, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin haben. Ja, Sie haben richtig gelesen: ausgerechnet in der Stadt, deren Ostteil 40 Jahre lang Hauptstadt der DDR war. Ich finde das nicht nur geschichtsvergessen, sondern auch jenseits aller Ideologie ökonomisch dumm: Da wir in einem Rechtsstaat leben, haben Immobilienfirmen, die der Staat enteignen will, Anspruch auf Entschädigung. Die fällt bei Wohnungen in der Hauptstadt – einem der begehrtesten Immobilienpflaster der Republik – entsprechend hoch aus. Das Land Berlin wäre also unter der neuen Grünen bereit, viele Milliarden für den Ankauf von Mietwohnungen auszugeben, um den Mietern, die heute in diesen Wohnungen leben, niedrige Mieten für die Zukunft zu garantieren. Bezahlen müssten diese Klientelpolitik alle Berliner über ihre Steuern. Die Alternative ist denkbar simpel und obendrein deutlich sozialer: neue Wohnungen bauen!
Bundespolitisch ist der Berliner Weg der Grünen höchst heikel. Die Partei hatte in den vergangenen Monaten vor allem deshalb einen so großen Zulauf, weil sich auch eher konservative Wähler vorstellen konnten, ihr Kreuz bei den Grünen zu machen. In der Hoffnung auf eine nachhaltige Klimapolitik, ganz sicher aber nicht im Streben nach Enteignung und Vergesellschaftung. Bis zur Wahl sind es noch 55 Tage. Genug Zeit für Annalena Baerbock zu erklären, ob sie Enteignungen ebenfalls für ein probates Mittel der Politik hält. Sollte das nicht der Fall sein, wäre jetzt höchste Zeit, den Parteifreunden in der Hauptstadt ins Lenkrad zu greifen. Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche! |