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Liebe/r Leser/in,

für die von Olaf Scholz am 27. Februar im Bundestag ausgerufene „Zeitenwende“ gab es eine gute, ja zwingende Be­gründung: den Überfall Putins auf die Ukraine. Und deshalb brauchte der Kanzler nur drei Tage, bis er den Bürgern und der ganzen Welt die dramatischen Konsequenzen erklärte – bis hin zur „Wiederbewaffnung“ der Bundeswehr mittels eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro sowie dem Versprechen, künftig jedes Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Truppe im Haushalt aufzuwenden.

Für die am vergangenen Dienstag vollzogene Panzerwende – also die reichlich späte Zusage, auch schwere Waffen an die Ukraine zu liefern – liegen die Dinge nicht so einfach. Denn bis vor wenigen Tagen hatte der Kanzler seine ablehnende Haltung zu Panzerlieferungen mit der Gefahr eines Atomkriegs begründet und seine Verantwortung dafür betont, dass Deutschland nicht Kriegspartei werden dürfe. Da stellt sich die Frage, ob der Kanzler – aus welchen Gründen auch immer – dieses Risiko jetzt doch einzugehen bereit ist oder ob dieses Risiko nur vorgeschoben war. Deshalb ist es nicht überraschend, dass Scholz die Panzerwende von seiner Verteidigungsministerin Christine Lam­brecht verkünden ließ und er selbst dazu schwieg.

Auch die Beratungen im Bundestag über das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr begannen am Mittwoch ohne einen Redebeitrag des Kanzlers. Für beides gibt es einen gewichtigen Grund, der aber den Nachteil hat, dass man ihn schlecht öffentlich benennen kann: die tiefe Spaltung der Kanzler­partei in Fragen von Krieg, Bewaffnung und Waffenlieferungen. Kein Geringerer als SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte bereits wenige Wochen nach der Zeitenwende-Rede von Scholz im Bundestag erklärt: „Die SPD ist nach wie vor der Auffassung, dass zur Kriegsverhinderung mehr gehört als immer größere Rüstungsausgaben. Und schon gar nicht gehört dazu, nachfolgenden Generationen vorzuschreiben, wie hoch diese Ausgaben zu sein haben.“ Am Dienstag kritisierte der Fraktionschef eine „massive militaristische Schlagseite“ der Debatte.

Dicker kann man die Fragezeichen hinter die Ankündigungen des eigenen Kanzlers zur Stärkung der Bundeswehr nicht malen! Scholz muss sich nun die Frage stellen, ob er diesen massiven Konflikt in der eigenen Partei – nicht zuletzt durch Schweigen und Zögern – überdecken will oder ob er ihn nicht doch auskämpfen muss. Für nicht wenige Genossen gilt, dass man Frieden nur mit weniger Waffen schaffen kann. Sie empfinden die Zeitenwende-Politik des eigenen Kanzlers als genauso falsch wie seinerzeit die Agenda-Politik Gerhard Schröders.

Diese Woche hätte sich aber für Scholz noch aus einem anderen Grund eine ausführliche Kommunikation mit dem Bürger angeboten. Am Mittwoch verkündete Wirtschaftsminister Robert Habeck die neue Inflationsprognose der Bundesregierung für 2022. Sie liegt mit 6,1 Prozent so hoch wie zuletzt vor vier Jahrzehnten. Die Wachstumsprognose musste ein weiteres Mal eingedampft werden – auf gerade noch 2,2 Prozent. Doch auch dazu hörten Parlamentarier und Bürger vom Kanzler – nichts!

Nun könnte man einwenden, dafür habe das Kabinett ja am selben Tag ein Entlastungspaket unter anderem mit einer Einmalzahlung von 300 Euro für alle Erwerbstätigen und einem deutlichen Tankpreis-Rabatt für drei Monate auf den Weg gebracht. Doch damit verteilt die Ampel Heftpflaster an Bürger und Wirtschaft, von einem systematischen Gegensteuern oder gar einer Therapie kann nicht die Rede sein.

Die neue Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann, erinnerte kürzlich daran, wie eine an­gemessene Reaktion auszusehen hätte: Finanzminister Christian Lindner müsste in erster Linie die Einkommensteuer an die dramatisch veränderte Geldentwertung anpassen, also deutlich senken.

Doch der Staat und auch Lindner verhielten sich „wie ein Gutsherr, der Almosen verteilt“. Da ist etwas dran, denn eine Senkung des Einkommensteuertarifs käme erheblich teurer als die jetzt beschlossene Einmalzahlung.

Doch die Bürger und vor allem die Leistungsträger haben nach meiner Überzeugung einen Anspruch darauf, dass der Staat, der jahrelang Rekordsteuereinnahmen verbuchte, sie steuerlich systematisch entlastet für die enorme Inflation. Es ist doch ein schlechter Witz, dass der aktuelle Einkommensteuertarif auf einer Inflationsprognose von 1,17 Prozent aus dem Jahr 2020 beruht. Gerade ein Finanzminister, der zugleich Vorsitzender der Steuersenkungspartei FDP ist, sollte aus innerer Überzeugung hier tätig werden. In der Vergangenheit sind Wolfgang Schäuble und auch ein gewisser Olaf Scholz so verfahren. Da hatten wir aber nur eine Mini-Inflation, deren Ausgleich den Finanzminister so gut wie nichts gekostet hat. Jetzt geht es um zweistellige Milliardenbeträge für Bürger und Wirtschaft. Ich finde: Steuergerechtigkeit darf keine Frage des Preises sein!

Was den Kanzler betrifft, so können wir nach knapp fünf Monaten ein erstes Scholz-Gesetz formulieren: Je größer und gefährlicher ein Problem ist, desto eiserner schweigt er.

mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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