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Liebe/r Leser/in,

gegen die Schönrednerei einer Regierung, die nicht wahrhaben will, wie tief das Land im Abstiegskampf steckt, hilft bisweilen der kühle Blick von außen. Den liefert der Ökonomieprofessor Axel Weber, ehemals Bundesbank-Präsident und danach als Oberbanker der UBS mit einigem Erfolg auf den globalen Finanzmärkten unterwegs. Die Mission in der Schweiz ist beendet, seine Dia­gnose für die Heimat, vorgetragen jüngst auf einer Jubelfeier des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch, ist erbarmungslos.

Das rot-grüne Illusionstheater zerstört unseren Wohlstand.
Was an Maßnahmen in der Energiepolitik beschlossen wird, mag zu den ideologischen Vorlieben der Ampelparteien passen, schimpft Weber: „Zur deutschen Wirtschaft passt es nicht.“ Wenn die Energie überall günstiger ist, hat das Konsequenzen: Die Produktion wandert ab. Die Politik der Ampelregierung sei unwürdig für ein Industrieland wie Deutschland, immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. „Die rot-grüne postindustrielle Illusion hat sich in der Regierung festgesetzt“, ätzt der ehemalige Notenbanker. „Wir brauchen ein Bekenntnis zum Industriestandort.“

Das deutsche Rentensystem ist ein Debakel mit Ansage, angefangen mit der Alterssicherung für Beamte.
Für die künftigen Pensionen der Staatsdiener hat die Politik nichts zurückgelegt, die Last treibt die Schulden absehbar in nie gekannte Höhen. Statt 60 Prozent, wie ursprünglich im Maastricht-Pakt vorgeschrieben, liegt Deutschland inklusive der Pensionsverpflichtungen bei einer „impliziten Staatsverschuldung von 350 Prozent des Bruttoinlandsprodukts“. Die nächste Generation wird bluten für das Versagen von heute.

Übermäßige Schulden sind eine Plage.
Statt in Deutschland über die Abschaffung der disziplinierenden Schuldenbremse zu diskutieren, sollten auch Länder wie Frankreich und Italien nachhaltig wirtschaften, fordert Weber, zumal die Nullzinszeiten vorbei sind. Der deutsche Haushalt wird mit 40 statt mit vier Milliarden Euro durch die Zinsen auf die Staatsschulden belastet. Für Länder mit schlechterer Bonität sieht es noch düsterer aus.

Europa und der Euro haben einen Preis.
Die Europäische Union wie die Eurozone dürfen nicht überdehnt werden, mahnt Weber: „Wir müssen erst mal die 27 Länder tiefer integrieren, ehe wir uns öffnen für weitere Mitgliedsstaaten.“ Denn der Euro ist als irreversible Währung konzipiert, will sagen: Ein Austritt aus dem Klub ist nicht vorgesehen. Soll der Euro nicht kollabieren (mit kata­strophalen Folgen für das Weltfinanzsystem), haben sich alle an die Regeln zu halten, die Volkswirtschaften dürfen nicht über Gebühr auseinanderlaufen. Das heißt für das Schlusslicht Deutschland: Wir müssen uns mit dem Wachstum sputen. Auf mittlere Sicht bedeutet die europäische Integration zudem: Wir werden nationale Souveränität verlieren, Widerstand zwecklos, so Weber: „Das ist die traurige Realität.“

Über seine vier schonungslosen Thesen lässt sich trefflich streiten, die Augen vor der Diagnose zu schließen ist keine Lösung.

Herzlich Ihr

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Georg Meck,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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