KI, KI, KI…ich kann es bald selber schon nicht mehr hören oder lesen. Aber es ist wirklich faszinierend, was hier gerade abgeht – auch kurstechnisch, bei den Aktien aus diesem Sektor.

Wenn Ihr meinen YouTube-„Aktien-Kanal“ schaut und/oder regelmäßig hier mitlest, dann kennt ihr schon die Hintergründe zu den fulminanten Entwicklungen von Nvidia, Microsoft und zuletzt im Speziellen Super Micro Computer. Letztere haben jetzt sogar die Marke von 1.000 US-Dollar geknackt, nachdem sie das Jahr 2024 noch bei einem Kurs von 280 US-Dollar begonnen hatten. Unfassbar:

Das Papier hat das Kunststück fertig gebracht am Montag bis auf ein Hoch von 34,94 US-Dollar zu steigen, nachdem BeamR die vergangene Woche noch mit einem Freitags-Schlusskurs von 2,11 US-Dollar beendet hatte. Das ist eine Steigerung von in der Spitze 1.556% innerhalb eines Handelstags.

Hier nochmal die Intraday-Kursentwicklung vom Montag zum Genießen:

Darin steht, dass BeamR am 11. bis 14. Februar auf einer bestimmten Video-Konferenz in Denver/Colorado sein gemeinsames Research zur automatischen Video-Modernisierung mit Nvidia vorstellen wird.

Dann wird erklärt, dass dieses AOMedia Video 1 ein effizientes aufstrebendes Videoformat sei und von Techriesen wie Amazon, Google und Microsoft unterstützt wird.

Allerdings gebe es bisher nur eine langsame Annahme („adoption“) dieses Formats, was an den hochkomplexen und kostspieligen Prozessen liege, die existierenden Videobibliotheken in wachsenden Märkten wie Artificial Intelligence (AI), Machine Learning (ML), Streaming (OTT) und User-Generated-Content (UGC).

Aber nun würden eben BeamR und Nvidia auf dieser Konferenz zum ersten Mal eine Lösung für diese Herausforderung vorstellen. Gelauncht werde der Cloud-Service dann am 20. Februar 2024.

Ich habe alle Buzzwords, die in der Nachricht vorkommen gefettet. Dem Verfasser oder der Verfasserin dieser Pressemeldung sollte man meiner Meinung nach einen „Marketing-Orden“ verleihen. Denn es wurde hier wirklich geschafft, in eine Nachricht die Namen von gleich vier Tech-Giganten, vier der so genannten „Magnificent Seven“, einzubauen (hätte nur noch gefehlt, dass in einem Nebensatz erwähnt worden wäre, dass die Chefin einen Tesla als Geschäftswagen fährt).

Und darüber hinaus wurden Buzzwords wie Artificial Intelligence, Machine Learning, Streaming und User-Generated-Content, jeweils mit den entsprechenden Abkürzungen, sowie Cloud-Service, Launch-Tag und Disruption bzw. „disruptieren“ in diese relativ kurze Meldung reingepackt.

Das heißt BeamR erweckt hier den Eindruck, dass man mit den wichtigsten Tech-Größen maßgeblich zusammenarbeitet, und in den heißesten Tech-Wachstumsmärkten aktiv ist.

Jeder, der sich etwas näher mit der Firma beschäftigt bzw. der auch nur die Pressemeldung etwas genauer liest, erkennt mit wenig Anstrengung, dass BeamR mit Google, Facebook oder Amazon wenig bis gar nichts zu tun hat, sondern lediglich ein Produkt dieser Firma verwendet (im Fall Amazon, nämlich AWS) oder mit diesen Firmen konkurriert (Google, Facebook) bzw. dass die Firmen den Standard nicht ablehnen.

Mit Nvidia gibt es zwar eine Kooperation, aber die läuft bereits seit über 2 Jahren. Sie erstreckt sich vor allem darauf, dass BeamR einen Encoder von Nvidia verwendet. Also könnte man auch hier strenggenommen sagen, dass eher BeamR Kunde von Nvidia ist, statt dass es eine Partnerschaft auf Augenhöhe sei.

Die Tatsache, dass in der Pressemitteilung zwar die CEO von BeamR zu Wort kommt, nicht aber ein Vertreter von Nvidia ist zudem ein untrügliches Zeichen dafür, dass der in der Meldung beschriebene Produkt-Launch für Nvidia nicht wirklich von Bedeutung ist.

Der Punkt ist: Bei extrem kleinen Aktien aus dem Pennystock-Sektor – und BeamR hatte vor dem Hype nur eine Marktkapitalisierung von rund 20 Mio. US-Dollar und ein 52-Wochen-Tief von 91 Cent – spielen solche „qualitativen Aspekte“ oft keine Rolle.

Es geht darum zunächst die Aufmerksamkeit der Zocker zu erregen oder vielleicht auch von KI-Programmen, die im Auftrag von Tradern die News nach Buzzwords filtern, damit erstmal Volumen in die Aktie kommt und selbige anspringt.

Das ist Stufe 1 und das wurde in dem Fall von der IR-Abteilung von BeamR vorbildlich gelöst.

Bei der BeamR-Meldung ging da zum Beispiel im vorbörslichen Handel, also zwischen 10 Uhr und 15:30 Uhr MEZ, folgende Kurz-Zusammenfassung über die Ticker:

„BeamR and NVIDIA team up to accelerate adoption of the newest video standard – AV1“

Das kann jeder schnell erfassen und vor allem erweckt diese Zusammenfassung die Assoziation, dass es sich hier um eine ganz neue Zusammenarbeit – quasi auf Augenhöhe – handelt zwischen BeamR und Nvidia. Dass dem in Wirklichkeit gar nicht so ist und man bereits seit 2 Jahren zusammenarbeitet und BeamR vor allem Kunde von Nvidia ist, hat der Wirkung der Meldung nicht geschadet.

Und selbst der Launch-Day, der 20. Februar, war bereits seit einer Meldung vom 7. Februar bekannt, also schon 5 Tage früher:

De facto stand in der Meldung also nicht wirklich viel neues, aber sie war so geschickt formuliert, dass sie die Aufmerksamkeit von Tradern, Zockern und Glücksrittern erregt hat.

Stufe 2 stellen dann Algorithmen dar, die z.B. Volumenveränderungen von Aktien und Kursbewegungen überwachen – zum Beispiel für professionelle die mit automatisierten Handelssystemen arbeiten.

Es kann dann sein, dass das Handelssystem ganz schnell in die entsprechende Aktie einsteigt, auch mit relativ hohen Volumina und das dann wiederum andere Kursalgos triggert und so kann eine gewaltige Eigendynamik entstehen. Auch schon im vorbörslichen Handel.

Über Chat-Rooms auf Discord und anderen Plattformen gibt es dann Rückkopplungseffekte, wo die betreffenden „Hot Stocks“ an Privatanleger und Gelegenheits-Trader weitergegeben werden. Das führt dann – zumindest kurzfristig – zu weiteren Kurssteigerungen und zu einer Verstärkung des Trends.

Letztlich kann das dann kurzfristig zu einer vollkommenen Abkopplung des Kurses von der fundamentalen Realität führen – auch für mehrere Tage oder gar Wochen.

Für die Firmen selber hat es übrigens auch einen großen Vorteil, wenn sie das „Algo-Roulette“ gewinnen. Sie können die hohen Kurse und Volumina, also das plötzliche Interesse der Anleger, nutzen, um via Kapitalerhöhung meist dringend benötigtes Cash einzuspielen.

Bei BeamR war das bereits 3 Tage später der Fall. Man verkaufte im Rahmen eines öffentlichen Angebots knapp 2 Mio. Aktien aus dem eigenen Bestand zu einem Preis von 7 US-Dollar je Aktie und erzielte so Bruttoeinnahmen von 13,8 Mio. US-Dollar. Ein warmer Geldregen für das relativ klamme Unternehmen.

Zu bedenken ist hierbei: Die Marktkapitalisierung lag ja noch vor wenigen Wochen bei nur 20 Mio. US-Dollar. Und jetzt kann man auf einen Schlag 13,8 Mio. US-Dollar vereinnahmen.

Das bedeutet auch: Durch diesen mehr oder weniger künstlichen Hype hat sich auch die tatsächliche finanzielle Situation des Unternehmens drastisch verbessert, so dass es unwahrscheinlich ist, dass die Aktie bald wieder auf das alte Kursniveau zurückfällt. Das macht das Shorten von solchen Aktien so gefährlich.