Die Masochisten in der SPD
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Tägliche Post vom Chefredakteur

Stimme
des Westens

Michael Bröcker

03. Juni 2019

Liebe Frau Do,

es war eine kurze Episode. Nach etwas mehr als einem Jahr im Amt und 30 Jahre, nachdem sie in dem kleinen Eifel-Dorf Weiler einen SPD-Ortsverein gegründet hatte, gibt Andrea Nahles den Posten als SPD-Chefin auf. Den Vorsitz der Bundestagsfraktion und das Bundestagsmandat will die 49-Jährige auch abgeben. Es ist ein bemerkenswerter und außergewöhnlicher Rücktritt. Nicht etwa, weil die CDU-Kanzlerin Angela Merkel nun zum achten Mal einen neuen (oder eine neue) SPD-Vorsitzenden in ihrer Amtszeit erleben wird, sondern weil die Umstände so dramatisch sind. Die Wunden, die sich die SPD zugefügt hat, sind tief. Nahles’ Abschiedserklärung ist ein Dokument der Bitterkeit. Zuvor hatte die SPD-Politikerin im „Spiegel“ detailliert nachlesen können, was die eigenen Leute von ihr halten. Kurz gesagt: nichts. Die Frau, die sich wie keine andere in der Partei für die Partei engagiert und aufgeopfert hat, wurde durch Indiskretionen und Intrigen vom Hof gejagt. Sie wurde regelrecht aus dem Amt gemobbt. Für eine Partei, die Solidarität und Fairness auf jedes Wahlplakat schreiben lässt, eine erstaunliche Vorgehensweise. Andrea Nahles hat aber auch selbst Schuld an diesem unrühmlichen Ende, ihr Verhalten in der Öffentlichkeit ist wenig begeisternd. Ihr jüngster beschämender Auftritt im Bremer Wahlkampf ist bei Youtube inzwischen ein Hit. Dass Andrea Nahles eine ordentliche Parteimanagerin und eine gute Ministerin sein kann, aber eben jenseits der Partei kaum Anhänger findet, wussten eigentlich alle Sozialdemokraten vor einem Jahr. Trotzdem wurde sie Chefin - und ist nun gescheitert wie kaum einer ihrer Vorgänger. Eva Quadbeck hat sich die Person Andrea Nahles noch einmal genau angeschaut. Wie es jetzt in der SPD und in der großen Koalition weitergeht, können Sie hier nachlesen.

Politiker sind aus meiner Sicht besonders gut, wenn sie sich den kritischen Blick von außen offenhalten, das Argument der Andersdenkenden als konstruktive Bereicherung empfinden. All dies findet sich bei US-Präsident Donald Trump bekanntlich nicht. Wie schwer es aber ist, auch in seinem Umfeld kritische Töne über Trumps Verhalten zu hören, konnte ich am vergangenen Freitag persönlich feststellen. Ich durfte US-Außenminister Mike Pompeo nach seinem Besuch in Deutschland zu den kriselnden transatlantischen Beziehungen und der Politik Trumps befragen. Auf meine Frage, ob ein Fakten leugnender und undiplomatisch agierender Präsident nicht das Leben eines Chefdiplomaten erschwert, entgegnete Pompeo nur: „I just disagree with everything you just said.“ Das komplette Interview können sie hier nachlesen, Ausschnitte gibt es auch in unserem RP-Online-Podcast „Aufwacher“.

Herzlichst

Ihr

Michael Bröcker

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