Sehr geehrter Herr Do,
lauter Protest schallt den WM-Veranstaltern entgegen, besonders aus Frankreich, Schweden und den Niederlanden, nachdem das ganze Ausmaß der Gräueltaten noch vor der Fußball-Weltmeisterschaft publik geworden ist: Mindestens 30.000 Menschen sollen Opfer des Regimes im Gastgeberland geworden sein. Doch der Kapitän des DFB-Teams teilt die Bedenken, in dem totalitären System ein Fußballturnier zu veranstalten, nicht. Es handele sich schließlich um ein Land, in dem Ordnung herrsche, sagt er und fügt hinzu: „Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“

Es ist das Jahr 1978, und in Argentinien, wo die Fußball-Weltmeisterschaft angepfiffen wird, herrscht eine grausame Militärjunta. Die Regierung um General Jorge Rafael Videla lässt Oppositionelle foltern. Tausende Menschen verschwinden spurlos. Politisch Unliebsame werden lebendig aus Hubschraubern geworfen. Bis heute ist unklar, wie viele Menschenleben die skrupellose Militärdiktatur gefordert hat. In einem solchen Land ein Fußballfest abzuhalten – eigentlich undenkbar. Doch FIFA, nationale Verbände und Spieler wie Berti Vogts haben damals offenbar wenig Skrupel, Spiele in Hörweite von Foltergefängnissen zu veranstalten.
Credit: Imago
In Katar sollen nach Angaben von Amnesty International beim Bau der WM-Spielstätten mehr als 15.000 Arbeiter zu Tode gekommen sein. Der Grund: die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen – ganz besonders für Migranten. Die Fußball-WM in Katar ist aber, wie das Beispiel Argentinien zeigt, nicht der erste Sündenfall der Sportwelt. Und überhaupt: Wo fand doch gleich die letzte Fußball-Weltmeisterschaft statt? Genau. In Putins Russland. Und Olympia 2022? Richtig, in China.

Dennoch wird, wenn in nicht einmal zwei Wochen die internationale Fußball-Elite im Emirat Katar um den Weltmeistertitel kämpft, vieles anders sein als bei den Endrunden davor. Nie zuvor fand das wichtigste Fußball-Turnier der Welt auf der Arabischen Halbinsel statt. Nie zuvor in einem solch kleinen Land. Nie zuvor in einem Staat, in dem Homosexualität mit dem Tode bestraft werden kann. Und nie zuvor in der Adventszeit. Es gibt genügend Gründe, die Vergabe der Fußball-WM an Katar zu kritisieren. Und es gibt auch stichhaltige Argumente dafür, die Veranstaltung der Superlative (mit geschätzten 150 Milliarden Dollar Kosten die teuerste Fußball-WM der Geschichte) zu boykottieren. Es gibt aber auch gute Gründe, sich dennoch auf die kommende Weltmeisterschaft zu freuen. Die elf besten finden Sie im WM-Special in der neuen PLAYBOY-Ausgabe.
Wie stehen Sie zum Thema Fußball-Weltmeisterschaft 2022? Freuen Sie sich auf das baldige Aufeinandertreffen der Weltbesten, oder zeigen Sie der Wüsten-WM in Katar die Rote Karte? Schreiben Sie mir Ihre Meinung unter boitin@playboy.de.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit der neuen PLAYBOY-Ausgabe – und bleiben Sie sportlich!

Ihr
Florian Boitin, Chefredakteur
boitin@playboy.de
 
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