Liebe/r Leser/in, Wäre das Wort von der „Zeitenwende“ nicht so verschlissen, für Deutschlands wichtigste Industrie wäre der Begriff durchaus angebracht: Die Automobilindustrie steckt in der größten Transformation ihrer Geschichte, diagnostiziert das Beratungshaus McKinsey pünktlich zum Start der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in München. Der Kanzler hat sich dazu angesagt, mit Protestfolklore von Klimaklebern und Konsorten ist zu rechnen. So weit, so routiniert. Ansonsten ist nichts mehr, wie es war: Die mobile Revolution marschiert, die Ansprüche ans Auto haben sich radikal geändert, das verlangt Abermilliarden an Investitionen; in Digitalisierung, autonomes Fahren, neue Antriebstechniken jenseits des guten alten Verbrennermotors. Anführer der E-Revolte ist jener genialisch-merkwürdige Elon Musk, den die tradierte Managerelite verhöhnt hat, bis er mit Tesla einen nach dem anderen von ihnen im Börsenwert überholt hat. Damit nicht gut genug: Jetzt tritt mit China ein weiterer, noch potenterer Herausforderer auf den Plan. Wohl und Wehe von Deutschlands Vorzeigebranche, die Hunderttausende Menschen in Lohn und Brot hält, hängt an China, dem wichtigsten Automarkt der Welt. Die kommunistischen Machthaber der Volksrepublik haben erkannt, dass mit der E-Mobilität die Karten neu gemischt werden. Im Verbrenner-Zeitalter hatten sie keine Chance gegen die Erfinder des Automobils, jeder Versuch der Chinesen, hierzulande Fuß zu fassen, geriet zur Farce – die Modelle waren in Technik wie Optik nicht konkurrenzfähig. Das ändert sich gerade gewaltig. Zum ersten Mal reden die Vorstände und Aufsichtsräte in Zuffenhausen und Ingolstadt, München, Stuttgart und Wolfsburg voller Respekt, wenn nicht sogar Furcht, über die aufstrebenden Rivalen aus China. „Die Chinesen bauen gute Autos“, bestätigt Alexander Sixt, der für seine Mietwagenflotte auf einen Schlag 100 000 Autos bei BYD geordert hat, dem großen Aufsteiger in Sachen E-Mobilität. Das beweist: Die jungen chinesischen Marken stehen vor dem Sprung nach Europa, und was die deutschen Hersteller noch mehr schmerzt: Chinas Autohersteller schwingen sich auf, in Sachen E-Mobilität ihren Heimatmarkt zu dominieren, den Deutschen droht der Verlust ihres wichtigsten Absatzgebietes. Dort haben sie bisher ihre Erfolge gefeiert, dort haben sie ihre Rendite eingefahren; VW vorneweg, der deutsche Hersteller, der am stärksten von China profitiert hat – und am stärksten davon abhängt. Was wäre Wolfsburg ohne die Gewinne in China? Keine Frage: Das Schicksal des Konzerns wird auf den Straßen in Shanghai und Peking entschieden. Unsere Titelgeschichte beleuchtet, wie die Revolution der E-Mobilität die automobile Welt neu ordnet. Das Team um Redakteur Peter Steinkirchner schildert, wie lustvoll Chinas Hersteller VW, BMW, Mercedes & Co. attackieren – mit Gier, technischer Finesse und Milliarden an Staatsgeld. Und über allem steht die Frage: Was hat Deutschlands wichtige Industrie dem entgegenzusetzen, wie gefährdet ist unser Wohlstand? |