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Liebe/r Leser/in,

irgendwie läuft der Wahlkampf seit einer Woche auf anderen Schienen. Über Monate schien es fast so, als wenn (fast) jeder mit jedem koalieren könnte, was den Wählern die Lust aufs Wählen zu nehmen drohte – noch mehr als ohnehin schon angesichts des Kanzlerkandidaten-Angebots. Die Verwirrung war so groß, dass manche in der Union sich nicht mehr sicher waren, ob Dauerkanzlerin Angela Merkel wirklich Armin Laschet als ihren Nachfolger wünscht oder nicht doch Olaf-Ich-kann-die-Raute-auch-Scholz. Gegen die Grünen hat Merkel ohnehin nichts, eher im Gegenteil.

Doch damit ist Schluss, wie eine ungewohnt parteipolitisch streitbare Kanzlerin am Dienstag in der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl deutlich machte. Mit überraschender Verve warf sie sich für den Kanzlerkandidaten der Union in die Schlacht und machte klar, dass sie von einem Kanzler Scholz mit rot-grün-roter Mehrheit nichts hält.

Im Rückblick wird man später wohl sagen: Begonnen hat die Rückkehr zu den bekannten politischen Lagern am vergangenen Sonntag in Potsdam. Auf einer gemeinsamen Wahlkampfveranstaltung machten der rote Kanzlerkandidat Scholz und seine grüne Kollegin Annalena Baerbock klar, dass sie am liebsten eine rot-grüne Regierung bilden würden, zur Not ergänzt durch die FDP. Nebenbei beerdigte Baerbock in Potsdam in ihrem Wahlkreis, der auch der von Scholz ist, ihre Kanzlerinnenträume. Ihren Hinweis, die Grünen wollten möglichst weit kommen, konterte Scholz, Platz zwei sei ja auch sehr weit vorne. Ganz klar: Dort präsentierten sich Scholz und Baerbock als Koch und Kellnerin, wie Gerhard Schröder mal seine Koalition mit Joschka Fischer auf den Punkt gebracht hat.

Für mich ist der Befund eindeutig: Befeuert von den Umfrage-Erfolgen der SPD mit ihrem Frontmann Scholz, formiert sich das linke politische Lager in Deutschland. Das bürgerlich-konservative Lager löst sich unter dem Eindruck historisch schlechter Laschet-Werte auf. Einen weiteren Beleg dafür steuerte am Montag die Linke bei mit ihren Vorschlägen für eine Links-Koalition. Da wurde schon mal der rote Teppich für Rot-Grün-Rot ausgerollt und alles Störende wie Forderungen nach Abschaffung der Nato unter eben diesen Teppich gekehrt. Rote, Grüne und Dunkelrote werden zusammenfinden, wenn die SPD ansonsten keine Kanzlermehrheit organisieren kann.

Die drei Parteien verbindet im Übrigen weit mehr als die Lust auf Macht. Klima­schutz durch staatliche Verbote und Spritpreiserhöhungen statt Innovationen, Steuererhöhungen, Mindestlohnerhöhung, Verstaatlichungen, Mietendeckel – die Liste der grundsätzlichen Gemeinsamkeiten ist lang. All dem liegt eine durch die Corona-Zeiten noch gesteigerte Staatsgläubigkeit zugrunde, die ihre Entsprechung in einem tief sitzenden Misstrauen gegen die Entscheidungsfreiheit und das Verantwortungsbewusstsein der Bürger sowie gegen Märkte und Unternehmen als Motoren der Zukunftsgestaltung hat.

Baerbocks Satz im Bundestag „Dem Markt sind Menschen herzlich egal“ sollte jedem zu denken geben, der an das bisherige Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft, also dem Erfolgsrezept der Bundesrepublik, glaubt. In einem befremdlichen Gegensatz dazu steht für mein Empfinden die Tatsache, dass die Grünen und damit Baerbock eine Rekordspende von 1,25 Millionen Euro erhalten haben – von einem niederländischen Milliardär und Technologie-Unternehmer, erwirtschaftet sicher auf eben diesem ach so menschenfeindlichen Markt.

Dem hat das bürgerliche Lager derzeit wenig entgegenzusetzen. FDP-Chef Christian Lindner verspürt aus guten Gründen wenig Neigung, für Laschet das zu sein, was Baerbock für Scholz ist: Der Co-Pilot oder eben der Kellner. Zum einen ist Laschet eben nicht auf der Siegerstraße unterwegs. Und dann kann er ja in die un­angenehme Lage kommen, dass nur noch ein Einstieg der FDP in eine Ampelkoalition Rot-Grün-Rot verhindern würde.

Der jetzt anbrechende Lagerwahlkampf bietet eigentlich den idealen Nährboden für die Wiederauflage der Rote-Socken-Kampagne der Union. Sie wird ja auch versucht, aber die Wahlkämpfer der Union spüren, dass das nicht verfängt. Das liegt zum einen an Olaf Scholz, dem viele Bürger eine richtig rote Politik nicht zutrauen. Und dann hat er ja immer noch die Ampel oder die Deutschlandkoalition unter seiner Führung als Optionen, die ohne die Linkspartei auskommen.

Am Ende der Merkel-Ära steht eine völlig veränderte Parteienlandschaft, aber auch eine neue politische Trennschärfe. Letzteres kann nur guttun.

Mit vielen Grüßen

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Robert Schneider
Chefredakteur FOCUS Magazin


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