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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 04.04.2023 | Sonne-Wolken-Mix, eventuell Niederschlag, -1 bis 6°C . | ||
+ CDU und SPD bilden Koalition aus Harmonie und Heavy Metal + Neue Urania-Chefin Sprondel im Interview: „Junge Menschen werden zu wenig gehört“ + Berlin schaltet W-Lan erst 2024 frei + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, endlich läuft‘s in Berlin: Zwar bleibt es bis Ostern noch nordseefrisch, aber die Natur kriegt zumindest genug erfrischendes Nass in die kühle Erde. In den ersten drei Monaten des Jahres hat es rund 180 Liter pro Quadratmeter geregnet oder geschneegrieselt. Das ist schon mehr als die Hälfte des gesamten Jahresniederschlags 2022. Vielleicht sitzen wir in diesem Jahr nicht ganz so auf dem Trockenen – und nach Ostern auch wieder in der wärmenden Sonne. | |||
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Die kleine Koalition der größten Gemeinsamkeiten hat sich am Montag vorgestellt. Hier die wichtigsten Stimmen und Stimmungen des an der SPD-Parteibasis umstrittenen Projekts des designierten Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) im Schwarz-Roten Rathaus. Der künftige Regierende Kai Wegner gesteht zu, dass jetzt „ganz viele kleine Hebel umgedreht werden müssen“, um die über sich hinaus wachsende Stadt fit für die Gegenwart zu machen. Dazu gehöre die Digitalisierung der Verwaltung, eine schrittweise Lohnangleichung im öffentlichen Dienst auf Bundesniveau, die wieder einmal zu verabredende Verabredung „klarer Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirken“ und eine „Mobilitätswende nicht mit Verboten, sondern mit Angeboten“, konkret: kürzere Taktzeiten im Nahverkehr und eine unterschiedliche Radwegeplanung in Innenstadt und Außenbezirken. Wegner betont nach dem rechten Ausfallschritt seiner Partei in der Debatte um die Silvesterkrawalle das Credo einer wieder eher links orientierten CDU: „Berlin ist eine internationale, weltoffene und bunte Metropole – so soll es bleiben. Jeder soll hier nach seiner Façon glücklich werden, egal, woher er kommt, woran er glaubt, wen er liebt.“ Die bisherige Regierende Franziska Giffey (SPD), die Ende April wohl Stadtentwicklungssenatorin wird, benennt für eine soziale Stadt eine bislang ungelöste Frage als zentral: „die Frage des bezahlbaren Wohnens“. Die Bald-vier-Millionen-Metropole brauche weniger Vorschriften beim Wohnungsbau, ein Ankaufsprogramm von kommunalem Wohnraum sowie weitere Schulsanierungen. Ihr SPD-Co-Vorsitzender Raed Saleh betont die gebührenfreie Bildung bis hin zur Meisterausbildung sowie Wohnstätten auch für Ältere bei einer Randbebauung des Tempelhofer Feldes – von einer Volksbefragung erhofft er sich hier „mehr Vertrauen in die Politik insgesamt“. Mit der größten Überraschung wartete der moderat und moderierend auftretende Wegner am Schluss der Koalitions-Vorstellung auf: „Wir wollen eine Landesregierung sein, die sich nicht andauernd streitet.“ Danach scheint sich nach sechs Jahren Rot-Grün-Rot selbst die SPD zu sehnen. Wenn schon keine große Koalition und kein großer Wurf, dann wenigstens ein Hauch von Harmonie und Heavy Metal – nachzuhören bei der alten Band des neuen Kultursenators Joe Chialo. Jetzt ziehen alle seichtere Saiten auf. Auf keinen grünen Zweig kommt Schwarz-Rot naturgemäß bei der neuen Oppositionsführerin Bettina Jarasch (Grüne). Die Noch-Umweltsenatorin kommentierte mit zerflatterter Lyrik aus der Vogelwelt: „Der Koalitionsvertrag ist eine fette Taube auf dem Dach, aber kein Spatz in der Hand.“ Alle wichtigen Verabredungen im Koalitionsvertrag finden Sie hier, Hintergründe zur möglichen Postenverteilung gibt es hier, einen Leitartikel von Lorenz Maroldt lesen Sie hier. Und was denken Sie über den neuen Bund für die Bundeshauptstadt? Stimmen Sie ab! Wir bleiben gespannt. | |||
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Alles neu macht der April. Am Montag begann auch bei einer altehrwürdigen Berliner Institution eine neue Ära. Mit Johanna Sprondel, bisher Professorin für Medien, Marketing und Kommunikation an der Uni Stuttgart, tritt die erste Frau an die Spitze der 1888 gegründeten Urania. Das Wissenschafts- und Debattenzentrum in der City West war in den vergangenen Jahren von Ulrich Weigand modernisiert worden (Interview hier) und soll nun mit jeweils 40 Millionen Euro vom Bund und Land Berlin zu einem Demokratie- und Bürgerforum ausgebaut werden. Welche Zukunft die Urania hat, der wir als Tagesspiegel mit der Debattenreihe „Stadt im Gespräch, Berlin im Wandel“ seit vielen Jahren verbunden sind, und welche Chancen Berlin in Zukunft nutzen sollte, erzählt die 42-Jährige im Checkpoint-Interview: Frau Sprondel, haben Sie schon eine Wohnung in Berlin gefunden? Die Suche entfiel zum Glück, weil ich schon seit 2010 in Charlottenburg wohne. Zur Urania kann ich daher zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Ihr Motto lautet: Transformiert Euch! Wo hat Berlin hier den größten Nachholbedarf? Das Wichtigste für Veränderung ist der Dialog. Berlin kann sich gegenseitig mehr zuhören, das Ohr der Stadt an die Wünsche ihrer Bürgerinnen und Bürgern halten. Das gilt nicht nur, wenn es um einen bestimmten Bedarf oder um bestimmte Orte geht, sondern für die Stadtgesellschaft insgesamt. Vor allem junge Menschen werden zur Zukunft Berlins bislang zu wenig gehört. Wissen ist im Internet überall zu haben. Wozu braucht es noch Orte der Wissensvermittlung? Informationen gibt es überall, aber sie allein sind ja noch kein Wissen. In unseren heutigen Debatten fehlt leider oft das Verständnis für die Bedeutung von Wissen. Wir brauchen weniger Verachtung für andere Meinungen und mehr Neugier auf Erkenntnisse der Wissenschaft. Dazu braucht es Orte wie die Urania. Die gesellschaftlichen Debatten werden immer hitziger und aggressiver. Wie wollen Sie und die Urania den Austausch befrieden? Zuerst sollten auch wir ins Zuhören kommen: Welche Bedarfe an Wissen gibt es in Berlin? Unsere Stadt hat so große Potentiale in Wissenschaft und Kunst, die wir zugänglicher machen wollen. Unsere Aufgabe ist die Teilhabe der Menschen, wir wollen sie aktiv zum Dialog einladen. Auch die Urania ist im Umbruch. Das Debattenzentrum soll modernisiert, ausgebaut und zum Demokratieforum umgewandelt werden. Was ist Ihnen dabei am wichtigsten? Ein Bürgerforum kann nicht nur ein Ort sein, wo Dialog stattfindet. Es muss selbst ein Angebot für Dialog schaffen – mit der wichtigsten Frage: Was braucht Ihr? Es bringt nichts, wenn ich hier sitze und mutmaße, was die Menschen wollen. Wir wollen das zusammen mit ihnen herausfinden. Welche Dinge müssen bei der Transformation erhalten bleiben? Die Urania ist eine ganz alte Lady mit 135-jähriger Geschichte. Ihr Grundauftrag, die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an ein breites Publikum, ist heute mindestens so aktuell wie bei ihrer Gründung. Es ist ein wenig wie bei Google Maps. Obwohl es keinen Stadtplan zum Falten mehr gibt, ist die Grundidee einer Landkarte immer noch wichtig. Unsere Essenz als Urania lautet: Wissen ist Voraussetzung für Demokratie und Vielfalt. Sie sind die erste Frau an der Spitze der Urania. Welche Akzente wollen Sie persönlich einbringen? Frauen sollten in wichtigen Institutionen genauso repräsentiert sein wie Männer. Ich mache sicher nichts anders, nur weil ich Frau bin. Aber Diversität ist mir natürlich ein Anliegen. Darauf werde ich auch bei der Urania achten. | |||
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Auch die Bahnhofsmission am Zoo will gute Dinge, die sie tut, künftig noch besser machen. Am Montag trat hier Philipp Spitczok von Brisinski seine Stelle als neuer Leiter an, Berlins zentrale Versorgungsstation für Obdachlose war zuvor ein Jahr lang führungslos. Der 44-Jährige hatte zuletzt die Bahnhofsmission in Freiburg geleitet und hier auch Poetry Slams organisiert, um Spenden zu sammeln. Am Zoo stehen neben der Hilfe für täglich etwa 600 Bedürftige auch viele Strukturreformen an. „Insgesamt muss ein neues Konzept erarbeitet werden“, sagt Barbara Breuer von der Stadtmission, die die Bahnhofsmission verantwortet, am Checkpoint-Telefon. Die Bahn plant einen Umbau der Hilfsstelle in den kommenden beiden Jahren. Zuletzt hatten Mitarbeitende beklagt, dass Obdachlose in der Bahnhofsmission nicht mehr in Ruhe ihr Essen einnehmen können, sondern dieses seit der Pandemie lediglich an sie ausgegeben wurde (via RBB). „Die bestehenden Fluchtwege und die Lüftungsanlage lassen derzeit keine andere Betreuung zu“, meint Breuer dazu. Im „Zentrum am Zoo“ auf der anderen Bahnhofsseite sollen nun Beratungs- und Betreuungsangebote ausgebaut werden. Ehrenamtlich arbeiten mehr als 50 Menschen für die Bahnhofsmission, mehrere hauptamtliche Stellen sind noch unbesetzt. „Es ist nicht leicht, Menschen für diese Hilfe zu finden“, berichtet Breuer. Auch dies wird eine Aufgabe sein für den neuen Betreuer der Kinder vom Bahnhof Zoo. | |||
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Ich steh auf Berlin. Das dachten sich gestern Mittag wohl Hunderte, die sich in einer langen Schlange in der Charlottenburger Leibnizstraße ansammelten (Video hier). Angeboten wurde nicht weniger als eine Sensation: eine bezahlbare Wohnung. Drei Zimmer mit Badewanne und Einbauküche in einem Altbau-Hinterhaus sind hier für 1071,53 Euro Warmmiete zu haben – nicht gerade ein Schnäppchen für nicht einmal 75 Quadratmeter Lebensfläche. Wir steh’n auf Berlin? Die Stadt, die sich sich selbst nicht leisten kann, braucht längst eine neue Hymne: Was hat uns bloß so ruiniert? | |||
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