Kommunen fehlen 15 Mrd. Euro
● Paris: Wohin steuert die EU? |
● Riad: eine Lösung für Kiew? |
● Aktie des Tages: Rheinmetall |
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Liebe Leserin, lieber Leser, „wen rufe ich an, wenn ich Europa sprechen will?“ So soll sich der einstige US-Außenminister Henry Kissinger mal erkundigt haben. Die Suche nach einer Art Europa-Chef ist zwar immer noch zum Scheitern verurteilt, aber aktueller denn je. Seit der historischen Beschimpfung durch den neuen US-Vizepräsidenten J.D. Vance wissen die 27 EU-Staats- und Regierungschefs nicht mal mehr, ob sie ihrem wichtigsten Bündnispartner, den USA, weiterhin trauen können. Da sollten wir den Amerikanern vielleicht nicht noch erklären, wie Demokratie eigentlich funktioniert. Die hat nämlich schon diesseits des Atlantiks sieben eklatante Defizite. Unser Europa ähnelt einer Kakophonie unterschiedlich schriller Stimmen, was indes nur Problem Nummer eins dieser eigentlich ja gut gemeinten Community ist. Was macht die EU in so einem existenziellen Fall wie jetzt? Emmanuel Macron berief gestern eine Art Gipfeltreffen nach Paris ein (siehe weiter unten). Nette Bilder produzieren kann Monsieur Macron. Mehr ist aber auch dieses Mal nicht herauskommen. Wer gestern nicht eingeladen wurde, konnte sich obligatorisch beleidigt zeigen. In der EU ist immer irgendwer beleidigt. Das ist Problem Nummer zwei, das aber nicht weiter der Rede wert wäre, weil bei wichtigen Fragen etwa der Außen- und Sicherheitspolitik eh Einstimmigkeit herrschen muss. Damit sind wir zugleich bei Problem Nummer drei: Luxemburg zum Beispiel hat mit kaum mehr Einwohnern als Stuttgart das gleiche Stimmgewicht wie Deutschland, immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. „Demokratie“ ist – Problem Nummer vier – ohnehin ein großes Wort für das eher dubiose EU-System. Das Parlament in Straßburg ist von einer echten Volksvertretung so weit entfernt wie Dieter Bohlen von Mozart. Es gleicht einem gut alimentierten Abnickverein für das, was sich ausschließlich die EU-Kommission an Gesetzen ausdenken darf. |
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| Europa-Fahnen in Brüssel, wo man gern Demokratie zelebriert, die aber etliche Defizite mit sich bringt (© Reuters) |
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Als bevölkerungsreichstes Land stellt die Bundesrepublik immerhin die meisten EU-Parlamentarier: 96 von 720. Aber wie gerecht ist es bitte, dass rund 875.000 Bundesbürger genauso von einem Abgeordneten vertreten werden wie 108.000 Luxemburger? Okay, beide entscheiden eh nix, siehe oben. Aber so werden selbst Zwerge wie Malta groß – und Riesen wie Großbritannien bisweilen fahnenflüchtig. Apropos: Die letzte EU-Wahl hat mehr Europa-Skeptiker bis -Gegner ins Parlament gespült, als dort je gesessen haben dürften. Und die sehen dann ja schnell Problem Nummer fünf: Im Tagesgeschäft geht's weniger um hehre Werte, als ums Geld. Wer krallt sich am meisten aus der Gemeinschaftskasse, wer zahlt drauf? Und über allem thront Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Problem Nummer sechs), die wie all ihre Vorgänger nie gewählt, sondern in den Hinterzimmern der Regierungschefs ausgekartelt wurde. Wo Einheit, Demokratie und Freiheit derart vor sich hinwelken, können Verordnungen, Normen und Verbote umso fröhlicher blühen. Problem Nummer sieben: Brüssel ist längst zum Synonym geworden für ein entfesseltes Bürokratiemonster. Allein die Kommission nährt 32.000 Beamte. Die wirklich wichtigen EU-Themen – von Migration bis Verteidigung – bleiben trotzdem seit Jahrzehnten liegen. Oder gerade deshalb? Und wir wollen den USA erklären, wie Demokratie funktioniert? Ich weiß nicht so recht, ob das klappen kann. Was meinen Sie? feedback@focus-magazin.de |
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| Zum EU-Sonder-Gipfel in Paris: Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron (© Reuters) |
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EU-Spitzen suchen Weg aus der eigenen Krise |
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Bei einem außerordentlichen Treffen kamen am Montag mehrere europäische Staats- und Regierungschefs in Paris zusammen. Der Gipfel war eine Reaktion auf die von den USA angekündigten Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg, die aber ohne EU-Beteiligung starten sollen. Mit dabei waren neben Bundeskanzler Olaf Scholz auch der britische Premier Keir Starmer, außerdem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Mark Rutte sowie Vertreter aus Italien, Polen, Spanien, den Niederlanden und Dänemark. Polens Ministerpräsident Donald Tusk schlug vor, künftige Verteidigungsausgaben nicht mehr in die EU-Defizitberechnungen einfließen zu lassen. Außerdem ging es um den möglichen Einsatz einer europäischen Friedenstruppe in der Ukraine. Starmer hatte bereits vor dem Treffen angekündigt, dass Großbritannien bei Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine „führende Rolle” übernehmen könne. Kanzler Scholz schloss eine Entsendung deutscher Truppen ohne Beteiligung der USA aus und hielt die Diskussion für verfrüht. Ebenfalls zögerlich zeigte sich Polen. Die Niederlande und Schweden standen einer möglichen Entsendung von Truppen offen gegenüber. Beschlossen wurde nichts. Ein offizieller Gipfel aller 27 EU-Staats- und Regierungschefs ist für Mitte März geplant. |
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| US-Außenminister Marco Rubio bei seiner Ankunft in Riad am Montag (© Reuters) |
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In Riad soll sich das Schicksal der Ukraine entscheiden |
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Kaum eine Woche nach einem Telefonat von US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin zu Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine treffen sich heute hochrangige Delegationen der beiden Großmächte in Saudi-Arabien. Für die USA sind Außenminister Marco Rubio, der US-Sondergesandte Steve Witkoff und der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz dabei. Die russische Delegation wird angeführt von Außenminister Sergej Lawrow und dem außenpolitischen Kreml-Berater Juri Uschakow, der gegenüber dem russischen Fernsehen erklärte: „Die Hauptsache ist es, eine reale Normalisierung der Beziehungen zwischen uns und Washington zu erreichen.“ Die Vorschläge der USA umfassen unter anderem Gebietsabtretungen an Russland sowie einen Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft. Vor den Gesprächen machte Lawrow deutlich, dass territoriale Zugeständnisse an die Ukraine für Russland nicht zur Debatte stehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte vor den Folgen eines Diktat-Friedens für sein Land.
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| Straßensanierung in Berlin: In vielen Kommunen wird das Geld knapp (© imago) |
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Städten und Gemeinden fehlen 15 Milliarden Euro |
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Die Finanzlage in den Kommunen wird immer prekärer. Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Städtetags rutschen im laufenden Jahr 37 Prozent der Kommunen in die roten Zahlen, weitere 47 Prozent können ihr Defizit nur noch über den Griff in eigene Rücklagen ausgleichen. Insgesamt dürften die 11.000 Städte und Gemeinden 2024 ein Defizit von „gut 15 Milliarden Euro“ eingefahren haben, so ein Sprecher gestern gegenüber FOCUS. Noch im Sommer hatte der Städtetag ein Minus von nur 13,2 Milliarden Euro prognostiziert (Grafik). Zur Begründung verweist der Verband unter anderem auf stark gestiegene Energie- und Personalkosten. Alleine in der jüngsten Tarifrunde hatten Ver.di und dbb u.a. eine Inflationsausgleichszahlung sowie eine Entgelterhöhung von 200 Euro sowie 5,5 Prozent Gehalts-Plus ab 1. Februar durchgesetzt. In den laufenden Tarifverhandlungen fordert Ver.di acht Prozent mehr, mindestens aber 350 Euro sowie drei zusätzliche freie Tage. Angesichts der leeren Kassen hofft der Städtetag jetzt auf einen maßvollen Abschluss. In den aktuellen Verhandlungen werden man „darauf schauen müssen, dass die städtischen Haushalte nicht vollends aus dem Gleichgewicht kommen“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem FOCUS. Bereits im vergangenen Jahr hätten die Kommunen ein Rekorddefizit verkraften müssen. „Wenn wir weiter massiv ins Minus rutschen, bedroht das unsere Handlungsfähigkeit.“
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| Rheinmetall-Panzer Lynx: Die Aktie erlebt einen Höhenflug (© Reuters) |
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Rheinmetall nun über 40 Milliarden Euro wert |
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Die Aktie des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall hat am Montag erstmals die Marke von 900 Euro überschritten. Schlusskurs gestern: 931,60 Euro. Damit ist das Unternehmen über 40 Milliarden Euro wert. Auch andere Rüstungsaktien legten zum Wochenauftakt deutlich zu. So ging es beim Augsburger Panzergetriebe-Hersteller Renk um rund 17 Prozent nach oben. Die Aktie des Radar- und Sensor-Spezialisten Hensoldt gewann 14 Prozent. Auslöser für die Kursrallye dürfte die jüngsten Forderungen der USA sein, dass die Nato-Staaten ihre Rüstungsausgaben erhöhen müssen. Dazu hatte auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte die Europäer aufgefordert. Auf dem Nato-Gipfel im Juni in Brüssel dürfte die Allianz eine deutlich höhere Beitrags-Zielmarke beschließen als die bislang geltenden zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Die Aussicht darauf könnte die Kurse der Rüstungskonzerne weiter beflügeln. |
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| Influenza B-Viren: Die Grippewelle trifft in diesem Jahr bislang vor allem Kinder stark (© Science Photo Library) |
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Woran Sie eine „echte“ Grippe erkennen |
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Überall wird gerade gehustet und geschnieft. Gefährlich ist die Grippe stets für ältere Menschen und alle mit geschwächtem Immunsystem. Diesen Winter erkranken aber vor allem Kinder zwischen fünf und acht Jahren besonders stark an dem Virus. Das beobachtet der Berliner Arzt Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Die Lage sei zwar noch nicht dramatisch, aber aktuell seien rund fünfmal so viele Kinder wie Anfang Januar wegen Grippe in die großen Kinderkliniken gekommen. Die Symptome einer Influenza: Erschöpfung, hohes Fieber (bis 41 Grad), Hustenreiz, Kopf- und Halsschmerzen sowie Schweißausbrüche. Hält das Fieber mehrere Tage an, während sich der Allgemeinzustand zugleich weiter verschlechtert, sollte man einen Arzt konsultieren – auch und gerade bei Kindern. Dann könnte auch eine Krankenhauseinweisung ratsam werden. Influenzaviren haben offenbar die Coronaerreger verdrängt: Die Corona-Infektionsquote ist derzeit niedrig. Der für Kleinkinder ebenfalls gefährliche RSV-Erreger grassiert auf geringem Niveau. Er kündigt sich ähnlich wie Influenza an, unter Umständen mit stärkeren Atembeschwerden. Der Husten bei Influenza ist eher trocken. Bildet sich viel Schleim, deutet das stark auf eine bakterielle Ursache hin. Dann wirken Antibiotika. Der ebenfalls trockene Keuchhusten, der neuerdings häufiger auftritt, äußert sich durch anfallartige Hustenstöße. Nicht zuletzt angesichts der Karnevalssaison raten Mediziner weiterhin zur Grippeimpfung. Rosenmontag ist der 3. März, Zeit genug, dass sich der Schutz aufbaut. Empfohlen ist die Impfung für Risikogruppen und Menschen ab 60 Jahren. Viele Kinderärzte raten, sie auch Kindern zu verabreichen. |
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| (© Alessandra Schellnegger) | Gewinnerin: Als Gastgeberin wirkt sie stets unauffällig und bescheiden im Hintergrund. Aber was wäre der „Bayerische Hof“ und die darin gerade wieder beendete Münchner Sicherheitskonferenz ohne das Wirken von Innegrit Volkhardt, 59, der Chefin und Eigentümer des familiären Grandhotels? Seit 1992 schon führt sie das Haus. Diesmal wurde im „Bayerischen Hof“ wahrscheinlich ein Stück europäischer Geschichte mitgeschrieben. Wenn Sie's unprätentiöser mögen: Das Frühstück auf der Dachterrasse ist ein Traum, den man sich noch leisten kann. Blick auf die Frauenkirche inkl. | |
Verlierer: Die Sorgen um Papst Franziskus wachsen. Seit Ende vergangener Woche wird er im Gemelli-Krankenhaus in Rom behandelt. Das Oberhaupt der katholischen Kirche kämpft gegen eine polymikrobielle Infektion der Atemwege. Das ist schon deshalb gefährlich, weil dem gebürtigen Argentinier seit einer OP in jungen Jahren ein Teil des rechten Lungenflügels fehlt. Als Nachfolger des deutschen Benedikt XVI. ist er im März 2013 als Papst inthronisiert worden – und mittlerweile mit 88 Jahren der zweitälteste Papst in der Geschichte des Vatikans. Wir schicken dem Heiligen Vater die besten Genesungswünsche gen Rom! | |
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... noch ein Blick auf den gestern in Venedig gestarteten Karneval. Ich will den hiesigen Narren-Hochburgen wirklich nicht zu nahe treten: Aber das schaut schon meist ein bisschen eleganter aus als unsere Elferräte und Funkenmariechen, finden Sie nicht? Zumal dieses Jahr ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert wird. | | Gestern begann auf dem Canal Grande der venezianische Karneval (© dpa) | Vor genau 300 Jahren (am 2. April 1725) wurde in der Lagunenstadt Giacomo Casanova geboren. Dem bis heute bekannten Verführer war denn auch die gestrige Boots-Parade auf dem Canal Grande gewidmet. Vielleicht darf man das allen Akteuren der aktuellen Spitzenpolitik noch als Rat geben: Make amore, not War! Liebe(nde) Grüße | | Thomas Tuma |
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