Liebe Leserin, Lieber Leser,
am Montag wird in Deutschland das Wirtschaftswunder ausgerufen. „Aufschwung jetzt!“, hatten vor drei Wochen 50 Manager und Unternehmerinnen im FOCUS getrommelt. In diesem Geist marschiert die Wirtschaftselite unter dem Slogan „Made for Germany“ jetzt ins Kanzleramt, angeführt von Christian Sewing (Deutsche Bank) und Roland Busch (Siemens). Im Gepäck: Zusagen für Investitionen über 300 Milliarden Euro für „Leuchtturmprojekte“. Da Wirtschaft immer auch Psychologie ist, ist dieses Signal eine feine Sache, allein es reicht noch nicht, das Ruder herumzureißen. Nach Jahren der Frustration und Stagnation ist die Politik gefordert. Und da passiert noch zu wenig. Bisher ist die neue Regierung vorwiegend damit beschäftigt, ihrer jeweiligen Klientel Zuckerl zu verteilen. Die Rechnung zahlt im Zweifel die nächste Generation. Gesund ist das nicht, nachhaltig schon gar nicht. Der ausgeuferte Staat wird Prioritäten setzen, ja, er wird sich bescheiden müssen. Einen „Herbst der Sozialreformen“ hat Bundeskanzler Friedrich Merz deshalb angekündigt. Nötig ist das. Um die Milliardenlöcher halbwegs zu stopfen, steigen die Beiträge der Versicherten ohne Halt, Arbeit in Deutschland lohnt sich immer weniger angesichts der Sünden des Sozialstaats. • Pflegeversicherung: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt unaufhaltsam (auf inzwischen mehr als fünf Millionen Menschen). Die Folge: Der jüngste Zweig der Sozialversicherung, eingeführt im Jahr 1995, steuert zielstrebig dem Fiasko entgegen. Allein im vorigen Jahr wurden 1,5 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen, im Frühjahr haben die ersten Pflegekassen nach Finanzhilfen wegen Zahlungsunfähigkeit gerufen. „Der Kollaps hat bereits begonnen“, warnen Wohlfahrtsverbände. Um die Pleite abzuwenden, braucht es eine grundlegende Reform. Das Rundum-sorglos-Konzept ist auf Dauer unbezahlbar. • Krankenversicherung: Deutschland gönnt sich eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Liegt die Leistung auch nur im Mittelmaß, so steigen die Beiträge unaufhaltsam. Es muss etwas passieren. An einer höheren Selbstbeteiligung führt kein Weg vorbei. Die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern zu kippen, schlägt die Chefin der Wirtschaftsweisen vor. Zuzahlungen für Arztbesuche sowie für Medikamente werden ebenso diskutiert. Alles nicht populär. • Rentenversicherung: Auch hier naht der Kollaps. Die Beiträge der Arbeitnehmer reichen schon lange nicht mehr, um die Rentner zu finanzieren. Es fließen 121 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt 2025 als Zuschuss in die Rente – kein Posten ist größer. So viel zu den Investitionen in die Zukunft.• Bürgergeld: Da sind mehr als ein oder zwei Milliarden zu holen, sagt der Kanzler. Nur wo? „Leistungskürzungen wird es mit uns nicht geben“ – den Spruch beherrscht noch der schläfrigste SPD-Hinterbänkler. Der Herbst der Sozialreformen wird stürmisch. Oder was meinen Sie? Schreiben Sie uns an chefredaktion@focus-magazin.de*. |