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Liebe/r Leser/in,

ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich überrascht, wie hart der RBB mit der bisherigen Intendantin Patricia Schlesinger umgeht und die anderen ARD-Sender wiederum mit dem RBB umspringen. Da wurde ein Aufklärungs- und Entlassungsfuror an den Tag gelegt, den man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) gar nicht zugetraut hätte; sonst regiert dort ja häufig eher das „Grundgesetz der Krähen“. Doch bei näherer Betrachtung gibt es dafür eine einleuchtende Erklärung: Die schamlose Verschwendungssucht und der fahrlässige Umgang mit dem Geld der Beitragszahler mögen im RBB auf die Spitze getrieben worden sein, das System dahinter aber existiert überall.

Da steht für alle ARD-Sender und auch für das ZDF sowie für das Deutschlandradio immens viel auf dem Spiel, nämlich ein Budget von fast zehn Milliarden Euro pro Jahr (8,4 Milliarden davon Gebühren). Damit leisten wir uns den teuersten ÖRR in der Welt, der zweitteuerste, die BBC in London, kommt mit der Hälfte aus. Fast noch wichtiger ist die Tatsache, dass die überregionalen Zeitungen inklusive ihrer Digitalangebote, die großen privaten TV-Sender und die Privatradios zusammen nur auf einen Umsatz von ungefähr 7,5 Milliarden Euro kommen, wie die Kollegen der „Welt“ diese Woche ausgerechnet haben. Für seine Milliarden produziert der ÖRR nach Angaben des CDU-Medienpolitikers Rainer Robra 394 Stunden Fernsehen und 1452 Stunden Hörfunk – pro Tag und ohne digitale Hörfunkkanäle sowie reine Online-Angebote gerechnet. Der Leiter der Staatskanzlei in Magdeburg wirft die rhetorische Frage auf: „Ist das noch Grundversorgung?“

Mehr als 300.000 Euro verdient nicht nur die geschasste RBB-Intendantin, bei ihrem Kollegen vom WDR reden wir sogar über mehr als 400.000 Euro Jahresapanage. Und eine Massagefunktion hat nicht nur der Schlesinger-Dienstwagen, wie mir ein Intendant kürzlich im Vertrauen erzählte. Darüber hinaus: Monatliche Grundvergütungen von bis zu 20.000 Euro gibt es laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags auch in der Hierarchie weiter unten (bis zu 10.000 Euro für Redakteure oder 5000 Euro für Sekretärinnen sind möglich). Da können private Medienarbeitgeber in der Regel nicht mithalten. Diese Edel­belegschaft kümmert sich – mithilfe zahlreicher, bei weitem schlechter gestellter freier Mitarbeiter – um eine absurd hohe Zahl von regionalen TV-Angeboten und Radioprogrammen.

Die entscheidende Frage lautet: Liefert uns der teuerste ÖRR weltweit das beste TV- und Radio-Angebot? Regelmäßig scheitern die ARD-Anstalten, wenn Ereignisse wirklich überraschend und außerhalb der normalen Dienstzeiten hereinbrechen. So strahlte in der Nacht der großen Flut vom 14. auf den 15. Juli 2021 in Wuppertal nur der kleine Privatsender „Radio Wuppertal“ durchgehend Infos für die Bürger aus. Und über die massenhaften sexuellen Belästigungen von Frauen durch junge Männer überwiegend aus Nordafrika auf der Kölner Domplatte in der Neujahrsnacht 2015 berichtete die „Tagesschau“ am 4. Januar das erste Mal, „ZDFheute“ verzichtete auf eine Meldung dazu. Die Flut von 2021 und die schändliche Nacht von Köln weisen noch einen anderen Zusammenhang auf: das gleichzeitige Versagen von ÖRR und Staat. Denn an der Ahr und in NRW ließen Landräte und Regionalstudios die Menschen in höchster Gefahr zunächst allein.

Die garantierten Beitragsmilliarden verschaffen dem ÖRR nicht nur einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil vor privaten Medienunternehmen, sie schaffen auch eine ungesunde Staatsnähe. Denn letztendlich beruht das ganze System auf Staatsverträgen und der Annahme, dass der ÖRR „in öffentlichem Auftrag“ tätig ist. Dazu passen die zum Teil monströsen Sendezentralen wie der ZDF-Turm auf dem Mainzer Lerchenberg. Das sind keine Sendezentralen, das sind eher Sende­kathedralen – nach meinem Eindruck nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen ARD und ZDF auf der einen und den großen Kirchen auf der anderen Seite. So läuft beiden vor allem die jüngere Kundschaft weg. Einen bedeutenden Unterschied aber gibt es: Aus der Kirche kann man austreten und somit die Kirchensteuer sparen, aus dem Beitragssystem des ÖRR gibt es hingegen so gut wie kein Entkommen. Seit 2013 heißt es ja auch nicht mehr Rundfunkgebühr, sondern -beitrag, der auch dann fällig wird, wenn man die Angebote des ÖRR nicht nutzt. Hier gilt das Kanzlermotto: Wir lassen niemanden allein.

Unvoreingenommen betrachtet führt an einer grundlegenden Reform des ÖRR in Deutschland kein Weg vorbei. Ein Sender mit regionalen Studios würde zur Grundversorgung völlig ausreichen. Er sollte sich ausschließlich aus dem Rundfunkbeitrag finanzieren und auf Werbeeinnahmen verzichten. Beendet werden müsste auch die wettbewerbsfeindliche Praxis, dass die Sendeanstalten Tochterunternehmen gründen, die dann Filme und Serien für den ÖRR produzieren.

Doch wer das dröhnende Schweigen von Politik und Parteien zu den skandalösen Enthüllungen im RBB zur Kenntnis nimmt, der ahnt, dass es diese Reformen so schnell nicht geben wird. Denn kein Ministerpräsident möchte auf „seinen“ Sender in Sichtweite seiner Staatskanzlei verzichten, selbst im Saarland oder Bremen nicht. Nicht jedem Mitarbeiter im ÖRR mag diese Nähe gefallen, der Politik gefällt sie seit Jahrzehnten außerordentlich.

mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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