Fluggesellschaften droht der Zusammenbruch Ohne großzügige Staatshilfen würde voraussichtlich keine der großen US-Fluggesellschaften wie Southwest Airlines (LUV), Delta Air Lines (DAL), American Airlines (AAL) und United Airlines (UAL) die aktuelle Krise länger als ein paar Monate überleben. Zur Veranschaulichung: Zusammen mit der irischen Ryanair sind dies die fünf größten Fluggesellschaften der Welt. Der US-Kongress hat kürzlich rund 50 Milliarden Dollar an Hilfen für die Industrie abgesegnet, von denen die eine Hälfte in Form von direkten Zuschüssen gewährt wird, während die restlichen 25 Milliarden Dollar als Kreditgarantien zur Verfügung stehen – stets unter der Bedingung, dass bis mindestens Ende September keine Entlassungen vorgenommen werden und das aktuelle Streckennetz erhalten bleibt. Aber auch nach krisenbedingten Kursverlusten zwischen 35% (Southwest Airlines) und 65% (United Airlines) sollten Anleger von Investitionen in Fluggesellschaften aktuell Abstand nehmen, denn aktuell ist der Zeitpunkt und Umfang der erwarteten Erholung nicht ansatzweise absehbar. Die heraufziehende Rezession wird sich mit großer Sicherheit auch in den Post-Corona-Fluggastzahlen deutlich niederschlagen und mittel- und langfristig die Industrie gravierend verändern. Auch die deutsche Lufthansa erwartet aktuell keine rasche Erholung der Branche und befindet sich bereits in Gesprächen über mögliche Staatshilfen. Die Krise der Fluggesellschaften trifft natürlich auch das bestehende Duopol im Bereich der Großraumflugzeuge massiv. Der bereits durch den 737-MAX Skandal angeschlagene amerikanische Flugzeughersteller Boeing (BA) hat bereits Alarm geschlagen und massive Staatshilfen angefordert während sich die europäische Konkurrenz von Airbus mit konkreten Forderungen derzeit noch zurückhält. Insbesondere Boeing sieht sich teilweise massiver Kritik ausgesetzt, da das Unternehmen in den vergangenen Jahren rund 40 Milliarden Dollar für Aktien-Rückkäufe aufgewendet hat, anstatt Reserven zu bilden. Auch hier ist selbst nach Kursverlusten von rund 55% für beide Flugzeug-Bauer nach wie vor Zurückhaltung angebracht, denn die absehbaren Überkapazitäten bei den Fluggesellschaften werden sich voraussichtlich in weit geringeren Neubestellungen niederschlagen. Ebenfalls betroffen von den Problemen der Luftfahrzeug-Branche ist der Misch-Konzern General Electric (GE) mit seinen Standbeinen Triebwerksbau (GE Aviation) und Flugzeug-Leasing (GE Capital Aviation Services – GECAS). Bereits Anfang März bezifferte das Unternehmen die durch das Virus entstehende Belastung des Free Cash Flow für das 1. Quartal auf 300-500 Millionen Dollar und in Anbetracht der Ereignisse der letzten Wochen sollten sich Anleger besser auf noch größere Auswirkungen in den Folgequartalen gefasst machen. Das Unternehmen hat bereits mit Entlassungen reagiert aber noch keine revidierte Gesamtjahresprognose abgegeben. Zudem haben die neuerlichen Verwerfungen auf dem Öl-Markt den Wert der 38%-igen Beteiligung an Baker Hughes (BKR), einem der neben Schlumberger (SLB) und Halliburton (HAL) weltweit führenden Dienstleister der Öl- und Gas-Industrie, um rund 50% oder 4 Milliarden Dollar reduziert. Die jüngsten Ereignisse bedeuten einen herben Rücksetzer für die anhaltenden Restrukturierungsbemühungen des seit einiger Zeit schlingernden Unternehmens. Glücklicherweise wurde aber nach langer Prüfung seitens der amerikanischen Kartellbehörden kürzlich der Verkauf der Tochter GE BioPharma an den Misch-Konzern Danaher Corporation (DHR) für 21,4 Milliarden Dollar genehmigt. Zudem würde General Electric grundsätzlich für Staatshilfen in Frage kommen, so dass eine Zahlungsunfähigkeit des Konzerns aktuell nicht zur Debatte steht. Aufgrund des unsicheren Ausblicks im Luftfahrt-Geschäft sollten Anleger aber auch hier vorerst auf Distanz bleiben. General Electric (ISIN: US3696041033) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | 851144 / GE | 60 Mrd. USD | 18 / 11 / 9 | 6,88 USD |
Kaum anders sieht es aktuell bei den großen Kreuzfahrt-Unternehmen aus, die drei Branchengrößen Carnival Corporation (CCL), Royal Caribbean Cruises (RCL) und Norwegian Cruise Line Holdings (NCLH) haben kürzlich – wie viele andere Unternehmen derzeit – ihre verfügbaren Kreditlinien mehr oder weniger komplett in Anspruch genommen, um bei weitestgehend ruhendem Geschäft die laufenden Kosten für einen längeren Zeitraum decken zu können. Carnival hat am Dienstag zudem die Ausgabe neuer Aktien und Bonds angekündigt, aus denen dem Unternehmen bis zu 6 Milliarden Dollar an zusätzlicher Liquidität zufließen könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Unternehmen voraussichtlich nicht in den Genuss von US-Staatshilfen kommen werden, da ihr rechtlicher Firmensitz sich in Steueroasen wie Panama, Liberia oder Bermuda befindet und entsprechend dem US-Fiskus nur in sehr geringem Maße Ertragsteuern zufließen. Zudem ist die Mehrzahl der Angestellten nicht in den USA beschäftigt. Zwar hat Präsident Trump die Prüfung von Hilfsoptionen zugesagt, formal sind jedoch schlichtweg die Anforderungen für die Inanspruchnahme von US-Staatshilfen nicht erfüllt. Besonders problematisch für die Branche sind zudem die anhaltenden Negativschlagzeilen über großflächige Covid-19 Infektionen mit diversen Todesfällen an Bord verschiedener Kreuzfahrtschiffe in den letzten Wochen. Da von einem kompletten Verschwinden des Virus auf absehbare Zeit nicht auszugehen ist und auch der Zeitrahmen für einen potentiellen Impfstoff weiter unklar erscheint, dürften sich insbesondere die älteren Semester als klassische Kreuzfahrer-Klientel in nächster Zeit vermehrt anderen Arten der Urlaubsgestaltung zuwenden mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen für die Branche. Es wird vermutlich einige Jahre dauern, bis Kreuzfahrtschiffe in der westlichen Welt nicht mehr als gigantische, potentielle Viren-Inkubatoren beargwöhnt werden. Auch die deutsche TUI-Gruppe ist von der Corona-Krise schwer betroffen und hat aktuell alle Reiseaktivitäten vorerst bis Ende April ausgesetzt, zudem können Kunden für Mai gebuchte Reisen gebührenfrei verschieben. Anders als die amerikanische Konkurrenz hat sich die TUI jedoch bereits Staatshilfen in Höhe von rund 1,8 Milliarden Euro gesichert. TUI AG (ISIN: DE000TUAG000) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | TUAG00 / TUI | 2,14 Mrd. EUR | 16 / 5/ 4 | 3,63 EUR |
Auch wenn voraussichtlich keinem der hier diskutierten Kreuzfahrt-Unternehmen die unmittelbare Zahlungsunfähigkeit droht, so sollten Anleger sich besonders bei den an der US-Börse notierten Reedereien zurückhalten – ohne staatliche Garantien werden die Geschäftsbanken voraussichtlich nur in eingeschränktem Umfang weitere Kredite gewähren. Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf die Automobil-Branche – ähnlich wie in Europa stehen in den USA derzeit praktisch alle Bänder still, allerdings haben bislang weder Ford (F) noch General Motors (GM) oder Fiat Chrysler (FCAU) konkrete Forderungen nach Staatshilfe gestellt. Nachdem die beiden letztgenannten Unternehmen bereits im Nachgang der Finanzkrise 2008/2009 erhebliche Hilfen in Anspruch nehmen mussten, könnte ein erneutes Engagement des Staates von Teilen der Öffentlichkeit kritisch gesehen werden. Für Fiat Chrysler steht zudem die kürzlich vereinbarte Fusion mit der französischen Groupe PSA auf dem Spiel. Sowohl Ford als auch General Motors verfügen über erhebliche finanzielle Reserven, zusammen haben beide Konzerne zudem kürzlich mehr als 30 Milliarden Dollar an Kreditlinien abgerufen, Ford hat zusätzlich bereits die Dividende gestrichen, General Motors dürfte bald nachziehen. Auch die deutschen Auto-Bauer haben bislang keine Staatshilfen beantragt, sowohl BMW als auch Daimler und Volkswagen verweisen dabei auf ihre erheblichen Liquiditätsreserven. Allerdings dürften auch hier in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung die Dividenden auf den Prüfstand gestellt werden. Ein Sonderfall ist Anleger-Liebling Tesla (TSLA). Auch hier ruht die Produktion im Heimatland, aber zumindest in der gerade eröffneten Gigafactory Shanghai können mittlerweile wieder Fahrzeuge gebaut werden, allerdings bei weitem nicht genug um die brachliegende Fertigung des Hauptwerkes in Kalifornien aufzufangen. Glücklicherweise hat das Unternehmen kürzlich den zwischenzeitlich stark gestiegenen Aktienkurs für eine weitere Kapitalerhöhung genutzt und so rund 2,7 Milliarden Dollar eingenommen. Zusammen mit den zum Jahresende 2019 gemeldeten Barreserven von 6,3 Milliarden Dollar, dürfte Tesla über rund 9 Milliarden Dollar an Liquidität verfügen, denen allerdings rund 12,5 Milliarden Dollar an größtenteils langfristigen Verbindlichkeiten gegenüberstehen. Zudem verfügt das Unternehmen nicht in nennenswertem Umfang über bisher nicht abgerufene Kreditlinien. In Anbetracht der derzeit guten Liquiditätsausstattung wird auch Tesla einige Quartale unter den aktuell widrigen Bedingungen überstehen können, zudem besteht bei einem Aktienkurs von immer noch rund 500 Dollar nach wie vor die Möglichkeit sich am Kapitalmarkt zusätzliche Liquidität zu besorgen. Entsprechend existiert auch für Tesla aktuell kein akutes Insolvenz-Risiko, dennoch ist die Aktie unter den derzeitigen Vorzeichen nur für extrem spekulative Anleger interessant, denn die kommende Rezession wird vermutlich auch die Nachfrage nach Teslas hochpreisigen Elektro-Autos nicht unberührt lassen. Die am Donnerstag gemeldeten Produktions- und Auslieferungszahlen (103.000 Fahrzeuge bzw. 88.400 Fahrzeuge) fürs 1. Quartal 2020 wurden vom Markt gut aufgenommen. Die Konsensschätzungen der Analysten für die Auslieferungszahlen waren zuvor auf 79.900 zurückgekommen. Die Produktion für das Model Y sei zudem im Januar gestartet und Auslieferungen hätten im März begonnen, deutlich früher als geplant. Allerdings muss man die Zahlen meiner Ansicht nach mit Vorsicht genießen. Tesla hatte bereits im Vorfeld die ursprünglich geplanten Auslieferungen in Höhe von 110.000 Fahrzeugen auf knapp unter 80.000 Fahrzeuge nach unten korrigiert. Daran haben sich dann die Analysten natürlich orientiert bei ihrer Konsensprognose. Und: Es ist davon auszugehen, dass Tesla natürlich viele Fahrzeuge bereits "auf Halde" produziert hatte fürs 1. Quartal und man nun diesen vorhandenen Fahrzeugbestand abgebaut hat. Der echte Härtetest dürfte im 2. Quartal, wenn kaum mehr produzierte Fahrzeuge da sind und gleichzeitig wegen der Fabrikschließung in Fremont über mindestens mehrere Wochen auch keine neuen mehr produziert werden können. Das heißt, es ist für das 2. Quartal mit einem massiven Einbruch und damit auch tiefroten Zahlen zu rechnen. Mein Fazit: Vermeintliche Schnäppchenkurse bei besonders von der aktuellen Krise betroffenen Unternehmen könnten sich in Anbetracht der nach wie vor enormen Unsicherheiten über die Dauer und längerfristigen Auswirkungen des aktuellen wirtschaftlichen Stillstandes schnell als schmerzhafter Griff in das sprichwörtlich fallende Messer erweisen. Auch wenn dank staatlicher Unterstützung und vorhandener Liquiditäts-Reserven aktuell nicht von einer kurzfristigen Insolvenzwelle bei den oben besprochenen Unternehmen auszugehen ist, dürfte die unvermeidlich kommende Rezession die diskutierten Branchen mit besonderer Härte treffen. Selbst äußerst risikofreudige Anleger sollten daher Positionen nach wie vor nur gestaffelt aufbauen, während konservative Investoren aktuell an der Seitenlinie besser aufgehoben erscheinen. Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es können daher keine Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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