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Liebe/r Leser/in,

es gehört zum Wesen einer Revolution, die Welt in davor und danach zu zerlegen. Wegmarken, die dorthin führen, erkennt man nur verschwommen in der Ferne, erst in der Rückschau lassen sich die Einschläge wirklich in Verbindung setzen. Auch die größte Revolution seit der Erfindung des Internets kommt dieser Tage ausgesprochen harmlos daher. Genau genommen ist sie längst da: künstliche Intelligenz. KI. Zwei Buchstaben. Intelligent sind Sie selbst. Und künstlich, also generisch, klingt erst einmal nicht sonderlich bedrohlich oder gar hochwertig. Eher wie klebriges Zuckerwassereis im Italienurlaub.

Lassen wir uns davon nicht täuschen: 2023 wird ihr Jahr, das Jahr der KI. Sie steckt in unseren E-Mail-Postfächern auf Google-Servern, in Alexa und Siri, unseren Autos, Telefonen, Uhren und Kühlschränken. Und wir stehen mit großen Augen da und schauen stumm zu. Denn diese Revolution erfolgt ohne Guillotine. Der Einschnitt selbst jedoch bleibt messerscharf: chop chop. Er teilt unsere Welt in ein Leben vor KI und das Leben mit KI. Und ja, wie unter dem Fallbeil geht es tatsächlich um unseren Kopf – denn die Maschinen fangen an, für uns zu denken.

Künstliche Intelligenz verändert alles, jeden Aspekt unseres Lebens. Von den Vorstandsetagen bis runter in den Maschinenraum. Sie wird vor nichts haltmachen. Die Jugend wird an die Jugend verschwendet, hieß es früher. Wenn wir nicht aufpassen, heißt es bald: Die Zukunft wird an die Roboter verschwendet.

So war auch bei der DLD-Konferenz vergangene Woche in München auf eigentlich jedem Podium von der KI ChatGPT die Rede. KIs können Bilder malen, Sinfonien komponieren und Essays schreiben. Das revolutionäre Potenzial ist unendlich. ChatGPT kann sich Dinge besser ausdenken als Claas Relotius – und wird nicht nur Google das Leben schwer machen. Der Hype ist so berechtigt wie gigantisch (lesen Sie dazu auch den Text von Corinna Baier ab Seite 22).

Auf dem DLD trifft sich die internationale Tech-Elite. Steffi Czerny lädt ein, Burdas digitale Vordenkerin, Globalpatriotin, die seit 2005 auf Europas wichtigster Innovationskonferenz die Klugen und Cleveren, Cash und Kreativität meisterhaft zusammendirigiert. Das Woodstock des bayerischen Silicon Valley, dessen Treibstoff unermüdliche Neugierde ist, findet Jahr für Jahr im Januar statt, bevor die Karawane nach Davos weiterzieht.

Im ersten Jahr, 2005 muss es gewesen sein, hatte ich erstmals das Vergnügen, selbst ein Panel zu moderieren. Damals fand der DLD noch im Schloss Nymphenburg statt, Googles Algorithmus war die Macht im Internet, WiFi irgendeine Zukunftsmusik und statt TikTok verlangten Kinder nach Tic Tac. Auch sonst war die digitale Welt 2005 aus heutiger Sicht herrlich optimistisch – und herrlich naiv. Daten waren virtuelle Aktenordner und kein digitales Gold, das jederzeit verkauft und ausgebeutet werden kann. Der Mensch war gläsern, aber kein Sklave. Es gab weder iPhones noch Demokratie vergiftende So­­cial-Media-Plattformen. Das Silicon Valley war ein Versprechen, die Welt besser zu machen – und nicht ein Motor des Daten- und Überwachungskapitalismus.

Im Panel sollte es um die Kultur des Remixens gehen. Geladen war Paul van Dyk, der erst im Schneechaos feststeckte, dann über die Magie des DJ-Sets dozierte. Darüber, wie er aus Tausenden Platten ein echtes Brett zusammenstückelt, um Kuration in gewisser Weise. Also um eine Gabe, die gerade in Zeiten der KI wichtiger sein wird als je zuvor. Sei es für ein DJ-Set, eine Ausstellung oder aber auch ein Magazin.

Seither standen Hunderte von Visionären und Vordenkern auf Czernys Bühne. Ein gewisser Mark Zuckerberg etwa, als Facebook ein Ivy-League-Phänomen mit 150 Millionen Usern war – heute sind es drei Milliarden. Ähnlich früh sprachen dort die Gründer von Airbnb, Spotify und Slack. Hätte man in jedes Unternehmen investiert … ach, lassen wir das.

Was sich auf dem DLD nie verändert hat, sind die Zutaten Neugierde und Optimismus. Auch und erst recht in Zeiten der Polykrisen und Weltuntergangsszenarien. Besonders beeindruckt hat mich vergangene Woche deshalb die Silicon-Valley-Legende Mary Lou Jepsen. Die Amerikanerin jagt schon ihr gesamtes Leben sogenannten Moonshots hinterher, also den ganz großen Würfen im Wettlauf der Wissenschaften. Erst im Dienste von Google, wo sie Teil des sagenumwobenen Google-X-Projekts war, später bei Facebook. Mit ihrer eigenen Firma, Openwater, gelang Jepsen schließlich die Mondlandung: Jepsen verkleinerte eine MRT-Maschine so weit, dass sie in ein Stirnband passt – von der Größe einer Zweiraumwohnung auf den Umfang eines etwas dickeren iPhones (früher hätte man Zigarettenschachtel geschrieben). Der Clou: Ihre Wundermaschine scannt durch die Augen das Gehirn des Patienten, erkennt Krebszellen, Depression und Alzheimer. Anfangs kostete eine einzige Untersuchung eine Million Dollar, heute, gerade mal drei Jahre später, ist dies für 100 Dollar machbar. Halbwertzeit ist in der digitalen Realität eben noch geringer als im deutschen Verteidigungsministerium. Es gibt auch gute Nachrichten in dystopischen Zeiten.

Doch wie bewahren wir uns Optimismus und Empathie, die wichtigsten mensch­lichen Tugenden, im Wettstreit mit einer generierten Intelligenz? Digitaler Detox ist das beste Gegenmittel zum Smartphone-Burnout. In diesem Sinne: Legen Sie das Handy zur Seite, atmen Sie durch.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre unseres gedruckten, wohl­kuratierten Magazins.

Herzlich Ihr

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Jörg Harlan Rohleder,
stellvertretender Chefredakteur FOCUS-Magazin

PS: Eine Inspiration für „Die Welt in 2023“ bietet unser gleichnamiges Sonderheft. Ich wünsche viel Spaß und Erkenntnisfreude beim Lesen!

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