Donnerstag - Entscheidungstag

Donnerstag - Entscheidungstag
von Sven Weisenhaus

An den Börsen hierzulande wurde gestern feiertagsbedingt nicht gehandelt. Aber verpasst hat man dadurch nichts. Denn auch an der Wall Street herrschte quasi Stillstand, obwohl dort eigentlich regulär gehandelt wurde. Dies ist ein Phänomen, das uns schon seit einigen Wochen begleitet: Zwar sehen wir tendenziell steigende Kurse, doch erfolgt der Anstieg seit einiger Zeit zumeist in kleinen Schritten und unterbrochen von engen Seitwärtsbewegungen.

Zurückhaltung bis zum Donnerstag?

Bis Donnerstag könnte dies auch so weitergehen. Dann finden allerdings einige wichtige Termine statt, die das Potential für stärkere Kursbewegungen haben. Die Anhörung des von US-Präsident Donald Trump geschassten Ex-FBI-Chef James Comey vor einem Senatsausschuss könnte zum Beispiel die Politik wieder stärker ins Rampenlicht rücken. Insbesondere, wenn Comey darlegen sollte, dass Trump Druck auf ihn ausübte, um Untersuchungen zu Verbindungen zwischen seinem Wahlkampfteam und Russland zu verhindern, könnten die Märkte reagieren. Und mit den vorgezogenen Parlamentswahlen in Großbritannien findet an diesem Tag ein weiteres wichtiges politisches Ereignis statt. Denn der Wahlausgang könnte Einfluss auf die Brexit-Verhandlungen und damit Einfluss auf die Börsenkurse haben. Und um Geldpolitik geht es bei der EZB-Sitzung in Frankfurt. Im Vorfeld solcher marktbeeinflussender Termine zeigen sich die Börsianer häufig etwas zurückhaltend.

Weitere Hinweise auf ein Ende der ultralockeren Geldpolitik erwartet

Während die Anhörung von Comey und die Wahl in Großbritannien für Überraschungen sorgen können, dürften die Entscheidungen der EZB allerdings vorhersehbar sein. Änderungen am Umfang des Anleihenkaufprogramms und an der Höhe der Leitzinsen sind so gut wie ausgeschlossen. Lediglich eine leichte Änderung der „forward-guidance“ könnte anstehen. Denn in den vergangenen Wochen haben mehrere Mitglieder des EZB-Rats darauf hingewiesen, dass die Juni-Sitzung vor dem Hintergrund der verbesserten Konjunkturperspektiven der geeignete Zeitpunkt sei, die geldpolitische Einschätzung zu überprüfen.

Zumal zu dieser Sitzung neue Konjunktur- und Inflationsprognosen der EZB-Volkswirte vorliegen. Mit ihnen dürfte die Notenbank das erste Mal seit langer Zeit zu dem Ergebnis kommen, dass die Wachstumsrisiken nicht mehr abwärtsgerichtet, sondern ausgeglichen sind. Genau dies sagte der EZB-Chef Mario Draghi auch bereits in seinem turnusmäßigen Dialog mit dem Europaparlament. Laut seiner Einschätzung soll sich das Wirtschaftswachstum in den nächsten Monaten verstärken.

Stabile(re)s Wirtschaftswachstum in der Eurozone

Schon im ersten Quartal 2017 zeigte sich die Wirtschaft der Eurozone stärker als die der USA. Und der am Pfingstmontag veröffentlichte Einkaufsmanagerindex deutet darauf hin, dass es im zweiten Quartal tatsächlich noch besser läuft. Er verharrte im Mai auf dem April-Niveau von 56,8 Punkten und damit weiterhin auf dem höchsten Stand seit sechs Jahren.

Markit Einkaufsmanagerindex
(Quelle: tradingeconomics.com) Markit Einkaufsmanagerindex

Während die US-Notenbank längst erste Zinsanhebungen eingeleitet hat, hält die EZB trotz der sich stetig verbessernden Wachstumsperspektiven bislang am expansiven Kurs fest. Dafür gibt es (nur) noch zwei Gründe:

Arbeitslosenquote zu hoch, Inflation zu gering

Die Arbeitslosenquote sank zwar im April auf ein Acht-Jahres-Tief, blieb aber mit 9,3 Prozent noch vergleichsweise hoch.

Arbeitslosenquote im Euroraum und in der EU
(Quelle: Eurostat)

Und bei der Inflation dominieren weiter die Risiken. Weil die Energiepreise deutlich langsamer stiegen als zuvor (+4,6% gegenüber +7,6% im April), fiel die Teuerungsrate der Verbraucherpreise nach ersten Schätzungen mit +1,4 Prozent im Mai auf ein neues Jahrestief zurück. Im April lag die Teuerungsrate noch bei +1,9 Prozent und damit deutlich näher an dem von der EZB gewünschten Ziel, das mittelfristig Werte von knapp unter zwei Prozent erreichen soll. Auch die Kerninflation, in der schwankungsreiche Öl- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind, sank im Mai - auf 1,0 Prozent von 1,2 Prozent im April.

Dadurch ist der Druck auf die Europäische Zentralbank erheblich gesunken, schnell aus ihrer extrem lockeren Geldpolitik auszusteigen. Und daher wird die EZB noch auf dem Gaspedal bleiben, die Märkte aber auf zukünftige Maßnahmen vorsichtig vorbereiten. Dies könnte zum Beispiel erfolgen, indem der bisherige Hinweis auf potenzielle weitere Leitzinssenkungen im Statement zum Zinsentscheid gestrichen wird.

Wenn die Markterwartungen erfüllt werden…

Insgesamt wird es also am Donnerstag spannend. Besonders im direkten Umfeld der einzelnen Ereignisse dürfte es zwar zu Kursausschlägen kommen – wenn aber die Markterwartungen erfüllt werden, dann dürften sich die Märkte schnell beruhigen und sich die Langeweile anschließend fortsetzen.

Die leichten Kursverluste bei DAX & Co. von heute hängen damit zusammen, dass hier einige Anleger im Vorfeld der wichtigen Ereignisse vorsichtshalber ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Und diese Abschläge sind wohl auch der bullishen Stimmung geschuldet, die wir in der aktuellen Umfrage des Stockstreet-Trader-Sentiment gemessen haben (Sentiment als Kontraindikator). Zu beachten ist dabei, dass sich der Fehlausbruch von Freitag damit immer mehr bestätigt. Doch erst wenn die in der vorangegangenen Ausgabe der Börse-Intern genannten charttechnischen Marken gebrochen werden, ändert sich das Chartbild. Dann ist im kurzfristigen Bereich eine Art Doppeltopp im DAX möglich. Kurse zwischen 12.530 und 12.880 Punkten sind aber noch als neutral zu werten.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus



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