Drei Gedanken zur Niedersachsen-Wahl

Liebe/r Leser/in,

mitten in einer der größten Krisen des Landes hat Niedersachsen gestern einen neuen Landtag gewählt. Mein Fazit: Die Loser von Berlin sind die Helden von Hannover. Zum ersten Mal seit fast zehn Jahren gibt es wieder Rot-Grün in einem Flächenland. Aber ganz so einfach ist es nicht – vor allem für Rot und Grün. Wie Sie dem ersten von den drei folgenden Gedanken zur Wahl entnehmen:
1. Der Amtsbonus ist in Krisenzeiten entscheidend!
Gewonnen hat in Niedersachsen nicht die SPD, sondern Stephan Weil. Es war allein der Amtsbonus des Ministerpräsidenten, der der Partei das Ergebnis von 33,4 Prozent beschert hat. Im Bund liegt die Partei in der aktuellen FOCUS-Sonntagsfrage gerade einmal bei 18 Prozent. Bundeskanzler Olaf Scholz kann den Sieg in Hannover zwar gut gebrauchen, er kann ihn sich aber nicht anrechnen.
2. Die Unzufriedenen wählen AfD, das konnte auch Merz nicht verhindern!
Die Stimmungslage gegen die Ampel hätte eine Steilvorlage für die Union sein können: eine Abstimmung in Hannover gegen Berlin. Das ging nicht auf. Profitieren von all den Unsicherheiten und Ängsten konnte am Ende die extreme Rechte.
CDU-Chef Friedrich Merz wollte dem glücklosen Kandidaten Bernd Althusmann wohl Schützenhilfe leisten, als er vor ukrainischem „Sozialtourismus“ warnte. Das war der Versuch, der erstarkenden AfD ein Thema abspenstig zu machen. Doch die Niedersachsen wählten in Scharen das rechtsextreme Original: Mit einem Stimmenzuwachs von 4,7 Prozentpunkten auf 10,9 Prozent war die AfD der zweitgrößte Profiteur der Landtagswahl, die CDU erreichte mit 28,1 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1955. Bernd Althusmann gab direkt nach der Wahl seinen Rücktritt bekannt.
3. Opposition in der Regierung funktioniert nicht!
Die FDP kann sich an die Juniorrolle in der Bundesregierung nicht gewöhnen. Seit Wochen inszeniert sie sich in Berlin als das Regulativ, das Schlimmeres verhindern könne. Aber reicht das den Stammwählern? Und wer sind die Stammwähler nach vier Niederlagen bei Landtagswahlen in Folge überhaupt noch? Parteichef Christian Lindner muss sich entscheiden: Will er die Politik der Ampel weiter tragen oder will er das Profil seiner siechenden Partei wieder schärfen? Und da stellt sich die Frage: Welches Profil? All den Mittelständlern und Selbstständigen ist in der momentanen Lage jedenfalls eine Gaspreisbremse wichtiger als eine Schuldenbremse. Sie wollen Antworten, wann es konkret wie weitergeht mit ihren Geschäften am Standort Deutschland, der in jeder Hinsicht immer teurer wird.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese Woche!

Mit vielen Grüßen

Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS Magazin

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