Drei Szenarien, wie der Krieg enden kann
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Rheinische Post

Morgenausgabe

Stimme
des Westens

Moritz Döbler

11. März 2022

Liebe Frau Do,

über Jahrzehnte hat Jean-Claude Juncker die deutsche Politik freundschaftlich begleitet und für die europäische Einigung geworben. Auch Gerhard Schröder kennt er bestens. Wenn nun der frühere Premier Luxemburgs Wladimir Putin als „lupenreinen Diktator“ bezeichnet, wie er es in einem Interview von Bernd Wientjes tut, dann ist das erstens klare Kante und zweitens eine Botschaft an den Altkanzler, der den russischen Präsidenten einst als „lupenreinen Demokraten“ pries. Diese Formulierung wiederholt Schröder schon lange nicht mehr und soll jetzt zu einem Gespräch mit Putin nach Moskau gereist sein, um zu vermitteln. Wegen seiner Nähe zu Russland ist er in Ungnade gefallen. Die „Stimme des Westens“ wünscht ihm trotzdem Erfolg. Denn wenn er etwas im Kreml erreichen sollte, wäre das gut: auch für ihn, aber vor allem für die Menschen in der Ukraine. Dass sich allerdings der lupenreine Diktator des größten Landes der Erde etwas von einem Anwalt aus Hannover sagen lässt, klingt nicht wahrscheinlich. Wer ist hier Koch, wer Kellner?

Heute wichtig:

Krieg in der Ukraine: Das russische Militär versucht nach Einschätzung des Pentagons, ukrainische Städte zu umzingeln - darunter auch die Hauptstadt Kiew. „Charkiw und Tschernihiw, Mariupol - wir sehen diese Bemühungen, einzukreisen und zu umzingeln“, sagte ein ranghoher US-Verteidigungsbeamter. Weitere Entwicklungen aus der Nacht können Sie hier nachlesen.

Corona: Die Infektionszahlen steigen wieder deutlich an. In den vergangenen Wochen steckten sich vor allem junge Leute an, jetzt erwischt es Eltern und Großeltern. Warum die Arztpraxen in NRW langsam an ihre Grenzen stoßen, berichtet Maximilian Plück.

Spenden: Mit einem „Abend für die Ukraine“ hat sich Talkshow- Moderator Markus Lanz eine Sendung vorgenommen, die einen Spendenaufruf mit den gewohnten Studiogesprächen verbinden sollte. Am Ende kamen dabei mehr als 4,17 Millionen Euro für die Ukraine zusammen.

Meinung am Morgen:

Ukraine-Hilfe: Die Spendenaufrufe von Prominenten wie Markus Lanz begrüßt Horst Thoren in seinem Leitartikel. „Doch sind solche schönen Aktionen nur die Schaumkrone in der Welle der Hilfsbereitschaft, die Deutschland erfasst hat“, schreibt er. Die Ehrenamtlichen leisteten nachhaltige Unterstützung.

Ukraine-Gespräche: Eingangs war von Gerhard Schröders inoffiziellen Bemühungen die Rede. Die offiziellen Gespräche zwischen den Außenministern der Kriegsparteien haben keine Wende gebracht. „Für die Ukraine kann es wohl keinen Frieden geben, der nicht wehtut. Wie verhandelt man mit jemanden, der einem die Pistole an die Schläfe hält?“, fragt Kerstin Münstermann in ihrem Leitartikel.

Ukraine-Folgen: Der Vernichtungsfeldzug Russlands geht unvermindert weiter, aber irgendwann endet jeder Krieg. Antje Höning entwirft in ihrer Analyse drei Szenarien, wie es in der Wirtschaft dann in der Ukraine, Russland und in der EU weitergeht

Gastbeitrag: Soll Deutschland einen Importstopp für Gas, Erdöl und Kohle aus Russland verhängen, um den Krieg zu verkürzen? Diese Vorstellung sei naiv, argumentiert Justus Haucap. Wladimir Putin brauche unsere Devisen für den Krieg nicht,  schreibt der frühere Vorsitzende der Monopolkommission, der Volkswirtschaft an der Uni Düsseldorf lehrt, in seiner Kolumne „Geld und Leben“.

So gesehen:

Nun geht es in der Debatte nicht nur ums Geld, sondern auch um Moral. Wollen wir beim Heizen auf einen lupenreinen Diktator und mutmaßlichen Kriegsverbrecher angewiesen sein? Nein, das scheinen die meisten Menschen hierzulande nicht zu wollen, und so gewinnt die Ampel-Koalition ein zusätzliches Argument für die geplante Energiewende. Als das Gas noch aus der Sowjetunion kam, hat das die Deutschen aber kein bisschen gestört. Unsere moralischen Anforderungen ändern sich also gerade. Wie wollen wir dann aber mit den vielen anderen Staaten in der Welt umgehen, die keine lupenreinen Demokratien verwirklicht haben? „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, lautet eine Wahrheit aus Bert Brechts „Dreigroschenoper“, die vielleicht auch belegt, wie gut es uns geht. Bis morgen!

Herzlich,

Ihr

Moritz Döbler

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